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Integration jetzt: "Hairspray" begeistert Dortmunder Publikum

Integration jetzt: "Hairspray" begeistert Dortmunder Publikum

Schwarze, Schwule und Dicke verbünden sich gegen die Weißen, Reichen und Schlanken: Das sozialkritische Musical "Hairspray" ist nach wie vor aktuell. In Dortmund war der coole Kampfgeist der sechziger Jahre spürbar. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Es spricht für das Stück, aber leider gegen die Welt, wenn ein Musical wie „Hairspray“, das im Jahr 1962 spielt, heute immer noch aktuell ist. Leider ist es sogar aktueller denn je, denn es geht um Rassismus, um Ausgrenzung ganz allgemein, um reiche Leute, die nicht gern von armen gestört werden wollen. Da ist ein Transparent mit dem Spruch „Integration jetzt“ schon ausgesprochen provokant – wer denkt da nicht sofort an die aktuelle Flüchtlingsdebatte? Und genau das hat Melissa King, die „Hairspray“ jetzt am Theater Dortmund neu inszeniert hat, natürlich beabsichtigt. Sie kommt aus Amerika, wo Rassismus so alltäglich ist wie fast überall, jetzt wie vor fünfzig Jahren, aber in Amerika fällt das viel stärker auf als anderswo, wegen der Medien und wegen des eigenen Anspruchs – schließlich schmückt sich das Land mit der Freiheitsstatue.

Gegen das "weiße und schöne" Fernsehen

Politisch ist „Hairspray“ also allemal, mit und ohne Transparent, verbündet sich die übergewichtige, sozial auffällige Tracy Turnblad doch mit farbigen Teenagern, um endlich in einer Fernsehshow auftreten zu dürfen, in der bis dahin nur weiße, schlanke und schöne Menschen geduldet waren. Komponist Marc Shaiman hat sich dabei am Musikstil der sechziger Jahre orientiert, also vor allem dem Motown-Sound mit so populären schwarzen Lady-Bands wie den „Supremes“, seinerzeit angeführt von Diana Ross. Deshalb stehen auch immer wieder drei goldglänzend gekleidete Sängerinnen auf der Dortmunder Bühne und künden vom Optimismus, dem Groove und dem Schwung der Sixties. Was für ein Aufbruch gegen die heutige Zerknirschung!

Hässliche Krawatten, enge Hosen

Noch während der letzten Nummer erhob sich das Publikum geschlossen zu stehenden Ovationen – „Hairspray“ scheint unverwüstlich, trotz tausender Vorstellungen in New York, London, Köln und vielen anderen Städten. So aufwändig freilich wie in Dortmund wird es selten inszeniert. Ausstatter Knut Hetzer und Kostümbildnerin Judith Peter hatten wirklich an nichts gespart: Grelle Farben, leuchtende Pailletten, enge Hosen, hässliche Krawatten und vor allem Turmfrisuren mit reichlich Haarspray, wie es sich gehört. Der "größte Scherzartikel der Welt" kommt ebenso vor wie ein cooler Plattenladen, ein zweistöckiges Gefängnis und eine High-School-Sporthalle, in der ganz besonders gemeiner "Völkerball" gespielt wird.

Furioser Tanz, gebremste Dialoge

Die westfälische Hauptdarstellerin Marja Hennicke als Tracy Turnblad begeisterte mit ihrem unverwüstlichen Charme, Hanns Brock gab ihre aus den Fugen geratene Mutter überraschend melancholisch und räumte dabei mächtig ab. Tanzen konnten alle Mitwirkenden furios, bei den gesprochenen Dialogen gab es allerdings den einen oder anderen allzu biederen "Aufsager", da fehlten mitunter Tempo und Witz, vor allem bei Morgan Moody, der den zunächst opportunistischen, dann überraschend mutigen Fernsehmoderator Corny Collins allzu hölzern spielte. Womöglich war da Nervosität im Spiel. Dortmund ist halt doch nicht der Broadway, und es ist immer ein Wagnis, solche Musicals in deutscher Sprache auf die Bühne zu bringen. Zopfig übersetzt ist der Gesangs-Text von Heiko Wohlgemuth allerdings nicht. Vielleicht lag es an der Tonanlage, dass die Wortverständlichkeit hier und da zu wünschen übrig ließ.

Botschaft kam an

Die Bühne umfasste übrigens den gesamten Orchestergraben, es konnte also rundherum gespielt werden – eine Riesen-Spielfläche, die Regisseurin und Choreographin Melissa King ruhig noch etwas mehr hätte nutzen können. Vielleicht war die Doppelbelastung auch sehr fordernd, denn die Tanzeinlagen funktionierten durchgehend besser als die schauspielerischen Passagen. Aber das war letztlich nebensächlich: Die Botschaft kam an! Eine Botschaft für Toleranz, Weltoffenheit, gute Laune, kurz: Für den (Kampf-)Geist der Sechziger Jahre. Dirigent Philipp Armbruster leitete die Band schwungvoll, hätte allerdings ruhig noch etwas „funkiger“, feuersprühender, energiegeladener zu Werk gehen können.

Eine Spur zu wenig hysterisch

Etwas harmlos wirkten auch die beiden weiblichen Bösewichte, die rassistische Fernsehproduzentin Velma von Tussle, gespielt von Sarah Schütz, und ihre karrieresüchtige Tochter Amber, eine Spur zu wenig hysterisch dargestellt von Marie-Anjes Lumpp. „Hairspray“ verträgt die krasse Übertreibung, auch den anarchischen Trash, daran mangelte es in Dortmund. Trotzdem eine erfolgreiche Produktion, die das Haus viele Male füllen wird, am Silvestertag sogar zwei Mal. Und die Erfolgsserie von „Hairspray“ geht weiter: Demnächst startet in Bayern eine Tourneeproduktion, die es mit dem äußeren technischen Aufwand von Dortmund natürlich nicht aufnehmen kann, aber gleichwohl ihre Fans finden dürfte: Am 25. November in Germering, am 27. und 28. November in Ingolstadt, am 10. Februar nächsten Jahres in Füssen, um nur einige Termine zu nennen.