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Schutzranzen

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Getrackt: Wie Eltern ihre Kinder überwachen

Sie sind eine Art Babyfon für größere Kinder: Eltern-Apps fürs Handy. Damit lassen sich Internetaktivitäten der Kinder kontrollieren, man kann sie permanent überwachen. Doch der Spion im Schulranzen kann auch Schaden anrichten. Von Anja Wahnschaffe

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Seit einigen Jahren wird es besorgten Eltern leicht gemacht, mit speziellen Tracking-Apps automatisch die GPS-Koordinaten ihrer Kinder aufs elterliche Handy schicken zu lassen. Life 360 oder Handy Orten sind zum Beispiel solche Controll-Apps. Franzi hat die Freunde-App von Apple eingesetzt, um ihre Kinder zum Beispiel auf dem Schulweg zu orten - am Anfang mit deren Wissen, später heimlich.

"Als die Kinder noch klein waren, da wollten wir einfach wissen, wo sie sind oder wenn es mal länger gedauert hat, dass man einfach wusste, die sind jetzt da und da. Okay, ich muss mir keine Sorgen machen, die sind gleich daheim." Franzi, Mutter von zwei Kindern

Kontroll-Apps: Eltern lesen Nachrichten mit und sperren Kontakte

Viele Apps haben allerdings auch weitere Überwachungsfunktionen. Eltern können Sohn und Tochter damit auch ausspionieren: Sie können die Internetaktivität auf dem Smartphone des Nachwuchses überwachen, Nachrichten mitlesen oder unerwünschte Kontakte und Apps sperren.

Das Handy des eigenen Kindes zu kontrollieren, ist elterliche Pflicht. Denn Eltern müssen das Kind vor Gefahren im digitalen Bereich schützen. Andererseits steht im Bürgerlichen Gesetzbuch auch, dass Kinder im zunehmenden Alter zu eigenverantwortlichen Menschen zu erziehen sind.

Überwachung größerer Kinder kann ein Rechtsverstoß sein

Eltern, so Jurist Anatol Dutta von der Ludwig-Maximilians-Universität München, sind also verpflichtet, ihrem Nachwuchs gewisse Freiräume zu lassen. Rechtlich gesehen bedeutet das, "dass solche Ortungsapps, die eine permanente Ortung zulassen, dass sie bei zunehmenden Alters des Kindes kritisch sind", sagt der Jurist. Allerdings gebe es keine klaren Altersgrenzen, bis wann eine derartige Überwachung erlaubt sei. Das müsse im Einzelfall je nach Entwicklungsstand des Kindes entschieden werden.

Die Überwachungsmöglichkeiten von Kindern steigen stetig, immer wieder werden neue Apps entwickelt. Doch der Nutzen wird oft vorab nicht geprüft.

Schutzranzen-App verspricht mehr Sicherheit im Verkehr

Derzeit versucht zum Beispiel das Unternehmen Coodriver die sogenannte Schutzranzen-App auf den Markt zu bringen. Die Idee: Das Kind hat auf seinem Handy eine App oder trägt im Schulranzen einen GPS-Sender. Wenn das Kind sich dann in der Nähe eines Autos befindet, sendet die App einen Warnton auf das Handy des Autofahrers. 

Der Unternehmer Walter B. Hildebrandt von Coodriver hat die Schulranzen-App 2015 für die Verkehrssicherheit von Kindern entwickelt. Er ist vom Nutzen seiner App überzeugt und will jetzt in mehreren Städten Testphasen laufen lassen, um Erfahrungen zu sammeln. Allerdings gibt es Widerstand gegen seine Entwicklung.

Kann Überwachung ein Sicherheitsrisiko sein?

Datenschützer fürchten neben der Überwachung auch Sicherheitsrisikos für Kinder. Friedemann Ebelt von der Bürgerrechtsorganisation "Digitalcourage" warnt davor, leichtfertig mit Positionsdaten von Kindern umzugehen.

"Die Positionsdaten von Kindern werden in eine Cloud übertragen. Es gibt dann im Internet einen Server, auf dem, wenn das Projekt breit etabliert wird, alle Positionsdaten von Kindern in Echtzeit drüberlaufen. Das ist so ein sensibler Bereich, muss man da wirklich drüber nachdenken." Friedemann Ebelt, Digitalcourage

Digitalcourage sorgt sich um Positionsdaten von Kindern

Die Daten, so die Befürchtung von Digitalcourage, könnten abgefangen und missbraucht werden. Aus Sicht des Unternehmens coodriver ist die Kritik unberechtigt. Daten würden nicht gespeichert, sagt Walter B. Hildebrandt.

"In Deutschland sind wir sehr stark dabei, etwas kaputt zu reden mit Bedenken anstatt mal was auszuprobieren und dann mal sachlich zu diskutieren." Walter B. Hildebrandt von Coodriver will die Schutzranzen-App einführen

Kinderschützerin: Zu viel Kontrolle hemmt Entwicklung der Kinder

Cordula Lassner-Tietze vom Deutschen Kinderschutzbund hat einen ganz pragmatischen Ratschlag: Eltern und Kinder sollten darüber sprechen, welche Gefahren Kinder vermeiden sollen, aber auch welche Situationen sie schon bewältigen können. Zu viel Kontrolle, so warnt die Kinderschützern, schade mehr als dass sie nutzt. Damit werde Kindern die Möglichkeit genommen, sich frei zu entwickeln und Dinge zu entdecken.