Proteste in Hongkong, Covid-19-Pandemie oder die Taiwanfrage: Zu diesen Themen gab es seit 2019 eine Reihe von Fällen, in denen pro-chinesische Accounts in sozialen Netzwerken massiv Stimmung für die Sichtweise der Regierung in Peking gemacht haben. Eine dieser offenbar von Peking gesteuerten Operationen wurde als "Spamouflage Dragon" bekannt. Twitter und Facebook haben die Accounts damals gelöscht.
Kritik an China abwehren
Nun scheint es einen neuen Fall zu geben. Die britische NGO Centre for Information Resilience (CIR) hat ein Netzwerk von mehreren Hundert Accounts identifiziert, das "das Ansehen Chinas bei seinen Anhängern verstärken und Kritik an der chinesischen Regierung diskreditieren will", wie es in dem CIR-Bericht heißt. Das CIR bezeichnet sich als Non-Profitorganisation, "die Einflussnahme-Kampagnen aufdecken und ihnen entgegenwirken will."
In einer Netzwerkanalyse machte CIR-Recherche-Direktor Ben Strick mehrere Hundert Accounts aus, die offenbar konzertiert Stimmung für Peking machen: Mehr als 300 Accounts auf Twitter, rund 50 auf Facebook und ein Dutzend auf YouTube.
Viele “Verstärker-Accounts” im Einsatz
In einem Thread auf Twitter erklärt CIR-Recherche-Direktor Strick, wie er ausgehend von den drei Twitter-Hashtags #Hong Kong, #United States und #Guo Wengui (chinesischer Milliardär, der im US-Exil lebt) das Netzwerk identifiziert hat und veranschaulicht das in Form von verschiedenen Netzwerk-Diagrammen. Dabei sind jeweils einige zentrale Accounts erkennbar, deren Posts durch eine Reihe sogenannter “Verstärker”-Accounts in Form von Retweets, Mentions und Likes weiterverbreitet werden.
Fake-Accounts generiert, bestehende Accounts übernommen
Teilweise handelt es sich um Fake-Accounts, die einen unnatürlichen Nutzernamen wie "U5xzRTrtzrip2tq" haben oder offenbar künstlich generierte Profilbilder verwenden.
Auf Facebook und YouTube scheinen auch bestehende Accounts, die früher in einer anderen Sprache und zu anderen Themen gepostet haben, übernommen worden zu sein - sei es durch Hackerangriffe, sei es, dass die Zugangsdaten gekauft worden sind.
USA im Zentrum der Kritik
Das pro-chinesische Netzwerk setzt sich - teils auf englisch, teils auf chinesisch - kritisch mit us-amerikanischer Politik auseinander.
US-Berichte und Aussagen über Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Provinz Xinjiang, wo Tausende von Uiguren in Umerziehungslagern eingesperrt sind, werden als "fabriziert" bezeichnet.
Außerdem wird jegliche Einmischung der USA in die Hongkong-Frage zurückgewiesen und die Zugehörigkeit Hongkongs zu China betont.
Auch die amerikanische Innenpolitik wird thematisiert: So gibt es reihenweise Posts, die Tote durch Schießereien thematisieren und zum Beispiel von einer "Epidemie der Waffengewalt in den USA" sprechen.
Ebenfalls weit verbreitet ist das Narrativ, dass es in den USA eine weit verbreitete Rassendiskriminierung gebe, sowohl gegenüber Schwarzen als auch gegenüber Menschen mit asiatischen Wurzeln.
Chinesischer Milliardär hat Peking den Kampf angesagt
Darüber hinaus hat das Netzwerk auch einige Personen ins Visier, die der chinesischen Regierung nicht genehm sind. Zum Beispiel die chinesische Virologin Li-Meng Yang, die im September 2020 einen Bericht verfasste, in dem sie behauptete, China habe das Coronavirus in einem Labor als Biowaffe erzeugt. Dafür gibt es keine Beweise und Yang wurde stark dafür kritisiert.
Die Labortheorie wird auch von einem Mediennetzwerk des im US-Exil lebenden chinesischen Milliardärs Guo Wengui verbreitet. Guo hat sich 2014 mit der chinesischen Parteiführung überworfen und ist ins US-Exil geflohen. Von dort aus verbreitet er radikal antikommunistische Inhalte, aber auch Verschwörungserzählungen, die bei QAnon-Anhängern beliebt sind, wie das ZDF berichtet. Guo gilt als Anhänger des früheren US-Präsidenten Donald Trump und wird auch vom Ex-Trump-Berater Steve Bannon unterstützt.
Keine Beweise, dass Peking hinter der Kampagne steckt
Das CIR fand in dem chinesischen Netzwerk reihenweise Posts, in denen sowohl Yang als auch Guo und Bannon in Form von Karikaturen lächerlich gemacht werden.
Die Accounts verbreiten also Narrative, wie sie auch auf Accounts von Mitgliedern der chinesischen Regierung und staatlichen chinesischen Medien. Es gibt allerdings keine Beweise, dass die Accounts direkt von Peking gesteuert sind, darauf weisen die Autoren in ihrem Bericht explizit hin.
Nun ist die Frage, ob Twitter, Facebook und YouTube gegen dieses Netzwerk vorgehen und die Accounts sperren oder löschen. Auf Twitter sind einige der im CIR-Bericht gezeigten Accounts bereits mit einem Hinweis versehen: "Warnung. Dieser Account ist vorübergehend eingeschränkt. Du siehst diese Warnung, da von diesem Account einige ungewöhnliche Aktivitäten ausgegangen sind."
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