Viele Jahre haben Betroffene und ihre Unterstützer dafür gekämpft: Heute tritt das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Ab jetzt reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt aus, um den Geschlechtseintrag und den Vornamen zu ändern. Das Interesse ist beträchtlich: Bis Ende August hatten nach "Spiegel"-Informationen bereits 15.000 Menschen derartige Änderungen bei den Standesämtern angemeldet. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Neuregelungen.
Wen betrifft das neue Gesetz?
Transsexuelle, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen können das Gesetz in Anspruch nehmen und den Eintrag über ihr Geschlecht und auch ihre Vornamen bei den Behörden ändern lassen. Transsexuelle Menschen sind Personen, die sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht identifizieren. Intergeschlechtliche Menschen weisen Körpermerkmale auf, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind. Nichtbinäre Menschen verstehen sich nicht als männlich oder weiblich.
Was ändert sich?
Betroffene können ihre Geschlechtseinträge und ihre Vornamen nun mit einfachem Antrag beim Standesamt ändern – einer sogenannten "Erklärung mit Eigenversicherung". Die Änderungen sind drei Monate nach Antragsstellung möglich und erscheinen, wenn sie erfolgt sind, auch in neu ausgestellten Dokumenten wie Personalausweisen und Reisepässen. Möglich sind die Bezeichnungen männlich, weiblich, divers oder auch der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag. Wird kein Geschlecht gewählt, steht in den Dokumenten dann ein "x". Wird ein neuer Vorname gewählt, muss dieser zum gewählten Geschlecht passen.
Nach den Änderungen gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. Danach können die Angaben erneut verändert werden. Das neue Selbstbestimmungsgesetz ersetzt das Transsexuellengesetz von 1981. Es sah vor, dass für Änderungen von Geschlechts- und Vornamenseinträgen zwei psychologische Gutachten eingeholt werden mussten und ein Gericht zustimmen musste. Diese Vorgaben entfallen nun.
Im Video: Das Selbstbestimmungsgesetz ist in Kraft getreten
Was gilt für Kinder und Jugendliche?
Bei Kindern unter 14 Jahren müssen Eltern die entsprechende Erklärung bei den Behörden einreichen. Jugendliche ab 14 Jahren können den Antrag selbst stellen, brauchen dazu aber das Einverständnis der Eltern. Die gesetzlichen Vertreter der Kinder bzw. die Jugendlichen müssen erklären, dass sie "beraten" sind, sich also über die Auswirkungen der Änderungen informiert haben.
Es handelt sich dabei allerdings um keine Beratungspflicht. Eine entsprechende Bescheinigung von Beratungsstellen dürfen die Behörden nicht verlangen. Bei Konflikten zwischen Eltern und Kindern über den Änderungswunsch können Familiengerichte entscheiden.
Wie stark werden die Neuregelungen angenommen?
Bei vielen Standesämtern wurden seit August Anträge gestellt. Bundesweit sind es mindestens mehrere Tausend. Dem Bundesfamilienministerium liegen bisher allerdings keine genauen Zahlen vor. In München waren es städtischen Angaben zufolge mehr als 300 Antragsstellungen, in Nürnberg und Augsburg mehr als 100.
Mit Informationen von AFP
Im Embed: BR24 auf Instagram zum Selbstbestimmungsgesetz
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