An einem Hängeregister steht der Schriftzug "Adoption"
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Warum sich ein Pflegekind als Erwachsener noch adoptieren lässt

Warum sich ein Pflegekind als Erwachsener noch adoptieren lässt

Seit er ein Kind ist, lebt Steven in einer Pflegefamilie. Doch mit seinem 18. Geburtstag haben sich die rechtlichen Umstände geändert. Und daran hängt vieles. Seine Pflegemutter will ihn deswegen nun adoptieren.

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Eigentlich macht Steven Laschtowitz gerade einfach nur das, was die meisten jungen Menschen irgendwann tun: Er startet in sein eigenes Leben, beginnt ein Studium, zieht von Zuhause aus. Doch für Steven ist das ein besonders großer Schritt. Denn er lebt in einer Pflegefamilie seit er ein kleines Kind ist. Elke hat ihn aufgenommen, als sich die leiblichen Eltern nicht mehr um ihn kümmern konnten. "Er ist als schwer traumatisiertes Kind hier angekommen", erinnert sie sich. "Ich bin sehr stolz auf ihn, dass er es jetzt durch alle Schwierigkeiten hindurch geschafft hat, dass er so stark geworden ist, dass er sein Abitur gemacht hat und jetzt studieren geht."

Keine finanzielle Unterstützung mehr?

Steven ist erwachsen und selbstständig, Elke hat ihre Aufgabe als Pflegemutter erfüllt. Auch gesetzlich ist sie nicht mehr für ihn verantwortlich. Das heißt aber auch, dass Steven im Studium unter Umständen finanziell in der Luft hängen könnte. Denn sein BAföG-Antrag muss jetzt über die leiblichen Eltern laufen, auch das Kindergeld wird nicht mehr an die Pflegemutter ausgezahlt. Und mit ihrem kleinen Gehalt kann sie ihm das Studium nicht finanzieren. "Das ist genau das Problem, das diese Kinder haben", sagt Elke. "Die fallen aus der Hilfe raus, in der sie mal waren und sind auf sich allein gestellt. Dann sagt jeder immer nur, dass er nicht zuständig sei."

Sie will aber zuständig bleiben. Deswegen hat sie sich dazu entschieden, Steven zu adoptieren. Auch für Steven ist das ein logischer Schritt: "Sie hat mich großgezogen, sie ist immer für mich da. Die Adoption ist jetzt quasi nur noch der Feinschliff, damit ich wirklich vollständig das Kind bin."

Innere Zerrissenheit

So klar war das für Steven nicht immer: Er ist fünf Jahre alt, als das Jugendamt ihn wegen häuslicher Gewalt aus der Familie nimmt. Von einem Tag auf den anderen kommt er in seine Pflegefamilie. Das ist seine Rettung, doch mit seinen fünf Jahren ist Steven zu klein, um das zu verstehen. Er trauert. "Ich habe am Anfang eigentlich die ganze Zeit geweint. Und immer darüber nachgedacht, wie es gelaufen wäre, wenn ich dort geblieben wäre, wenn ich ganz normal aufgewachsen wäre."

Auf einmal hat Steven sechs Geschwister. Sie nehmen ihn liebevoll auf. Trotzdem bleibt die innere Zerrissenheit. Nur langsam kann er Elke als seine Mutter annehmen. "Ich habe sie am Anfang immer nur eine Elke genannt, obwohl ich wusste, dass sie meine Pflegemutter ist", erinnert er sich. "Aber sie war immer für mich da, hat sich immer um mich gekümmert. Im Lauf der Jahre habe ich mich dann hier zugehörig gefühlt und als wirklich vollständiges Kind angesehen."

Durch Adoption keine verwandtschaftliche Beziehung zu leiblichen Eltern mehr

Steven und Elke streben jetzt eine sogenannte Volladoption an. Damit würde Steven gesetzlich so behandelt, als wäre er Elkes leibliches Kind. "Das würde dann dazu führen, dass Steven mit seinen leiblichen Eltern rechtlich nicht mehr als verwandt gilt", erklärt Katalin Hölzl, Fachanwältin für Erb- und Sozialrecht. "Es führt zum Wegfall von Rechten und Pflichten auf beiden Seiten." Das bedeutet auch, dass Elke für BAföG und Kindergeld zuständig wäre. Final wird über die Adoption das Gericht entscheiden, wenn die beiden den Antrag eingereicht haben.

Für seine Geschwister gehört Steven jetzt schon klar zur Familie. Wenn er aber adoptiert wird, werden sie ihr Erbe mit ihm teilen müssen, das Haus, in dem sie aufgewachsen sind. Für sie ist das selbstverständlich. Und verkaufen wollen sie das Haus eh nicht. Es soll ein Ort für die Familie bleiben.

Steven kann jetzt mit freiem Herzen zum Studieren ausziehen: Denn er weiß, dass seine Familie weiter für ihn da ist, dass er zurückkehren kann, wann immer er will. Für Elke ist das sehr wichtig. "Es ist einfach schön, dass er weiterhin dazugehört und durch die Adoption auch dauerhaft dazugehören wird."

Steven geht seinen Weg – in der Hoffnung, dass er schon bald auch vor dem Gesetz zu seiner Wahlfamilie gehört. Zu den Menschen, deren Sohn und Bruder er geworden ist, auf die er sich verlassen kann und die auch jetzt, wo erwachsen ist, seine Familie bleiben wollen.

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