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Klöster-Sterben in Bayern: "Wehmut weht durchs Land"

Auch das Kloster Reutberg in Sachsenkam soll demnächst geschlossen werden: Nur noch zwei hoch betagte Franziskanerinnen leben dort. Ist das ein "Alarmsignal" für den Verfall der Kultur, für Wehmut oder nur für Veränderung? Von Matthias Morgenroth.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Heute ist Gründonnerstag und wieder sieht man sich befleißigt, erklären zu müssen, warum dieser Donnerstag "Grün" heißt, und dass Grün nicht von der Farbe, sondern von Greinen kommt, und dass der Tag deswegen traurig ist, weil es der Tag des letzten Abendmahls ist. Unsere eigene christliche Überlieferung, das merkt man an solchen Tagen, braucht offenbar eine Anleitung – ist sie etwa am Absterben?

Nur noch ein Pflegefall?

Was auf alle Fälle ausstirbt, sind die Klosterfrauen und die Mönche- aktuell hat die Erzdiözese München-Freising angekündigt, dass das Kloster Reutberg im oberbayerischen Sachsenkam bald aufgelöst werden wird – es beherbergt nur noch zwei hochbetagte Franziskanerinnen – das Klostersterben setzt sich fort – und das in einer Zeit, in der das angeblich christliche Abendland neu heraufbeschworen wird – wieviel Wehmut schwingt mit, wenn wieder ein Kloster dichtmacht, einst kulturelles Zentrum, jetzt nur noch Pflegefall.

"Klöster gehören nicht mehr dazu"

Zunächst, Klostersterben hin, Klostersterben her: Wie „christlich“ wir sind, das lässt sich nicht an der Anzahl der noch existierenden Klöster sagen, und auch nicht am Gottesdienstbesuch – es gibt schließlich bekanntermaßen viele verschiedene Möglichkeiten, selig zu werden. Klöster gehören nicht mehr dazu – naja, wer kann sich auch schon vorstellen, ins Kloster zu gehen?

Tausend Jahre blühten die Klöster

Jede Entwicklung kann entweder als Verfalls- oder Veränderungsgeschichte beschrieben werden – ich tendiere stets dazu, nicht vorschnell zu jammern. Über tausend Jahre währte die Blüte der Klöster: Sie waren kulturelle Zentren, Heimat für Millionen, die sonst nirgends untergekommen wären, weil sie der falschen Schicht angehörte oder schlicht und einfach Frauen waren: Jetzt erscheint es uns das klösterliche Leben mit „ora et labora“, Zölibat und Klausur nicht mehr erstrebenswert. Genauso, wie wir vielleicht den ein oder anderen Glaubenssatz der Kirchen nicht mehr so wichtig finden, vielleicht sogar überholt oder möglicherweise sogar als Irrtum längst verabschiedet haben.

Wie lange gibt es noch Andechs?

Trotzdem, etwas Wehmut weht durchs Land, wenn wir hören, dass nicht nur Reutberg, sondern auch Klöster mit so klingenden Namen wie Wessobrunn längst aufgegeben sind. Bange Frage – wie lange wird sich dann Andechs noch halten – oder Münsterschwarzach oder Ettal – und wird uns wirklich nichts fehlen, wenn die Klöster alle weg sind – auch wenn wir selbst nie vorhatten, dort einzuziehen.

Trost und Stille

Religionssoziologen sprechen von „Hintergrundfunktion“, die lebendige Kirchengemeinden erfüllen – es tut offenbar einer Gesellschaft gut, zu wissen, dass es jemand gibt, der die Glocken läutet, der sonntags Gottesdienst hält, und zu wissen, dass für den Fall der Fälle jemand da ist oder zumindest ein Raum da ist, in den man gehen kann, wenn man mal gar nichts mehr von dieser Welt hier wissen will oder wenn man schon nicht Gott sucht, dann immerhin Trost oder Stille.

Flüchtlingsfrage: Allerchristliches Land?

Wie gesagt, die Christlichkeit eines Landes lässt sich nicht an der Anzahl der existierenden Klöster abmessen: Folgt man der Argumentation der Kirchen hierzulande, dann war Deutschland in der Flüchtlingsfrage eines der allerchristlichsten Länder innerhalb der EU, geschlossene Klöster hin oder her. Wohl aber lässt sich der Sinn fürs Religiöse, für ein Mehr im

Leben, daran ablesen, wie viel Raum dem Spirituellen insgesamt in einer Gesellschaft gewidmet ist – und zwar im wortwörtlichen Sinn.

Meditationshäuser boomen

Es ist eben keine Verfalls- sondern eine Veränderungsgeschichte: Klöster sterben, dafür boomen Mediationshäuser, Pilgerwege und ganzheitlich arbeitende Kliniken. Dazu sind es heute die Kulturtempel, in denen wir über Sinn und Unsinn und ein gutes Leben nachdenken – im Theater oder im Kino, wo, wenn es gelingt, uns auch die Dinge wirklich zu Herzen gehen. Doch all das, was heute im weitesten Spiritualität genannt wird, ist eher eine private Angelegenheit. Wie steht es also um diese Hintergrundfunktion, das Gefühl, dass es ausreichend spirituellen Back-Up gibt?

Heilige Räume von morgen

So wie jede Stadt Theater oder Kinos oder Bibliotheken braucht, also Räume für die großen Dramen - so braucht es eben auch Räume, die nur uns ausschließlich den ganz großen Fragen vorbehalten sind. Wenn heute neue Stadtviertel gebaut werden, wird an neue Kirchen nicht zwingend gedacht. Auch wenn uns vielleicht noch nicht klar ist, wie heilige Räume von morgen aussehen – werden es Häuser der Religionen im Plural, wie das Haus of One in Berlin – werden es ökumenische Gemeindezentren, in denen sich evangelische, katholische, orthodoxe Kirchen zusammentun – werden es einfach Räume der Stille und des Innehaltens  - auch wenn uns noch nicht klar ist, wohin die Reise geht: dass es solche Räume braucht, darauf sollten wir uns verständigen. Räume, in denen es nicht ums Geld verdienen geht, auch nicht um Sport oder um gutes Essen oder um gute Geschichten – sondern ums große Ganze. 

Werden wir Klöstern nachtrauern?

Wenn es keine neuen heiligen Bezugspunkte mehr gibt, dann werden wir einst dem Verlust der Klöster nachtrauern – zurecht. Aber vielleicht werden auch die alten Mauern Grundstein für etwas Neues: Die Erzdiözese München Freising jedenfalls will das Kloster Reutberg erhalten, ohne Klosterschwestern zwar – aber immer noch als spirituelles Zentrum.