Am selben Tag checken sie in einem französischen Luxushotel an der französischen Atlantikküste ein. Das erste Mal sehen sie sich auf dem weitem Strand bei Ebbe. Zufälligerweise kommen die beiden zur selben Zeit ins Hotel zurück und begegnen sich an der Rezeption. Und dann das dritte Mal oben vor dem Zimmer der Bio-Mathematikerin. Beim Lunch erklärt sie ihm, dass sie demnächst mit einem kleinen U-Boot tief ins Meer bei Island hinab tauchen wird – Mikroorganismen sammeln. Es geht um Strategien, den Klimawandel aufzuhalten.
Der Wenders-Moment
Schauspieler Alicia Vikander und James McAvoy kommen während dieser Szene der Kamera und damit dem Zuschauer ganz nahe – für Momente entsteht eine Intensität, wie man sie aus Wim-Wenders-Werken kennt. Doch diese Augenblicke sind in „Grenzenlos“ von kurzer Dauer. Die gleichnamige Buchvorlage des schottischen Autors J. M. Ledgard sowie die Kino-Verfilmung erzählen nämlich nicht nur eine durchaus reizvolle Liebesgeschichte, sondern wollen den Zustand unserer Welt verhandeln: Stärker als noch im Roman sind die Liebenden im Film Platzhalter für den Kampf gegen alle Übel. Auf der einen Seite also die aus der Balance geratene Natur, die Danielle wieder ins Lot bringen will, auf der anderen Seite James, der für den MI5 herausfinden soll, ob Jihadisten aus Somalia Terror-Anschläge in Großbritannien planen.
Der komplexe literarische Stoff ist fürs Kino um zwei Nummern zu groß – und Regisseur Wim Wenders kommt mit diesem romantischen Thriller, der auf der Leinwand wohl zwangsläufig ins Banale abgleiten muss, nicht zurecht.
Fassungsloser Zuschauer
Fassungslos schaut man diesem Treiben zu, fängt bald an, auch hinter den simpelsten Klischees noch etwas entdecken zu wollen, wo doch der Regisseur immerhin Wim Wenders heißt. Und hat der nicht so großartige Filme wie „Im Lauf der Zeit“, „Der Stand der Dinge“, „Der Himmel über Berlin“, „Pina“ oder zuletzt „Every Thing Will Be Fine“ gedreht?
„Grenzenlos“ ist der schrecklichste Wim-Wenders-Film, den ich je gesehen habe, andererseits – im cinephilen Frankreich gilt das strikte Gesetz, dass man den Regisseuren, die man einmal für bedeutend befunden hat, die Liebe nicht entziehen darf. Das Gesamtwerk ist entscheidender als der einzelne Film. Einen Createur liebt man also auch für die Arbeiten, die schwächer sind.
Eine schöne Sitte ist das – und Wenders hiermit „Grenzenlos“ verziehen.