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Polnische Künstlergruppe Zubrzyce ("Bisonladys")

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Protest in Polen: Der kreative Widerstand der Kunstszene

Opposition findet in Polen auf der Straße statt. Besonders in Warschau regt sich Widerstand gegen die Regierung, der zunehmend auch von der Kunstszene geprägt wird. Zugleich kommen kritische Künstler mehr und mehr in Bedrängnis. Von Lena Held

Über dieses Thema berichtet: Die Kultur am .

Ein Warschauer Künstleratelier, auf dem abgenutzten Sofa sitzen Mitglieder der Künstlergruppe Zubrzyce, sie halten Protestschilder in die Höhe. Auf den Schildern stehen in fetten Lettern immer wieder das Wort "NO" und Sätze wie "Die Bisonladys brechen das Schweigen der Lämmer". Und tatsächlich tragen die Aktivistinnen über ihren braunen Umhängen pelzige Rinderköpfe, gekrönt von je zwei Hörnern.

Der Schutz der Maske

Mit diesen Masken erinnern sie an die im durch Abholzung bedrohten Białowieża-Nationalpark beheimateten Bisons – und können während ihrer Protestaktionen anonym bleiben: "Es ist paradox: Hinter der Maske sind wir sichtbarer, als wir es ohne Maske wären. In unserer Gruppe setzen wir uns alle für eine Sache ein, dadurch sind wir stark und laut. Manchmal müssen wir Künstler einfach raus aus der Galerie. Wir müssen unsere künstlerische Sprache nutzen und sie mit der Sprache der Bevölkerung vermischen."

Das tun die Bisonladys, denen im Übrigen auch männliche Kulturschaffende angehören. Fast wöchentlich demonstrieren sie gegen die Diskriminierung polnischer Frauen, auch in der Kunstszene, gegen schärfere Abtreibungsgesetze und fordern eine bessere Stellung zeitgenössischer Künstler, deren Berufsstand bislang nicht öffentlich anerkannt wird. Sie engagieren sich aber auch für die Rechte von Arbeitern, Alleinerziehenden und Opfern häuslicher Gewalt.

Politische Kunstförderung und Selbstzensur

Allesamt Themen, für die sich auch Zuzanna Janin einsetzt. Die Warschauer Künstlerin trägt ein selbst designtes T-Shirt mit der Aufschrift "Schweigen ist nicht Gold, sondern Schrott", ihr Kommentar zur aktuellen politischen Situation. "Wie ist es möglich, dass du in einem demokratischen Land inmitten Europas nicht mehr sagen kannst, dass du anderer Meinung bist, dass du anders denkst?", fragt Janin. "Das ist ein großes Problem für die polnische Kulturszene, denn wir haben ein System, das auf Zuschüssen beruht, die das Kulturministerium vergibt. Aber wenn man sich heute mit einem fortschrittlichen, eher linken Projekt bewirbt, dann wird man ziemlich sicher scheitern und kein Geld bekommen, denn die Regierung unterstützt nichts, was nicht ihrem eigenen Kurs entspricht. Ich musste auch schon beobachten, dass sich einige meiner Freunde selbst zensieren. So langsam nähern wir uns einer Grenze und jenseits dieser Grenze könnte es sehr gefährlich werden."

Widerstand gegen einen neuen Antisemitismus

Und wirklich haben es polnische Künstler und Ausstellungsmacher in ihrer Heimat schwer, wenn sie sich kritisch mit Migrationspolitik beschäftigen, mit Antisemitismus oder einfach ein Frauenbild präsentieren, das dem Ideal der PiS-Regierung widerspricht. So wird die Galerie lokal_30, deren Direktorin Agnieszka Rayzacher feministischen Künstlerinnen wie Zuzanna Janin eine Plattform bietet, seit einiger Zeit nicht mehr staatlich bezuschusst. Dennoch lassen sich etliche Kunstschaffende nicht einschüchtern. Etwa der Maler und Grafiker Luka Rayski. Er hat gerade für das polnische Theater in Warschau ein provokantes Plakat entworfen: Über dem Schriftzug "Król" polnisch für "König", schmückt eine Krone einen Davidstern – und das in einem Land, in dem der Antisemitismus fast schon wieder salonfähig geworden ist. "Ich hoffe, dass sie das Design kaufen, denn ich möchte den Davidstern in tausendfacher Ausführung in Warschaus Straßen sehen", so Luka Rayski. "Als ich einem Freund von mir das Poster zeigte, meinte er, dass es wie eine letzte Chance sei, ein Gegenmittel, nachdem alle anderen Mittel bereits versagt hätten. Vielleicht wird es den Antisemitismus töten, aber es könnte auch dich töten."

Schon jetzt sieht sich Luka Rayski mit den Konsequenzen seiner politischen Kunst konfrontiert. Seit er die Protestbewegungen mit einem Poster ausstattete, das zum Symbol des polnischen Widerstands gegen die Justizreform wurde, erreichen ihn zahlreiche E-Mails, darunter auch Drohungen. Die rechte Presse vermutete hinter der Plakataktion eine "jüdische Verschwörung", der Künstler nimmt das mit Humor. Doch zugleich führt es vor Augen, weshalb die Aktivisten von Zubrzyce, die Bisonladys, zumindest momentan noch ihre Masken bevorzugen.