Auf der Suche nach Ingmar Bergmann Szene

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Margarethe von Trotta über ihre Ingmar-Bergmann-Doku

Wie findet man jemanden, der immer auf der Flucht war? In ihrem Dokumentarfilm-Debüt nähert sich Margarethe von Trotta der Regie-Legende Ingmar Bergmann an. Ein Gespräch über Faszination und Einsamkeit.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Für ihren Dokumentarfilm "Auf der Suche nach Ingmar Bergmann" wagt sich Margarethe von Trotta aus ihrer "Komfortzone" Spielfilm. Um den berühmten schwedischen Regisseur greifbar zu machen, reist sie an markante Drehorte, spricht mit Weggefährten, Regisseuren und Schauspielerinnen. Immer begleitet von der überwältigenden Wirkung ihrer eigenen Faszination. Barbara Knopf im Gespräch mit der Ausnahme-Regisseurin über einen Ausnahme-Regisseur.

Barbara Knopf: Bevor ich Ihren Film gesehen habe, habe ich überlegt, wie und wann sie denn eigentlich den Entschluss gefasst haben, in dieses Männerbusiness Film einzusteigen. Jetzt habe ich den Film gesehen und weiß es gab ein veritables Erweckungserlebnis…

Margarethe von Trotta: Genau, das war Anfang der sechziger Jahre in Paris. Da bin ich eigentlich hingegangen, um zu studieren, ich habe nicht an Film gedacht. Dort habe ich Studenten kennengelernt, die schon für die Nouvelle Vague geschwärmt haben und die haben mich eben mit ins Kino genommen. Mein erster Film, und deswegen hat er mich so beeindruckt, war "Das siebente Siegel" von Ingmar Bergmann.

Was hat sie so beeindruckt daran?

Die Machart! Wenn man vorher nur Heimatfilme und Melodramen in den Fünfzigern in Deutschland gesehen hat, die auch nicht ernst genommen hat und auf einmal kommt jemand mit so einer Wucht der Bilder, der Bildsprache und auch der existenziellen Sprache, seiner existenziellen Zweifel – das war einfach umwerfend. Solche Erlebnisse hatte ich vorher nur im Theater. Da ist dieser Wunsch in mir entstanden, dass ich vielleicht irgendwann mal die Möglichkeit habe, auch selber Filmregisseur zu werden. Nach längerer Zeit hat es dann auch geklappt: Siebzehn Jahre habe ich gewartet bis ich meinen ersten Film gemacht habe.

Sie spüren dieses Initialerlebnis nach: Ihr Film beginnt mit einer Wolken-Dramatik am Meer. Sie gehen an diesen Ort, den Ingmar Bergman in "Das siebente Siegel" eingefangen hat und legen seine Bilder und ihre übereinander. Wie wichtig war es, diese Orte aufzusuchen? Das Theater, an dem Bergmann inszeniert hat, die Kirche, wo sein Vater Pastor war, das Haus auf der Insel, wo er starb?

Der Film heißt ja "Auf der Suche nach Ingmar Bergmann", das heißt natürlich auch: auf der Suche nach den Stätten, wo er gearbeitet und gewirkt hat. "Das siebente Siegel" fängt nun mal in einer sehr schönen und wilden Gegend an. Mittlerweile ist das ein Naturschutzgebiet und man muss eine Stunde lang absteigen über Stock und Stein, bis in diese Bucht hinein. Ich musste von hinten gehalten werden und von vorne ging jemand, damit ich nicht abstürze. Das war schon ein Abenteuer. Unten angekommen war es natürlich ein Erlebnis. Ich war plötzlich so überwältigt. Es war 60 Jahre her, seit ich den Film gesehen hatte. Ich konnte kaum sprechen.

Sie machen sich auf die Suche nach Ingmar Bergmann, aber Sie haben ihn ja gekannt, Sie haben ihn getroffen, war er trotzdem ein Fremder?

Das kann man nicht in einem Gespräch ergründen. Vor allen Dingen hat er sich ja selber in seinen Filmen mehr offenbart, würde ich sagen, als im wirklichen Leben. Viele sagen ja auch, er sei sehr heiter gewesen und hat oft laut gelacht. Und dann kam die Nachtstunde des "Voice", wie er das nannte, in der man Angst bekommt, in der die Albträume entstehen und man nicht mehr weiß, ob man weiterleben will. Das sind die zwei Seiten an ihm und ich habe natürlich nur die Tagseite kennengelernt.

Es kommt auch heraus, dass er doch ein ziemlich tief verunsichertes Künstler-Ego hatte. War das für Sie überraschend oder doch zwangsläufig aus den Filmen erkennbar?

Überraschend natürlich, weil man immer denkt, wenn jemand ein Meister ist, dann darf er überhaupt keine Zweifel haben. Aber es ist ja genau das Gegenteil – die größten Meister haben die größten Zweifel! Das denkt man nur nicht, wenn man sich selber so klein fühlt. Bei mir sind manche Leute auch erstaunt, die mich nun wiederum als Meisterin sehen, dass ich überhaupt noch unsicher bin und nicht einfach sage: "Das mach ich doch einfach" und "das kriege ich hin". Bei jedem Film hat man erneut Angst, dass man es eben nicht hinbekommt.

Ist das eine Gemeinsamkeit von Bergmann und Ihnen? Haben Sie diesen Film auch gemacht, weil sie Ihre eigene Rolle als Regisseurin hinterfragen?

Für diese Hinterfragung hatte ich kaum Zeit. Wie Ingmar Bergmann am Anfang sagt: Wenn man Filme macht, ist man derartig beschäftigt, dass man eigentlich gar keine Zeit zum Nachdenken hat. Es war ja auch mein erster Dokumentarfilm. Ich habe zwar immer Angst, vor allem wenn ich also einen Film mache wie "Hannah Arendt", wo ich eben auch vor einer Person stehe, die mir so weit überlegen ist. Aber ansonsten weiß ich doch mittlerweile relativ gut Bescheid beim Spielfilm. Aber hier hatte ich plötzlich Menschen, denen ich nicht sagen konnte, was sie reden sollen, die keinen festen Text hatten. Ich musste auf sie reagieren, sie haben etwas mit mir gemacht. Das war neu für mich.

Es gibt ja eine sehr schöne Parallelität: Sie bewundern Bergmann und er hat wiederum Ihren Film "Die bleierne Zeit" auf seine persönliche Liste der wichtigsten Filme genommen. Wo sehen sie noch Parallelen zwischen ihm und sich?

Die Aufmerksamkeit auf die Frauen und die Aufmerksamkeit auf die Psyche: Bei mir sagt man immer ich hätte nur starke Frauen porträtiert, was nicht stimmt. Mich interessieren an diesen starken Frauen auch die verletzlichen Seiten, da wo sie traurig sind. Zum Beispiel Rosa Luxemburg, die hatte solche zarten und solche zerbrechlichen Seiten und war gleichzeitig Revolutionärin. Das sind die Frauen, die mich interessieren! Ich will nicht nur die Göttinnen der Kraft und des Feminismus zeigen, sondern wirklich Menschen, die ihre schwachen Seiten nicht verbergen. Das hat Ingmar Bergmann eben auch nicht getan, er hat seine eigenen schwachen Seiten in seinen Filmen nicht verborgen. 

Haben Sie ihn gefunden, auf der Suche?

Nein, den kann man gar nicht finden. Dazu ist er zu reich. Man kann sich ja auch selber nie finden. Wenn man sich in dem Moment, wo man stirbt, gefunden hat, das wäre schön. Das glaube ich aber nicht.

Sie enden mit einem Bergmann-Zitat: "Ich habe mich stets einsam gefühlt in der Welt da draußen und mich deshalb ins Filmemachen geflüchtet. Doch jedes Gefühl einer Zusammengehörigkeit ist Illusion." Das ist ein sehr melancholischer Ausklang…

Ja, das haben wir zwar alle zusammen gewählt, aber ich habe es natürlich besonders nachempfunden, weil ich mich genauso einsam fühle und mit anderen wiederum sehr fröhlich sein kann, aber trotzdem diese Art von Einsamkeitsgefühl nie ganz überwinde.

Meinen Sie, das liegt in vielen Filmregisseuren oder ist es eine persönliche Disposition?

Ich glaube, es liegt in sehr vielen Menschen, nur dass man es heutzutage kaum zeigen darf. Es wird als Schwäche ausgelegt und deswegen muss man immer so tun, als sei man der große Zampano.