An Ralph Dommermuth führt für User in Deutschland kaum ein Weg vorbei. Der Unternehmer und Selfmade-Milliardär dirigiert ein wahres Telekommunikationsimperium – dessen Einfluss derzeit stetig wächst. Zu seinem Konzern United Internet gehören die bekannten E-Mail-Portale GMX und Web.de, die Telefon-Unternehmen 1&1 und Drillisch (letzteres mit einem Dutzend Untermarken), der Glasfaseranbieter Versatel und Ionos, ein Unternehmen, das verschiedene Internetdienste anbietet und das Dommermuth in diesem Jahr an die Börse gebracht hat.
Noch immer gibt es nur ein sehr löchriges Netz
Bislang war der Konzern im Mobilfunk stets auf andere Netzbetreiber angewiesen und konnte - vereinfacht gesagt - nur dort gebuchte Gesprächs-Minuten und Datenmengen weiterverkaufen. 2019 ersteigerte 1&1 aber Lizenzen für das neue, superschnelle 5G-Mobilfunknetz und arbeitet seitdem am Aufbau einer eigenen Infrastruktur. Das Projekt verlief zunächst ziemlich holprig. Man kam mit dem Aufstellen und Anschließen der Masten kaum voran. Die Schuld schob 1&1 jenen Unternehmen zu, die die Arbeiten im Auftrag durchführten. Und so musste der Start des eigenen Netzes, der eigentlich im Sommer hätte stattfinden sollen, um rund ein halbes Jahr verschoben werden - es hätte einfach noch fast nichts zum Starten gegeben.
Inzwischen sagt Dommermuth, seine Unternehmen bekomme Wind unter die Flügel. 1&1 musste sich bei der Auktion der Lizenzen verpflichten, bis Ende 2022 1.000 Basisstationen aufzustellen. Damit ist man zunächst zwar krachend gescheitert. Inzwischen aber verfügt das Unternehmen noch immer erst über rund 500 Stationen. Bis zum Jahresende verspricht der Firmen-Inhaber, endlich die 1.000 zu schaffen. Das wäre aber noch immer ein ziemlich löchriges Netz, das nur einige ausgewählte große Städte abdeckt.
1&1-Kunden womöglich bald ohne 5G
Deshalb ist 1&1 weiter auf die Konkurrenz angewiesen. Derzeit wird das Netz von Telefonica Deutschland (bekannter als O2) mitgenutzt. Da 1&1 fortan selbst Netzbetreiber ist und nicht mehr nur Wiederverkäufer, ändern sich dabei die Bedingungen. Telefonica muss dem Neuling rein rechtlich künftig nur Zugang zum älteren 4G-Standard gewähren und nicht mehr zum superschnellen 5G-Netz.
Das hieße, nach dem Netzstart würden alle 1&1-Kundinnen und -Kunden (eigenen Angaben zufolge immerhin gut 12 Millionen) nur noch dann 5G-Geschwindigkeit bekommen, wenn sie sich gerade in der Nähe einer der wenigen eigenen Funkmasten befinden. Ein sehr unbefriedigender Zustand.
Bundesnetzagentur ist am Zug
Deshalb hatte Dommermuth auch den Vertrag mit Telefonica gekündigt und einen neuen mit Vodafone abgeschlossen. Dort bekommt er nun 5G, allerdings erst ab Sommer 2024. Solange steckt 1&1 nämlich noch in der alten Vereinbarung mit Telefonica fest.
Ob in der Übergangszeit vielleicht eine Ausnahmeregelung gilt, damit die 1&1-Klientel doch weiterhin 5G uneingeschränkt nutzen kann, darüber muss die Bundesnetzagentur entscheiden. 1&1 hat dort einen entsprechenden Antrag eingereicht. Ein Unternehmens-Sprecher sagte, man rechne noch im November mit einer Entscheidung. Bei der Bundesnetzagentur bestätigt man BR24 zwar den Antrag von 1&1. Ob die Entscheidung wirklich noch bis Ende des Monats fällt, ist allerdings offen. "Ein Termin für den Abschluss des Verfahrens ist bisher nicht festgelegt.", so ein Sprecher der Agentur.
Früher löste der vierte Netzbetreiber Preiskämpfe aus
Abgesehen von dieser sehr unerfreulichen möglichen Einschränkung, werden Kunden von dem Netzstart nichts mitbekommen. Im Handy-Display wird bereits seit langem 1&1 als Netzbetreiber angezeigt, das bleibt so. Fragt sich, ob der zusätzliche Wettbewerb einen Preiskampf in Gang bringt. Als Telefonica vor rund 25 Jahren – damals noch unter dem Namen Viag Interkom, startete, war das so. Interkom war ebenfalls der vierte und letzte im Markt - nach Telekom, Vodafone und E-Plus - und musste sich Marktanteile über niedrige Preise erkämpfen.
Der jetzt anstehenden Netzstart von 1&1 wird einen solchen Wettlauf eher nicht auslösen, glaubt zum Beispiel Hannes Rügheimer von der Fachzeitschrift Connect. 1&1 sei mit seinen Angeboten schon jetzt etwas günstiger als zum Beispiel die Telekom. Dazu kommt, dass 1&1 bereits einen großen Kundenstamm hat und nicht bei Null anfangen muss, wie Interkom vor 25 Jahren. Außerdem verschlingen der Aufbau der 5G-Netze und die hohen Energiepreise viel Geld, sodass laut Rügheimer auch deshalb derzeit bei allen Netzbetreibern wenig Spielraum für Preissenkungen ist.
Steigt Amazon als fünfter Mobilfunknetzbetreiber ein?
In der Branche wird derzeit auch über einen ganz neuen Player gemunkelt: Amazon hat angeblich Interesse am deutschen Mobilfunkmarkt. Und es würde passen. Der Handelsriese hat in der Vergangenheit seine Geschäfte immer dort ausgebaut, wo es sich beim Online-Handel ohnehin anbot. So wurde, weil man sehr viel Rechenkapazitäten rund um die Internet-Bestellungen brauchte, ein eigener Cloud-Dienst aufgebaut.
Die Sparte AWS ist inzwischen einer der weltgrößten Betreiber von Rechenzentren. Auch die Logistiksparte wird größer und bedeutender. Die Pakete werden jetzt immer öfter mit eigenen Amazon-Fahrzeugen ausgeliefert anstatt etwa über DHL.
Jeff Bezos kann Telekommunikations-Satelliten hochschicken
Da Amazon auch Musik- und Video-Streamanbieter ist, benötigt man gute Datenverbindungen zu den Endkunden, am besten auf alle Handys. Es wäre also nur logisch, auch das selbst zu organisieren. Zumal Amazon-Gründer Jeff Bezos mit Blue Origin eine ehrgeizige Weltraumfirma aufgebaut hat. Via Satelliten ließe sich ein Datennetz spannen, ganz ohne die aufwendige Installation von Handymasten.
Kajetan Zwirglmaier von der Unternehmensberatung Simon-Kucher, der den Mobilfunkmarkt gut kennt und auch schon selbst für die Satellitenkommunikationsbranche gearbeitet hat, gibt dabei zu bedenken, dass eine sogenannte "Direct-to-Device-Versorgung" momentan nur begrenzt möglich sei. Notrufsignale oder kurze Sprachnachrichten über's Orbit direkt auf Handys zu schicken ist demnach inzwischen problemlos möglich, eine schnelle, sichere Datenversorgung dagegen nicht.
Amazon und 1&1 als mögliche Partner?
Es gibt auch Insider, die überzeugt sind, dass Amazon die Herausforderung kennt und sie angenommen hat. Geld hat der Konzern jedenfalls ausreichend zur Verfügung. Man bräuchte nur genug Satelliten hochzuschicken, damit die Bandbreite zunimmt und das nicht nur für den Empfang durch Satellitenschüsseln, sondern auch durch Smartphones und Tablets. Ob es zehn Jahre dauert, bis es soweit ist, oder nur zwei bis drei Jahre, hierzu gehen die Meinungen auseinander.
Dass Amazon Interesse am deutschen Mobilfunkmarkt hat, das kann sich auch Kajetan Zwirgelmaier gut vorstellen. Der US-Konzern könne sich hierzulande zumindest als virtueller Mobilfunkbetreiber, ohne eigenes Netz so wie bisher 1&1 aufstellen. Das halte er für relativ wahrscheinlich, so der Mobilfunkexperte. Amazon könnte dann zum Beispiel seinen Kunden Mobilfunk gleich gratis mit dazu anbieten, wenn die ein Monatsabo für den Prime-Dienst abschließen. Und denkbar wäre auch, dass sich Amazon hierzulande mit einem etablierten Netzbetreiber verbündet, um schneller voranzukommen. Dann käme womöglich wieder Ralph Dommermuth ins Spiel, der wie gesagt, den Einfluss seines kleinen Imperiums stetig zu vergrößern versucht.
Dieser Artikel ist erstmals am 16. November 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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