"Glacial landscapes - Gletscher Landschaften“, heißt die Serie, die zuerst ins Auge springt. Große runde Aquarelle aus zwei oder mehr Farben. Vom Zentrum ausgehend verlaufen sie zum Rand hin, unregelmäßig, mit Wellen, oder ausgefransten Rändern, wie eine Explosion in Zeitlupe. Gemalt hat das allerdings nicht Olafur Eliasson, sondern ein Stück Gletschereis. "Diese Arbeiten entstehen so, dass ich auf ein großes Blatt Papier einen Kreis zeichne, den Kreis mache ich ganz leicht feucht und dann tue ich den Eisblock drauf, das Eis ist vielleicht ein bisschen größer als ein Tennisball, und dann nehme ich ein bisschen Tinte, schwarze Farbe und Aquarellfarbe, vielleicht so wie ein Espresso und das gieße ich über das Eis und dann abends hat sich das Eis diesen Kreis zu seiner Heimat genommen. Der Gletscher hat das selber gemalt könnte man sagen," sagt Olafur Eliasson.
Nur ein Hauch von Farbe - und eigene Empfindungen
„WASSERfarben“ lautet der Titel der Ausstellung. Wasserfarben bringt man zunächst nicht mit einem wie Olafur Eliasson in Verbindung. Der Däne ist vor allem für große Werke im öffentlichen Raum bekannt, in München etwa für das Bühnenfenster am Marstallplatz oder das „Wirbelwerk“ im Foyer des Lenbachhauses. Bei der Ausstellung „WASSERfarben“ geht es auch nicht um Aquarelle als künstlerische Technik, sondern um die darin enthaltenen Elemente: um Wasser, Farbe und Luft.
Da sind etwa drei mannshohe monochrome Arbeiten in Pastellfarben, rosa, blau, grün. Wie von Zauberhand steigert sich der Farbverlauf ohne irgendwelche Sprünge von unten nach oben. Offenbar ist die Arbeit in einer Art Wasserbad mit Pigmenten entstanden. Das Ganze ist von einer nicht zu überbietenden Zartheit. Gerade darin liegt die Kraft der Arbeiten. Im gleichen Maße wie sich Eliasson als Autor der Werke zurücknimmt, sieht er die Betrachter als Co-Autoren. Tritt man etwa vor diesen kaum wahrnehmbaren Hauch von Farbe, vermischt sich das Gesehene mit eigenen Empfindungen. Das fast weiße Blatt wird zur Projektionsfläche, wie Eliasson erklärt: "Ich glaube sehr dran, dass die Entmaterialisierung des Erlebnisses es erlaubt, dich selber anders in die Arbeit zu integrieren. Man kann das natürlich diskutieren, vielleicht muss man sich das auch erst trauen."
Physikalische Gesetze visualisiert durch Kunst
Für eine andere Arbeit hat Eliasson nichts weiter als eine Lichtquelle am Boden installiert. Geht man vorbei, wird der eigene Schatten auf die gegenüberliegende Wand projiziert. Nun ist es am Betrachter mit seinem Körper zu malen, seine Silhouette zu verändern, die Hände zu heben, zu tanzen … . Ein Effekt, der weithin bekannt ist. Doch in der Ausstellung kann man ihn einmal frei ausleben. Immer wieder machen Eliassons Kunstwerke nichts anderes als physikalische Gesetze, also gewissermaßen die Grundlagen unserer Welt, zu visualisieren. So zeigen die Gletscher-Bilder nicht nur schön verlaufende Farbspiele, sondern sie machen den für die meisten Menschen eher abstrakten Prozess von Schmelzen und Verdunstung sichtbar und erlebbar.
In einer frühen Serie, die Eliasson gemeinsam mit seinem Vater geschaffen hat, versuchte er, die Wellenbewegung bzw. die Erdrotation zeichnerisch zu erfassen: "Die Wellenzeichnungen sind ja mit einem Papier auf einem Fischerboot, wo mein Vater gearbeitet hat, entstanden. Er hat ein Papier auf einen Tisch gelegt und darauf eine Kugel mit Tinte. Wenn sich das Boot auf den Wellen hin- und herbewegt hat, hat sich die Kugel bewegt und so ist eine Zeichnung entstanden. Es ist, als würde das Meer das Schiff als Stift verwenden und aus der Perspektive des Meeres eine Zeichnung machen."
Olafur Eliasson ist einer der populärsten Künstler der Gegenwart, seine Arbeiten sind leicht zugänglich. Doch seine Kunst besteht eben nicht nur aus schönen Farbverläufen, dekorativ angeordneten Linien und lustigen Einfällen. Eliassons Arbeiten sind immer auch tiefgreifende Auseinandersetzungen mit der Frage, was Kunst kann. Eliassons Kunst zum Beispiel macht Welt sinnlich erlebbar. Und was gibt es Schöneres?
Die Ausstellung: Olafur Eliasson. WASSERfarben ist bis 2. September in der Pinakothek der Moderne zu sehen.