Ein Aufschrei ging durch die Kulturwelt, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vergangenen Freitag den Bau des neuen Konzerthauses in München in Frage stellte. "Wir können nicht alles unendlich finanzieren", sagte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Der kulturpolitische Sprecher der SPD Volkmar Halbleib fordert: "Die Staatsregierung muss dringend Klarheit schaffen, ob und wann sie das Projekt 'Konzertsaal' beendet." Ein Hinauszögern, gefolgt von einer "Hängepartie", sei das Schlechteste. Man müsse jetzt die "richtigen Alternativen" ausloten. Doch welche Alternativen sind überhaupt im Gespräch?
Hohe Kosten für Münchner Konzerthaus – geht das billiger?
Zur Debatte stehen vor allem die Kosten. Eine Milliarde Euro – eine stolze Summe. Auch wenn es nur bei 400 oder 750 Millionen bliebe. Andere Konzerthäuser kommen mit deutlich weniger aus, etwa der neue Konzertsaal in Dortmund, der zwar wesentlich kleiner ist, aber nur 40 Millionen kostete.
Wäre auch in München eine etwas kleinere, nicht ganz so teure Lösung möglich? Nicht unbedingt für Ministerpräsident Söder, der meint, billiger könne und dürfe es nicht werden. Denn "einfach kleinsparen" werde schließlich "der großen Idee nicht gerecht". Dabei wären andere Künstler mit einer kleineren Lösung durchaus zufrieden, etwa der bekannte Sänger Christian Gerhaher: "Ich finde, wenn's schön ist, ist es schön. Aber es kann auch schön sein, ohne dass es das Teuerste und das Luxuriöseste ist."
Sir Simon Rattle hofft auf Fertigstellung
Für den Bau des neuen Konzerthauses spricht sich auch der künftige Chefdirigent des Symphonieorchesters des BR Sir Simon Rattle aus: "Ich möchte die Gedanken von Ministerpräsident Söder nicht gerne aus der Ferne interpretieren."
Er wisse aber aus Gesprächen mit ihm, dass beide "viele ähnliche Vorstellungen darüber haben, wie das Musikleben in München und in Bayern in den nächsten Jahren aussehen könnte und sollte." Er hoffe deshalb, "dass die Planungen für diese Investition in die Zukunft weitergehen."
Erhalt der Isarphilharmonie als mögliche Lösung
Von Musikern des Symphonieorchesters ist große Enttäuschung zu hören. Wie ein Schlag in die Magengrube fühle sich das an, sagt einer. Der neue Konzertsaal soll eigentlich das neue Zuhause des Orchesters werden. Denn eine feste Spielstätte fehlt ihm – als einzigem der drei großen Spitzenorchester in München.
Ins Spiel gebracht wird nun als mögliche Lösung für dieses Problem eine dauerhafte Nutzung der Isarphilharmonie, die eigentlich nur als Interimsspielstätte geplant ist, bis der Gasteig fertig saniert ist. Obwohl Gerhaher sich einen neuen Konzertsaal wünscht, ist er auch dieser Lösung gegenüber aufgeschlossen: "Es kann ja sein, dass sich dieser Saal ganz gut erhalten lässt", sagt er im Interview mit BR-KLASSIK. "Insofern ist die Situation eine andere als vor fünf oder zehn Jahren."
Die Isarphilharmonie hat ihre Mängel
Doch ob das tatsächlich der Fall ist, muss erst einmal geprüft werden. Die Isarphilharmonie klingt akustisch sehr gut. Aber sie hat auch ihre Mängel: Der Backstage-Bereich ist sehr eng und hellhörig, es gibt keine Aufzüge zu den Rängen – und ob die Trockenbauwände nicht irgendwann zu bröckeln anfangen, ist auch die Frage.
Ausgelegt ist das Gebäude wie jeder andere Konzerthaus-Neubau auf etwa dreißig bis vierzig Jahre, dann erfordert der Brandschutz eine Überholung. Um von einem Provisorium zu einer vollwertigen Spielstätte zu werden, müsste die Isarphilharmonie in jedem Fall baulich verändert werden. Ob und in welchem Rahmen das sinnvoll möglich wäre, ist eine der vielen Fragen, die die Staatsregierung beantworten muss.
Gemeinsame Nutzung des Gasteigs und der Isarphilharmonie
Doch selbst wenn die Isarphilharmonie dauerhaft erhalten würde, stellen sich im Hinblick auf das Zuhause des Symphonieorchesters weitere Fragen. Der künftige Gasteig und die Isarphilharmonie als Interim sind die festen Spielstätten der Münchner Philharmoniker. Überlegt wird nun, ob der Freistaat sich an den Kosten für den Umbau des Gasteigs beteiligt.
Zu klären wäre, ob im Gegenzug das Symphonieorchester des BR mehr Rechte bei der Belegung der Säle bekäme. Bisher haben die Münchner Philharmoniker ein Erstbelegungsrecht. Der SPD-Politiker Halbleib ist dieser Möglichkeit nicht abgeneigt: "Durch die neue Isarphilharmonie ist jetzt die ideale Voraussetzung für die gemeinsame Nutzung des neuen, generalsanierten Gasteigs möglich."
Auch der Ausstieg kostet
Sollte sich eine der Alternativen als sinnvoll erweisen, so wäre allerdings auch der Ausstieg aus dem Neubau-Projekt mit hohen Kosten verbunden. Für das Gebäude hat der Freistaat einen Erbpachtvertrag geschlossen und muss jährlich 592.000 Euro an den Pfanni-Erben Werner Eckart zahlen. Kündigen kann der Freistaat den Vertrag nur alle 44 Jahre. Macht insgesamt 26 Millionen Euro allein für die Pacht, falls Eckart nicht auf seine Rechte verzichtet.
Hinzu kommen in jedem Fall noch die Kosten, die für die bisherige Planung bereits angefallen sind, etwa 30 Millionen. Derweil fordern Künstlerinnen wie Anne-Sophie Mutter nachdrücklich, an dem geplanten Neubau festzuhalten: "Wir brauchen dieses Wohnzimmer der kreativen Höhenflüge wie die Luft zum Leben."
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