Der Schauspieler steht inmitten weiß gekleideter Mitspieler
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Hauptdarsteller Michael Maertens im "Jedermann"

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"Schmerzhafte Diskussionen": Salzburger "Jedermann" abgesetzt

Weil Kritiker und Zuschauer von der diesjährigen Überarbeitung wenig begeistert waren, wird das beliebteste Schauspiel bei den Salzburger Festspielen im kommenden Jahr neu inszeniert. Die Schauspielchefin gibt sich "nicht glücklich" darüber.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der "Jedermann" ließ den BR-Kritiker im vergangenen Sommer "leider relativ kalt" zurück, und so scheint es auch anderen Zuschauern ergangen zu sein. Nach "vielen schmerzhaften Diskussionen", so Schauspielchefin Marina Davydova im österreichischen "Standard", habe sich das Direktorium der Salzburger Festspiele entschieden, die Inszenierung von Michael Sturminger entgegen der ursprünglichen Pläne im kommenden Jahr nicht wieder aufzunehmen. Erst vor "wenigen Tagen" sei den Mitwirkenden die Entscheidung mitgeteilt worden. "Die Absetzung hat nichts mit einer persönlichen künstlerischen Präferenz von meiner Seite zu tun", so Davydova, die von mehreren Gründen für die überraschende Absetzung spricht. Österreichs Medien verweisen darauf, dass der "Jedermann" die "Cash-Cow" der Festspiele sei, also Geld einspielen müsse. Diesbezüglich gab es wohl Bedenken.

Festspielchef: "Alles andere als einfach"

In der BR-Kritik hatte es geheißen: "So eindringlich und tatsächlich realitätsnah sich der Gedanke vom Jedermann im Zeitalter der verzweifelten Klimaproteste auch anließ, so verliert er sich doch im weiteren Verlauf des neu aufgelegten Salzburger Moritatenspiels. Zwar hat sich Michael Sturminger eine ziemlich apokalyptische Szenerie bauen lassen, aus der einzig der Marmorpalast des reichen Jedermanns ragt, während menschliche Wesen in Plastikgewändern aus Erdlöchern kriechen, um eben diesen Jedermann anzubetteln. Doch zugleich hat sich der Regisseur dazu entschieden, nun, bei dieser dritten Neuinterpretation, szenisch und akustisch auf eine Art Mysterienspiel-Ästhetik zu setzen, mal grotesk überzogen, mal fast opernhaft vertont."

Im ORF signalisierte Regisseur Michael Sturminger, möglicherweise gegen die Absetzung seiner Inszenierung zu klagen: "Mein Ensemble muss hier eine starke Stimme kriegen, dass das so nicht abgeht. Weil das ist mir fast zu viel brutale Machtausübung, muss ich sagen." Doch wie Festspielchef Markus Hinterhäuser der "Süddeutschen Zeitung" sagte, habe nur Hauptdarsteller Michael Maertens einen unterschriebenen Vertrag für 2024 gehabt. Das werde "korrekt abgewickelt". Der Nachrichtenagentur dpa sagte Hinterhäuser: "Das ist keine frivole Entscheidung. Wir haben eine wirklich profunde Analyse der letzten Jahre vorgenommen. Das war für uns alles andere als einfach und durchaus schmerzlich, und uns ist auch vollkommen klar, dass diese Entscheidung für die bisher Beteiligten ebenfalls schmerzlich ist."

"Kann man in Salzburg nicht so einfach machen"

Wer den "Jedermann" im kommenden Jahr inszenieren wird, will Davydova nach eigenen Worten "zu gegebener Zeit" mitteilen, sie habe das Team schon "im Kopf", wie sie dem "Standard" sagte. Kritiker wie derjenige der "Welt" fragen sich jetzt: "Die Frage ist: Welche Trümpfe hat Davydova in der Hinterhand?" Die Theaterfrau ist gebürtige Aserbaidschanerin und leitete 2016 die Schauspielsparte der Wiener Festwochen. Im März 2022, nach Kriegsausbruch, flüchtete sie aus Moskau, wo sie als Kulturmanagerin, Kritikerin, Regisseurin und Dramatikerin tätig war. In einem Porträt sagte sie über ihre künftige Arbeit: "Salzburg ist ein besonderes Festival. Ich will das Theater international ausrichten, aber das kann man in Salzburg nicht so einfach machen. Man muss bedenken, für welches Publikum man das macht."

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