Eigentlich ist Gangsta-Rap nicht unbedingt ein Genre, mit dem man in Würde altern kann. Snoop Dogg, der 1993 mit seinem Debüt "Doggystyle" seinen Durchbruch feierte, ist allerdings auch im Jahr 2024 ziemlich omnipräsent, sei es als Botschafter seiner Heimatstadt Los Angeles auf der Abschlussfeier der Olympischen Spiele oder als Juror bei der Castingshow "The Voice". Mit einer guten Portion Selbstironie hat er es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft zu einer Art Meme seiner selbst zu werden: Näselnde Stimme, immer ein bisschen bekifft und ein leicht spätpubertärer Jungs-Humor.
30 Jahre nach "Doggystyle" erscheint nun "Missionary", das neue Album, bei dem er sich wieder mit Dr. Dre zusammengetan hat, angekündigt als eine verspätete Fortsetzung des Klassikers. "Missionary", das neue Album, bei dem er sich wieder mit Dr. Dre zusammengetan hat, angekündigt als eine verspätete Fortsetzung des Klassikers. Wie man an der Sexstellungs-Titelgebung unschwer erkennen kann, ist der etwas infantil anmutende Humor immer noch da.
Auf der Produktionsseite sonst hört man in Dr. Dres Beats einige Referenzen an den G-Funk, den "Doggystyle" ausmachte: Funksamples aus den Siebzigern, warme Synthesizer-Pads, all das klingt viel glamouröser, als die derzeit dominierenden, 808-Rumpel-Beats und Autotune-Orgien der heutigen Rap-Ära.
Frischer Snoop Dogg, leicht müder Dr. Dre
Calvin Cordozar Broadus Juniors Stimme, so Snoop Doggs bürgerlicher Name, klingt weiterhin ziemlich frisch, die Rap-Parts fügen sich wie ein Percussion-Instrument in die Produktion ein. Auf "Outta da Blue" ist Produzent Dr. Dre auch mal rappend mit von der Partie. Dem 59-Jährigen hört mein sein Alter schon deutlicher an: Man spürt regelrecht das Gewicht der Zunge, als müsste sich Dr. Dre nach dem Rappen erstmal zum Verschnaufen hinsetzen.
Textlich dreht sich zwar nach wie vor alles um die Grundkoordinaten Geld, Drogen, Frauen. Auf allzu obszöne Frauenfeindlichkeiten, die es auf "Doggystyle" noch zuhauf gab, hat man nun aber verzichtet, vielleicht auch, weil derzeit einigen Rap-Kollegen Vorwürfe wegen Missbrauch, Vergewaltigung und Menschenhandel gemacht werden. Dr. Dre, hatte sich nach Gewalt-Vorwürfen mehrerer Frauen 2015 für sein eigenes Fehlverhalten entschuldigt.
Unerwartete Features: Sting und Tom Petty
Neben einigen jungen Stimmen, etwa von den Sängerinnen Alus oder Jhené Aiko, finden sich auch zwei Menschen auf "Missionary", die man auf einem Rap-Album eher nicht erwartet: Auf "Another Part Of Me" erklingt das Riff von "Message In A Bottle" von The Police, später hört man auch die Stimme von Sänger Sting. Snoop Dogg und Sting kennen sich als Juroren bei "The Voice", offenbar hat man sich dort genre-übergreifend gut verstanden. Auf dem Song versucht auch Snoop Dogg mal zu singen, anstatt zu rappen – leider keine gute Idee.
Eine weitere unerwartete Stimme ist die von Tom Petty. In "Last Dance With Mary Jane" haben Snoop Dogg und Dr. Dre den Refrain seines fast titelgleichen Songs "Mary Jane's Last Dance" verwendet. Was in der Petty-Version noch versteckt anklang, wird bei Snoop Dogg explizit: Das Lied handelt von seiner lebenslangen Liebe zum Kiffen, die laut Text mit fünf Jahren bei seinem Onkel begann.
Der kauzige Onkel mit wilder Vergangenheit
War es zu "Doggystyle"-Zeiten noch ansatzweise verrucht, über Drogenkonsum zu rappen, klingt das heute wie eine nette Anekdote aus Snoop Doggs Familienalbum. "Love at first light", sei das damals gewesen, Liebe aufs erste Anzünden, rappt Snoop Dogg. Und so stellt man sich auch Snoop Dogg im Jahr 2024 weniger als bösen Gangster vor, sondern als kauzigen Onkel mit teilweise fragwürdigen Ansichten, der den versammelten Neffen von seiner Jugend erzählt.
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