PoC steht mit nacktem Oberkörper vor einem Spiegel, ein Mann im Tarnanzug sieht ihn von der Seite an.
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Ehrensache - der Film "The Inspection" erzählt von einem, der in die Gesellschaft will und zum Militär geht (Jeremy Pope (l.) mit Raul Castillo).

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Wer überlebt, hat gewonnen: US-Militärdrama "The Inspection"

Schwarz, schwul, obdachlos - Der Protagonist des US-Kinofilms "The Inspection" hat genug von Ausgrenzung und Ressentiments, er sucht sich eine Ersatzfamilie. Kann da eine beinharte Elite-Truppe wie die US Marines für Anerkennung sorgen?

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Blicke auf Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben. So beginnt dieser autofiktionale Film. Seine Bilder erinnern bisweilen an die Fotos von Nan Goldin und deren Beobachtungen der LGBT-Subkulturen in den USA. Die Kamera schwebt durch eine Obdachlosenunterkunft in New York. Männer liegen auf ihren Pritschen, manche nur halb zugedeckt. Man hört das Atmen im Raum, das Schnaufen, ein Hüsteln. Der junge Afroamerikaner Ellis, das Alter Ego des Regisseurs, der selbst bei den US Marines war, lebt hier, von seiner Mutter wegen seiner Homosexualität verstoßen. Nun will er aufbrechen – in ein anderes Leben, in eine neue Welt.

Kampf gegen Ressentiments und Ausgrenzung

Ellis tauscht erst einmal nur Schlafsaal gegen Schlafsaal. Er bewirbt sich bei den US-Marines und nimmt den Bus in ein Ausbildungslager. 19 Bewerber verteilen sich dort auf die Metallstockbetten. Worte wie Mut, Loyalität oder Kampfbereitschaft stehen auf die Betonsäulen zwischen den Liegen geschrieben. Auch hier durchstreift die Kamera den Schlafraum mit eher beiläufiger Neugierde. Schaut nachts rechts und links. Wer sind diese Menschen, die das Schicksal zusammengewürfelt hat? In einer Ecke betet ein Muslim, dann durchschneidet die Stimme eines Ausbilders den Raum.

Filme über die US-Militärausbildung gibt es viele – der bekannteste ist Stanley Kubricks "Full Metall Jacket". Trotz der eindeutigen Haltung zur menschenverachtenden Brutalität des Schleifens und Brechens angehender Soldaten gilt er als einer der Lieblingsfilme von Männern, die in ein solches Bootcamp aufbrechen. Ihn sich anzuschauen, ist für sie ein weitverbreitetes Ritual vor der Abreise ins Rekruten-Training. Vermutlich in der Hoffnung, dass es dort nicht ganz so schlimm wird wie auf der Leinwand.

Das Martialische des Drills kommt in "The Inspection" zwar auch vor, alle Formen der Erniedrigung durch die Ausbilder, das Robben durch Schlamm, das Sich-Anschreien-lassen, die grimmig zu intonierenden Korpsgesänge, doch Regisseur Elegance Bratton inszeniert die mitleidlose Strenge der militärischen Erziehung weniger drastisch als ehedem Stanley Kubrick.

Das Militär als Ersatzfamilie

Anfangs glaubt man fast, der Regisseur entwickle keine eigene Haltung zu den Mechanismen des Krieges, aber sein Ansatz erfordert eine andere Perspektive. In einem Gespräch mit einem der Ausbilder erklärt sein filmisches Alter Ego die Motivation: Die US Marines seien für Underdogs wie ihn die einzige Chance, ihrer Misere zu entkommen. Viele seiner Freunde seien tot oder säßen im Gefängnis, er selbst wolle nicht als obdachlose Schwuchtel enden.

Der Film, der bei uns im Original mit Untertiteln zu sehen ist, fasziniert durch dieses sehr persönliche Schicksal und berührt durch die feine Inszenierung der Ambivalenz des Lebens. Das Militär gilt als homophob, doch der Ausbilder erklärt am Schluss: Ob schwul oder nicht, hier ist Ellis nur ein Marine.

Einfache Antworten gibt es nicht, das macht das beeindruckende Drama über ein individuelles Schicksal deutlich. Ein Schicksal als doppelbödige Helden- und Emanzipationsgeschichte, mit auch ironischen Momenten und poetischen Einschüben. Von der homophoben Mutter löst sich Ellis am Ende. Fünf Jahre blieb der Regisseur bei den Marines – danach begann seine Laufbahn als Künstler.

Filmemacher Elegance Bratton gilt seit den vielen Auszeichnungen für sein Erstlingswerk als große Hoffnung des US-Kinos. Im Juli war sein Drama mit dem großartigen Hauptdarsteller Jeremy Pope beim Filmfest München zu sehen – jetzt kommt es in die Kinos.

The Inspection - USA 2022, OmU, Regie: Elegance Bratton. Mit Jeremy Pope, Raúl Castillo & McCaul Lombardi. 95 Minuten. Ab 12 Jahren.

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