Wenn es der Wahrheit entspräche, was Surfer täglich per Mausklick kundtun, dann würde es sich bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Google, Facebook und anderen Internet-Konzernen um die bekanntesten Schriften der Geschichte handeln. Milliarden von Usern haben mit einem Häkchen bestätigt, dass sie die AGBs gelesen haben und sie damit akzeptiert. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Deshalb greifen denn auch immer häufiger die Gerichte ein.
Neun Stunden Lesedauer für Kindle-AGB
Die australische Verbraucherschutzorganisation Choice hat einen Schauspieler engagiert, für eine gewaltige Aufgabe: die Verlesung der Nutzungsbedingungen für Amazons E-Book-Reader Kindle - mittlerweile fast ein neues Genre. So haben deutsche Künstler etwa schon die elend langen und unverständlichen AGBs von Google und Facebook öffentlich vorgetragen. Letztere wären ausgedruckt 100 Seiten lang. Der australische Rezitator nun hat es nach knapp neun Stunden geschafft. 73.198 Wörter hat er vorgelesen.
Unwissentlich zum Kloputzen verpflichtet
Dass nur Künstler und Juristen sich derartige Texte wirklich antun, das zeigt wiederum ein Scherz, den sich der britische WLAN-Anbieter Purple kürzlich erlaubt hat: Er verpflichtete die Nutzer per AGB dazu, Dixi-Klos zu putzen. Tausende haben das scheinbar akzeptiert. User zum Klo-Putzen zu verdonnern, geht natürlich nicht, sagt Thomas Hoeren, Professor für Internet-Recht an der Uni Münster. Aber grundsätzlich gilt, wer klickt, stimmt zu, unabhängig davon, ob er die AGBs wirklich gelesen hat oder nicht. Und fast jeder klickt, weil er sonst einen begehrten Service nicht nutzen könnte.
Nutzungsbedingungen müssen rechtskonform sein
Allerdings dürfen die Nutzungsbedingungen nicht geltendem Recht widersprechen. So wurde es beispielsweise Facebook per Gericht verboten, sich unbeschränkte Rechte an Bildern und Videos seiner User einräumen zu lassen. Und auch wenn die aktuellen Geschäftsbedingungen unangreifbar sein sollten, so machen Internet-Konzerne oft juristische Fehler, wenn sie ihre AGBs ändern, was ja regelmäßig geschieht. Verbraucherschutzorganisationen können dann klagen und Gerichte eingreifen.
Man muss sich klarmachen, Google und Facebook sind amerikanische Unternehmen. Und da ist es sehr viel einfacher, AGBs zu verändern. In Deutschland ist das regelmäßig unwirksam. Denn solche Änderungen müssen transparent sein, verständlich sein. Da muss man auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme geben. Und das funktioniert nicht.
Google nimmt sich erweiterte Rechte
Allerdings eine Änderung, die Google jüngst in seine Nutzungsbedingungen geschrieben hat, blieb bislang unbeanstandet. Der Konzern beobachtet ja die Surftouren seiner Nutzer, weiß also, von welchem Rechner aus welche Sites angesurft werden. Jetzt nimmt er sich das Recht, diese Surfprotokolle mit den Daten aus Google-Konten beispielsweise eines Android-Handys zu kombinieren. Er kennt Website-Besucher inzwischen also namentlich. Der Surfer ist jetzt völlig gläsern. Eine Änderung der Nutzungsbedingungen hat das ermöglicht.
Neue EU-Verordnung verpflichtet Unternehmen ab Mai 2018
Nächstes Jahr könnte sich das Blatt wenden, hofft der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Dann nämlich tritt die neue europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft, an die auch Internet-Konzerne ab Mai ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen anpassen müssen:
"Diese Datenschutzgrundverordnung enthält neue Vorgaben zur Einwilligung. Da sind die Geschäftsmodelle, so wie sie hier gewachsen sind, doch sehr fragwürdig geworden. Und wie weit dann die Einwilligungen, die sehr pauschal abgefragt werden, dann noch wirksam sind, da würde ich drei Fragezeichen dran machen." Peter Schaar