Seit Freitagmorgen ist Feuerpause, die Hamas lässt Geiseln frei und im Gegenzug die Israelis palästinensische Gefangene. Im Hintergrund reißen die diplomatischen Bemühungen nicht ab, Joe Biden bringt die Zwei-Staaten-Lösung wieder auf den Plan. Die Menschen in Israel gehen wieder auf die Straße und fordern von ihrer Regierung, sich energischer für die Freilassung der von der Hamas verschleppten Geiseln einzusetzen.
Die Friedensbewegung in Israel fordert "Stop the war". Unterstützung bekommen die Aktivisten von Musikerinnen wie der Singer-Songwriterin Yael Deckelbaum, einer renommierten Künstlerin, die sich mit ihrer Musik aktiv für den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzt.
"In dieser schwierigen Zeit hält mich die Musik am Leben"
Eins ihrer Lieder heißt: "War Is Not A Woman's Game", "Krieg ist kein Spiel der Frau", Deckelbaum hat es am Abend des 7. Oktober in Erfurt gesungen, wo sie beim interreligiösen Festival "Achava" auftrat. Wie für alle Menschen begann auch für die israelische Musikerin der Tag mit einem Schock: "Nachdem ich aufgestanden war, bekam ich die Nachricht vom Krieg. Beim Frühstück sah ich im Fernsehen, was passiert war. Das Erste, was mir durch den Kopf ging, war die Frage: Wie wird es meinem Neffen gehen?" Sie habe weinen müssen, denn ihr Neffe ist gerade erst zum Militär eingezogen worden. Er ist noch so jung und muss schon in einem Krieg kämpfen. Das habe sie wahnsinnig gemacht, so Deckelbaum. "Ich wollte gar nicht daran denken, dass ihm irgendetwas zustoßen könnte."
Dennoch beschloss Yael Deckelbaum, abends auf die Bühne zu gehen. Der Saal war voll – und – es gab eine Überraschung: Über Zoom waren Deckelbaums Freundinnen aus Israel zugeschaltet, damit sie an diesem Konzert teilnehmen können, Israelinnen und Palästinenserinnen. "Ich fragte sie, was ich singen soll. Sie wollten "Women Of The World" hören, "Unite", "Prayer Of The Mothers" und "War Is Not A Woman's Game". Also begann ich das Konzert mit diesen Songs. In dieser schwierigen Zeit hält mich die Musik am Leben. Es war gut, dass ich bei diesem Konzert aufgetreten bin.
Die Antwort, die eine Frage ist
Aus Sorge um ihre Familie flog Yael Deckelbaum anschließend zurück nach Israel. Das Land war innerhalb weniger Tage ein anderes geworden. Während einer Autofahrt bekam Yael Deckelbaum eine Panikattacke. Nachdem sie sich erholt hatte, beschloss sie, endlich ein Lied aufzunehmen, dass sie bereits vor sieben Jahren geschrieben hat. Titel "The Answer", "Die Antwort". Darin stellt sie viele Fragen: Warum sind wir so distanziert? Warum sind wir so gespalten? Warum tragen wir einen Panzer, der uns den Weg zu unserem Herzen versperrt? Darauf gebe es keine richtige Antwort, sagt die Künstlerin. Der Song heißt "The Answer", aber eigentlich ist es eine Frage.
Video: "Prayer Of The Mothers" beim March of Hope
Seit 2016 arbeitet Yael Deckelbaum mit der Friedensorganisation "Women wage peace" – "Frauen wagen Frieden" zusammen. Dort entstand damals die Idee für einen zweiwöchigen Friedensmarsch israelischer Frauen quer durch das Land. Vor kurzem kam die erschütternde Nachricht: Eine der Gründerinnen von "Women wage peace" wurde von Hamas-Terroristen ermordet. Sie hatten ihr Haus niedergebrannt. Das habe alle völlig schockiert. Trotzdem machten sie weiter, so Deckelbaum, und riefen zu Solidarität auf beiden Seiten auf. "Sie bitten darum, auf Rache zu verzichten und fordern führende Politiker zu gemeinsamen Gesprächen auf. Innerhalb Israels arbeiten sie weiter zusammen mit Beduinen, Arabern, Muslimen und Christen. Und sie fordern die Freilassung der Geiseln. Das ist ihre Botschaft: Bitte bringt sie nach Hause und stoppt den Krieg! Es ist alles schwierig und sehr kompliziert."
Inspirieren durch Musik
Auf ihrer Homepage sieht man Yael Deckelbaum mit ausgestreckter Hand – auf der Handfläche steht geschrieben "Unite", "Vereinen". Trotz Schock und Trauer will sie weiter mit Musikerinnen verschiedener Kulturen Songs aufnehmen. Musik, so sagt die fest im Glauben verhaftete Musikerin, kann heilen, auch wenn keine Wunder geschehen: Sie glaube nicht, dass ihre Musik den Krieg sofort beenden könne. Aber: "Im Laufe der Jahre ist mir jedoch bewusst geworden, dass meine Botschaft zur richtigen Zeit, am richtigen Ort Gehör findet. Ich kann niemanden zu etwas zwingen. Ich kann nur inspirieren."
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