Zehn Jahre ist es her, dass Get Well Soon mit dem Album "Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon" debütierte. Seitdem gilt der Kopf des Band-Projekts, der Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalist Konstantin Gropper, als eine feste Größe des hiesigen Pop, und mit jeder neuen Platte untermauert er diesen Ruf. Nun ist sein neues Album "The Horror" erschienen, sein fünftes Studioalbum. Knut Cordsen hat mit Konstantin Gropper gesprochen.
Knut Cordsen: In den Videos für das neue Album sieht man Sie bei einem Therapeuten auf der Couch liegen. Woher kam die Idee dazu – waren Sie selbst schon mal in Therapie?
Konstantin Gropper: Nein, ich glaube, meine Therapie ist das Musikmachen. Ich bin auch ein bisschen der Überzeugung, dass ich, wenn ich in Therapie gehen würde, hinterher Probleme hätte, dann noch Songs zu schreiben. Ich glaube, man darf sich nicht so gut selbst kennen, wenn man Songs schreiben möchte.
Dennoch: Angst ist ja das zentrale Thema dieses Albums. Glauben Sie, dass Kunst generell und Musik im Speziellen den Menschen einen Teil ihrer Angst nehmen kann?
Das weiß ich nicht. Es ist nicht meine Intention mit diesem Album, den Menschen Angst zu nehmen, es ist eher der Versuch, eine aktuelle Stimmung in der Gesellschaft einzufangen, und da bin ich relativ schnell bei der Angst gelandet. Aber ja, in meiner romantischen Vorstellung – deswegen habe ich auch irgendwann mal das Projekt "Get Well Soon" genannt – hat Musik natürlich schon auch auf eine Art therapeutische oder, wenn man es so pathetisch sagen will, heilende Kraft.
"The Horror" ist ein Konzeptalbum mit düsterer Grundgestimmtheit, gleich drei Songs heißen "Nightmare" – Nachtmahr, Albtraum. Betrifft dieses Unbehagen, dieser Schrecken, diese Angst auch Ihren Blick – Sie haben es ja eben schon ein bisschen durchscheinen lassen – auf das politische Geschehen heutzutage?
Ich glaube tatsächlich, das war der Ausgangspunkt für dieses Album. Es war mir zumindest am Anfang schon klar, dass ich jetzt kein Album machen kann, das so gar nicht Bezug nimmt auf das, was gerade in der Welt los ist. Und dann kam relativ schnell dieses Thema dazu, weil ich glaube, dass Angst so etwas wie der größte gemeinsame Nenner ist für die Probleme und die Entscheidungen, die gerade getroffen werden.
Sie sagen: Das ist definitiv meine Frank Sinatra-Hommage, eine Verbeugung vor dem großen Crooner. Was macht den vor 20 Jahren verstorbenen Sinatra zum Vorbild für Sie?
Seine Stimme war schon immer eine, die mich sofort gepackt hat, das war schon immer so. Auch dieses Crooning ist etwas, mit dem ich sehr viel anfangen kann. Das ist ja eigentlich durch eine technische Neuerung entstanden: Dadurch, dass die Mikrofone besser wurden, war es möglich, über einem Orchester leise zu singen. Und diese Art, ja, der Coolness war schon immer ein bisschen Vorbild für meinen Gesang. Jetzt auf der neuen Platte habe ich das noch etwas mehr zelebriert – auch, wenn ich weiß, dass ich da die Latte ziemlich hoch lege. Davon abgesehen, ist das auch musikalisch das Vorbild gewesen: Wenn man die Platte hört, merkt man, dass es sehr orchestral ist. Ich beziehe mich da hauptsächlich auf diese Konzeptalben der 50er-Jahre, also auf den düsteren Sinatra, nicht den Swing- und Bigband-Sinatra, sondern den orchestralen, nachdenklichen.
Ihrer Musik wird oft Soundtrack-Charakter attestiert, und das aus gutem Grund: Sie haben den Soundtrack zur französischen Fernsehserie "Xanadu" beigesteuert, Wim Wenders hat zwei Ihrer Songs für seinen Film "Palermo Shooting" ausgewählt, im Video zu Ihrem Hit "It's Love" war Udo Kier zu sehen, ein anderes Video von Ihnen war dem Regisseur Roland Emmerich gewidmet und beim aktuellen Album "The Horror" nun fühlen sich viele Kritiker an Gruselfilme erinnert. Denken Sie in Bildern beim Komponieren?
Ja, zumindest spielen Bilder und Filme eine große Rolle bei meiner Themenfindung. Wenn ich ein Thema habe, dann konsumiere ich erstmal alles, von dem ich denke, dass es damit zu tun haben könnte, was ich damit assoziiere. Das ist schon so: Das, was ich erreichen will, ist, dass diese Musik assoziativ ist, dass sie Bilder auslöst, dass sie vielleicht Erinnerungen zurückruft und, ja, dass sich so etwas wie ein kleiner Film abspielt.
Sie leben heute, mit 35 Jahren, zusammen mit Ihrer Partnerin und Ihrem sechsjährigen Sohn in Mannheim, wo sie einst die Mannheimer Popakademie absolviert haben – also fern der Hauptstadt, fern des Getöses, das Berlin ja auch so ausmacht. Ist diese Berlin-Abstinenz zu- oder abträglich?
Das kann ich gar nicht sagen. Ich habe jetzt vier Alben in Mannheim oder woanders gemacht und eins in Berlin. Und ich würde nicht sagen, dass dieses eine Album – das das zweite damals war – irgendwie urbaner klingt oder unentspannter, obwohl es tatsächlich damals um Ärgernisse ging und das Album "Vexations" heißt. Aber ich habe eigentlich eine relativ unromantische Einstellung zu meiner Arbeit, das heißt, es ist mir relativ egal, wo ich sie tue. Ich halte mich auch ziemlich streng an Bürozeiten, ich brauche nicht unbedingt Kerzenlicht oder eine Almhütte oder sonst irgendetwas, um da reinzufinden. Das ist tatsächlich eine eher – ja: wissenschaftliche Arbeit würde ich jetzt nicht sagen - aber diese Themenfindung funktioniert schon eher auf so einem theoretischen Tableau.