Bildrechte: Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Verflucht: Der "Fliegende Holländer"

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In jeder Auster eine Perle: "Fliegender Holländer" in Passau

Wagners Frühwerk open air in der Veste Oberhaus oberhalb von Passau: Regisseur Johannes Reitmeier zeigt die Emanzipation einer Frau, die zur "Herrin der sieben Meere" wird und nebenbei den "Holländer" vom Fluch erlöst. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

In jeder Auster eine Perle, das gibt´s nur im Märchen - kein Wunder, dass die schwer schuftenden Matrosen auf dem Walfänger durchdrehen. Der mysteriöse Kapitän, der sich später als "Fliegender Holländer" herausstellt, verteilt großzügig seine raffiniert verpackten Schmuckstücke. Ein von vielen so witzigen wie intelligenten Ideen des Regisseurs Johannes Reitmeier, der in Passau Wagners wohl populärste Oper inszenierte. Trotz dunkler Wolken am Himmel waren alle Plätze besetzt, die Premiere ausverkauft. Kurz vor Beginn wurde es zwar noch mal richtig nass, doch ein prächtiger Regenbogen verhieß dann Erlösung - die ja bei Wagner immer das Wichtigste ist, wenn auch nicht immer ganz klar wird, wovon seine Helden eigentlich erlöst werden.

Passau wird Wagner-Stadt

Intendant Stefan Tilch ist gleichwohl fest entschlossen, Passau zur Wagner-Stadt zu machen, angespornt von seinem GMD, dem Generalmusikdirektor Basil Coleman:

Wir sind ja auf den Geschmack gekommen, nachdem wir vor zwei Jahren "Tristan und Isolde" gemacht hatten und nächstes Jahr in unseren "Ring" einsteigen wollen, da wollte vor allem unser Generalmusikdirektor nicht ein Wagner freies Jahr verbringen. Da haben wir uns für den "Fliegenden Holländer" entschieden. Und wie sich gerade zeigt, ist das Stück sehr populär, also alle Vorstellungen in den drei Städten sind eigentlich ausverkauft, was eigentlich dafür spricht, dass auch dieser Titel unseren Burgenfestspielen sehr gut tut. - Stefan Tilch

Seemannsgarn und Kapitalismuskritik

Nun ist es nicht ganz einfach, den "Fliegenden Holländer" auf eine Freilichtbühne zu bringen, ohne daraus eine Satire zu machen. Es ist eine Gespenstergeschichte, ein Beziehungsdrama, eine Kapitalismuskritik, etwas Seemannsgarn und durch und durch romantisches Märchen. Alles zusammen ist unter freiem Himmel selten glaubwürdig zu inszenieren, schon gar nicht mit den beschränkten Mitteln der niederbayerischen Burgenfestspiele. Da musste sich Ausstatter Michael Zimmermann arg beschränken. Und doch schaffte es Johannes Reitmeier, im Hauptberuf Intendant des Innsbrucker Landestheaters, auf der vergleichsweise kleinen und bescheidenen Bühne im Innenhof der Veste Oberhaus einen packenden Opernabend zu inszenieren.

Für mich war es besonders spannend, dass ich jetzt unmittelbar nach dem "Rienzi" in Innsbruck folgerichtig in der Chronologie des Wagnerschen Schaffens den "Holländer" machen durfte, und insoweit erfahren habe, wie groß der Schritt war, den Wagner in seiner Entwicklung in diesen wenigen Jahren gemacht hat. Für mich er ist beim "Holländer" tatsächlich schon Musikdramatiker, wenn auch noch nicht so ausgereift wie später beim "Tristan". Also da ist alles angelegt, was ihn als Meister ausmacht. - Johannes Reitmeier

Herrin der sieben Meere

Verblüffend, wie Reitmeier vor allem die Emanzipation von Senta zeigt, der Frau, die bei Wagner den "Fliegenden Holländer" von dessen Fluch erlöst. Hier ist sie anfangs eine Art Hausfrau, die ihre Tabletten nicht unter Kontrolle hat: Im unansehnlichen, grauen Kostüm hängt sie ungelenk ihren Fantasien nach. Später wird sie zur feuerrot gewandeten, funkelnden Diva, die sich die Freiheit nimmt, auszusteigen aus der engen Welt, in der es nur um Fische, Wolle und Männer geht. Sie tauscht mit dem teuflischen "Holländer" die Rollen, lässt ihn endlich sterben und fährt an seiner Stelle über die Ozeane. Das alles wird klug und einfallsreich bebildert und vor allen hervorragend gesungen. Lars Müller in der Titelrolle hat eine souveräne Ausstrahlung, Annette Seiltgen als Senta mausert sich absolut glaubwürdig von der schüchternen Kapitänstochter zur Herrin der sieben Meere. Format zeigte auch Stephan Bootz als geldgieriger Daland und Jeffrey Nardone als Erik. Dirigent Basil Coleman hätte für die Freilicht-Szenerie ruhig noch etwas aufwühlender ans Werk gehen können, wollte aber wohl auch die Sänger vor übertriebener Lautstärke schützen. Und so, wie die Wolken am Himmel rasten, den Mond verdunkelten und ab und zu ein paar Tropfen herunterschickten, so elementar kann kein Bühnenbildner arbeiten. Intendant Stefan Tilch.

Es ist ein Teil des Charmes, wenn man Open Air macht. Dieses gemeinsame Erleben von allem möglichen. Das kann Sonne oder Hitze sein, schreiende Tauben, das können Regen oder Kälte sein, aber das ist ja Teil des Abenteuers, des Events. - Stefan Tilch

Wieder am 24., 29. und 30. Juni, weitere Termine (Restkarten)