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Francesco Cenci lässt es krachen

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Moralische Sonnenfinsternis: "Beatrice Cenci" in Bregenz

Moralische Sonnenfinsternis: "Beatrice Cenci" in Bregenz

Der Hamburger Berthold Goldschmidt (1903 - 1996) hatte als deutscher Exilant in England mit seinen Kompositionen wenig Erfolg. Umso neugieriger war das Bregenzer Festspielpublikum auf das düstere Renaissance-Drama. Nachtkritik von Peter Jungblut.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Ein Sympathieträger ist er wirklich nicht, dieser Graf Francesco Cenci, sondern ein Kerl, der sich nimmt, was ihm Spaß macht - und wer im Weg steht, der wird beseitigt. Das gilt auch für seine eigene Familie: Er schafft sich zwei lästige Söhne vom Hals, quält seine Frau und vergewaltigt seine Tochter. Und das alles ausgerechnet in Rom, unter den Augen des Papstes. Der allerdings ist gegen Bezahlung immer bereit ein Auge zuzudrücken, und Geld ist ja da, kistenweise. Ja, die Renaissance war eine brutale Zeit, da herrschte sozusagen moralische Sonnenfinsternis, und wer auf sich hielt, glaubte nur noch an sich selbst.

Zwischen Michelangelo und Petersdom

Klar, dass Opernkomponisten diese kunstbeflissene, egomanische, maßlose Ära, dieses prachtvolle 16. Jahrhundert zwischen Michelangelo und Petersdom faszinierend fanden. Dazu gehörte auch der Hamburger Berthold Goldschmidt, der Deutschland in der Nazi-Zeit verlassen musste und mit seiner Musik im englischen Exil kein rechtes Glück hatte, auch nicht mit seiner Oper "Beatrice Cenci" von 1950. Obwohl Goldschmidt damit einen Wettbewerb gewonnen hatte, wurde das Werk damals nicht, wie eigentlich versprochen, uraufgeführt und geriet in Vergessenheit. Ein Fall für die Bregenzer Festspiele, die jedes Jahr eine solche "Ausgrabung" auf den Spielplan setzen und hoffen, dass sie damit das Publikum überzeugen.

Familiendrama unter Machtmenschen

Nun, gestern Abend reagierten die Zuschauer eher zurückhaltend, sicher auch deshalb, weil die Oper schwergängig, die Musik spröde, die Inszenierung düster und die Renaissance doch sehr fern ist. Dabei beruht "Beatrice Cenci" auf einer wahren Geschichte: Tatsächlich ermordeten Mutter und Tochter Cenci den sadistischen Vater und wurden dafür 1599 vor der römischen Engelsburg hingerichtet. Ein Familiendrama unter Machtmenschen, zwischen Kardinälen, Prälaten, Richtern und Offizieren. Regisseur Johannes Erath und vor allem seine Ausstatterin Katrin Connan verstanden es meisterhaft, die Welt der Renaissance in technisch aufwändige, beklemmende Bilder umzusetzen.

Gold und nackte Jünglinge

Tatsächlich geht eine riesige, schwarze Sonne auf, am Ende flieht der Mond in den Weltraum, als ob er den Anblick der Erde nicht mehr erträgt. Besessen, wie die Renaissance von der Perspektive, von Symmetrie und Idealstädten war, öffnet sich der Blick immer wieder auf einen tief gestaffelten, kreisrunden Raum, als ob jemand umgekehrt durch ein Fotoobjektiv schaut. Natürlich sind auch die berühmten Kolonnaden vom Petersplatz zu sehen, Inbegriff von Renaissance-Pracht. Ein Gelage über Bergen von Gold und nackten Jünglingen findet vor der Projektion von Michelangelos "David" statt. Der stumme Papst betet im Meer von Kerzen und geht vor einer Riesen-Scheinwerferbatterie in die Knie.

Sadomasochistischer Laufsteg

Das sind alles klug gedachte, opulent gemachte und perfekt ausgeleuchtete Bild-Ideen, die Bühnentechnik war überwältigend. Kostümbildnerin Katharina Tasch entwarf dazu grelle, zirkusartige, knallbunte Outfits, der Renaissance-Mensch war allemal der Meinung viel hilft viel, mehr noch mehr. Johannes Erath lässt seine Personen auf einer Art sadomasochistischem Laufsteg durch dieses aberwitzige Rom irrlichtern, bis am Ende jemand das Licht ausbläst. Klar, dass soviel böse, pessimistische Satire nicht auf die Begeisterung des amüsierwilligen Bregenzer Publikums stieß.

Mal dröge, mal reichlich überdreht

Allerdings waren auch die Sängerleistungen durchweg nur durchschnittlich: Das gilt für Gal Games in der Titelrolle, für Dshamilja Kaiser als Mutter Cenci und Christoph Pohl als gewaltbereitem Vater. Stimmlich mussten sie alle gefährlich nah an ihre Grenzen gehen, was an der merkwürdigen, mal drögen, mal reichlich überdrehten Komposition lag, aber auch an Dirigent Johannes Debus, der mit der Partitur nicht wirklich warm wurde. Jedenfalls klang sie arg beliebig und unverbindlich, als ob der Komponist wahllos ein paar laute Stellen über sein Werk verteilt hätte. Eine seltsame Erfahrung, ein anstrengendes Werk, eine bizarre Zeit.

Wieder am 22. und 30. Juli