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Schriftsteller Thomas Lehr

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"Schlafende Sonne" von Thomas Lehr

"Schlafende Sonne" von Thomas Lehr

Eine Künstlerin und ein Astrophysiker, viele schwierige Lieben und ein ganzes deutsches Jahrhundert: Thomas Lehr hat einen vielstimmigen und fordernden Roman geschrieben, der zu Recht für den Deutschen Buchpreis nominiert ist.

Über dieses Thema berichtet: Diwan - Das Büchermagazin am .

Dieses Buch ist eine Herausforderung: sprachlich ambitioniert und komplex gebaut, anspielungsreich und bildungssatt, dialogfrei und absatzarm. Dabei hat "Schlafende Sonne" von Thomas Lehr einen höchst konzentrierten Handlungskern: Der Roman spielt an einem einzigen Augusttag des Jahres 2011, an dem die Künstlerin Milena Sonntag eine Ausstellung ihres Werkes eröffnet. Zur Vernissage reist ihr früherer Lehrer und Liebhaber Rudolf an, Milenas Ehe mit Jonas, einem Solarphysiker, hat schon bessere Zeiten gesehen.

Großes Figurenpanorama

Um diese Hauptfiguren herum arrangiert Thomas Lehr ein großes Panorama an Nebenfiguren und Motiven. Er schildert zufällige Begegnungen und Wiederbegegnungen, springt in den Zeiten, lässt historisch Entferntes ins Simultane zusammenschnurren. So macht der Autor die Bühne eines ganzen Jahrhunderts auf - eines deutschen Jahrhunderts. Milena stammt aus der DDR, ihr Vater war Maler, wurde aber ausgewiesen, so dass er eine Leerstelle in ihrem Leben hinterlassen hat. Jonas dagegen ist sehr westdeutsch sozialisiert, im grün-alternativen Freiburg.

Der erste Teil einer Trilogie

"Schlafende Sonne" ist sprachlich und in seiner Konstruktion ein Wagnis. Eines, das gelingt: Lehr steht mit dem Roman zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und dürfte einer der Favoriten sein. Der Roman gipfelt in einer fast 100 Seiten langen Passage zu Wilhelm II., die als Entwurf einer Kunstinstallation für einen "Deutschen Pavillon" daherkommt.

Und dann, nach diesem starken, ruppigen, drängenden Schluss liest man auf Seite 638 etwas erschöpft zwei schlichte Worte: "Wird fortgesetzt". "Schlafende Sonne" ist der erste Teil einer Trilogie. Wer die Herausforderung dieses Romans annimmt, wird mit einem Text belohnt, der kompromisslos auf die Probe stellt, was Literatur jenseits des Geschichtenerzählens kann.

Thomas Lehr, "Schlafende Sonne", Roman, 640 seiten, Carl Hanser Verlag, 28.00 Euro