Alt ist der Archäologe Indiana Jones geworden. Wir schreiben das Jahr 1969, die USA feiert die erfolgreiche Mondlandung, Indy lebt in New York und hält eine letzte Vorlesung, bei der seine Studenten sich nur mit Mühe wachhalten. Danach Applaus vom Kollegium und der Abschied in den Ruhestand. Alles so gar nicht abenteuerhaft, Indiana Jones ist 70.
Die Welt, in der Millionen von Kinozuschauern ihn vor 42 Jahren lieben lernten, ist eine andere. Indy selbst desillusioniert, grummelig. "Das ist der letzte Indiana Jones Film. Für mich zumindest. Daher hat es mich interessiert, wie die 40 Jahre, die seit dem ersten Film vergangen sind, sich auf die Figur ausgewirkt haben. Wie geht ein Indiana Jones mit dem Alter um, wenn die Kräfte nachlassen?", sagt Harrison Ford im BR-Interview.
Rad des Schicksals gesucht
Kaum hat Indy seine Professur hinter sich gelassen, erscheint seine Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge) auf der Bildfläche. Sie will mit Indy ein letztes großes Abenteuer wagen und die zweite Hälfte des Rads des Schicksals finden. Ein uraltes Instrument, mit dem Archimedes einst Verschiebungen in der Zeit vorauszusagen glaubte. Kaum hat Indy sich überreden lassen, wird er auch schon von Alt-Nazis gejagt. Mads Mikkelsen – herrlich maliziös – als Bösewicht will als Jürgen Voller mit dem Rad zurück in die Vergangenheit, um den Nazis zur Weltherrschaft zu verhelfen.
Ein Abenteuerfilm in bester Indiana-Jones-Tradition
Im Mai feierte "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" seine Weltpremiere beim Cannes Filmfestival. Die internationale Kritik war gespalten. Zu viele Verfolgungsjagden, zu viel Kawumm, dabei kämen Emotionen und eine gute Handlung zu kurz. Kann man so sehen. Allerdings war es genau diese Mischung aus Rasanz und einer im Grunde banalen Story, die die Reihe so anziehend und unterhaltend machte. Die Hollywood-Giganten Steven Spielberg und George Lucas erdachten die Abenteuerfigur in den frühen 80er-Jahren – beide mit "Der weiße Hai" (Spielberg) und "Star Wars" (Lucas) gerade zu Weltruhm gelangt – als Hommage an den klassischen Abenteuerfilm aus den 50ern, den es so damals im Kino nicht mehr gab.
Ein eigenwilliger, gebildeter, mutiger Draufgänger, der als Archäologe auf der Suche nach geheimnisvollen Schätzen ist; geheime Tempelkammern, böse Schurken, uralte Flüche, etwas Magie und große, eklige Insekten, dazu Tempo und wilde Verfolgungsjagden: bester Stoff für triviales, aber rasantes Actionkino. Nicht mehr und auch nicht weniger – das war es, was die Indiana-Jones-Reihe drei Filme erfolgreich bot. Der vierte Versuch "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels", bei dem Indy Außerirdische in den 50ern entdeckt, ging gehörig daneben, ist der Schwachpunkt der Kinoserie – ein Opfer von computergenerierten Effektschlachten, denen die Seele der früheren Filme fehlte.
Genau diesen Fehler machte das Team um Regisseur James Mangold nicht – Spielberg war unter anderem wegen seines Traumprojekts "Die Fabelmanns" von der Regie zurückgetreten. "Indy 5" lebt von der Physis seiner Actionsequenzen. Der Zuschauer spürt die Geschwindigkeit, die Schmerzen, die Indy und Co. als Figuren bei waghalsigen Sprüngen und anderen Aktionen erleiden. Eine Jagd auf Auto-Rikschas sei hier erwähnt. Und auch, das Phoebe Waller-Bridge beim Dreh eins der Fahrzeuge zu Schrott fuhr und damit für eine ungeplante längere Drehpause sorgte.
Beeindruckend, wie sich gerade Harrison Ford – er wird um Juli 81! – dabei ins Zeug gelegt hat. "Diese Filme nehmen einen schon mit. Aber Phoebe hatte bei den Actionszenen ganz besonders viel Spaß.", so Ford. Phoebe Waller-Bridge zeigte sich nicht weniger begeistert: "Ich habe es geliebt. Du hast Deine Schulter verletzt, als Du einen Nazi verprügelt hast." Ford daraufhin: "Was muss das muss."
Beeindruckendes CGI macht aus Ford einen 40-Jährigen
So ganz ohne CGI kommt der neue Film natürlich nicht aus. Vor allem, was Harrison Ford angeht. Durch neueste Gesichtsscans hat das Filmteam Ford auf 40 "verjüngt" – die ersten 20 Minuten des Films spielen nämlich 1945, kurz vor Kriegsende. Die Nazis schaffen Beutekunst beiseite, und Indiana Jones versucht ihnen einige Stücke, die natürlich in ein Museum gehören, abzujagen. Es folgt eine beeindruckende Actionsequenz in einem Zug. Und keine Sekunde hat der Zuschauer das Gefühl, er sehe einer Computermaske von Harrison Ford zu – so gut ist der Trick gelungen.
"Es ist angsteinflößend, was da jetzt möglich ist", sagt Ford. "Die haben eine KI mit allen alten Aufnahmen von mir gefüttert, auch Probeaufnahmen noch vom ersten Film und mit Szenen, die nie in den Kinofassungen verwendet wurden. LucasArts hat da ja jede Menge Vorrat. Und das Ergebnis? Beeindruckend!" Ist es. Keine Frage.
Die Diskussion um KI-Einsatz im Kino, um längst verstorbene Schauspieler wieder auf die Leinwand zu bringen – sie begann 2016 mit "Star Wars Rogue One", in dem Peter Cushing als imperialer Admiral Tarkin zurückkehrte, zumindest sein Gesicht – wird sie bestimmt befeuern. Dem Unterhaltungswert von "Indiana Jones und das Rad des Schicksals" tut das keinen Abbruch.
Nostalgie trifft auf schrilles Entertainment
Hier ist ein turbulentes, schrilles Spektakel gelungen, das Fans der ersten Stunde einige nostalgische Momente bescheren wird. Und das sich nicht scheut, auch mal völlig abgedreht zu sein. Gerade das Finale des Films – was passiert, wird hier natürlich nicht verraten – dürfte die Zuschauer spalten. Insgesamt macht der Abschied von Indiana Jones aber ganz viel Spaß. Harrison Ford wollte den Zuschauern die Gewissheit geben, dass es dieser so beliebten Figur nach seinem Abschied vom großen Abenteuer gut gehen wird. Das ist ihm und dem ganzen Filmteam gelungen. Mach's gut, Indiana Jones. Schön war's.
"Indiana Jones und das Rad des Schicksals" startet am 29. Juni bundesweit in den deutschen Kinos.
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