Ende März 2023. Thomas Tuchel wird Trainer des FC Bayern München - mitten in der Saison und kurz nach einem 1:2 gegen Bayer Leverkusen. Tuchel sollte Julian Nagelsmann ersetzen, sollte die Antwort sein: Er sollte den desolaten Rekordmeister zu alter Stärke führen.
Bei seiner ersten Pressekonferenz in seiner FCB-Trainer-Funktion kündigte Tuchel an, er werde keinen Wechsel in der Systematik des Bayern-Spiels vornehmen, wohl aber an Details feilen und an Abläufen arbeiten.
"Weniger ist mehr", sagte er damals. Ein Satz, der in dicken Lettern über der gesamten Ära Tuchel stehen könnte. Weniger Leistung, weniger Titel, weniger Stabilität. Nur eines war konstant: viel zu viele Niederlagen, zu viele für das bayerische Selbstverständnis.
Auch Thomas Tuchel scheitert an Bayer Leverkusen
Knapp elf Monate nach besagter Pressekonferenz: Wieder Leverkusen. Nur dieses Mal ist es Thomas Tuchel, unter dessen Fittichen der FCB verliert: Mit einem desaströsen 0:3 wächst der Rückstand auf den in dieser Saison ungeschlagenen Tabellenführer auf fünf Punkte an.
Schlimmer noch: Es ist nur der Auftakt zu einer Drei-Niederlagen-Woche. Experten sehen den Tag als mögliche Zeitenwende in der Fußball-Bundesliga. Andere sehen in ihm den sicheren Anfang des Endes der Ära Tuchel. Doch was ist in nur elf Monaten, zwischen den beiden Niederlagen gegen Bayer passiert? Ein Rückblick in zehn Akten - oder Tiefpunkten:
4. April 2023 - der erste Titel geht flöten
Das zweite Spiel unter Thomas Tuchel - und schon der erste verschenkte Titel. Dabei gab die Tuchel-Premiere, der 4:2-Heimsieg gegen Borussia Dortmund, noch Grund zur Zuversicht. Drei Tage später musste Tuchel schon den ersten Titel abschreiben. Im DFB-Pokal gewann der SC Freiburg in der Allianz Arena durch ein Tor von Lucas Höler in der Nachspielzeit mit 2:1 und zog ins Halbfinale ein. "Es ist natürlich eine große Enttäuschung", kommentierte Tuchel.
11. April 2023 - Enttäuschung gegen Manchester City
Tuchel sagte nach dem Champions-League-Viertelfinal-Hinspiel er sei "schockverliebt" in seine Mannschaft. Und das nach einem 0:3 gegen Manchester City. Das vorzeitige Königsklassen-Aus gegen den späteren Titelgewinner folgte eine Woche später beim 1:1 in München.
20. Mai 2023 - Klatsche gegen RB Leipzig
Am vorletzten Bundesliga-Spieltag schien der elfte Meistertitel am Stück nach einem 1:3 gegen Leipzig Utopie zu sein. "Wenn man so weit unter dem eigenen Level spielt, ist es schwierig, Spiele zu gewinnen", sagte Tuchel. Jamal Musialas spätes Siegtor zum 2:1 in Köln bescherte den Münchnern eine Woche später dann doch wieder die Schale, weil Borussia Dortmund mit einem 2:2 daheim gegen Mainz folgenschwer patzte.
12. August 2023 - Déjà-vu in Leipzig
Schon wieder Leipzig. Im Hype um den tags zuvor verpflichteten 100-Millionen-Mann Harry Kane ist der DFB-Pokalsieger mit dem dreifachen Torschützen Dani Olmo im Supercup der Party-Crasher in der Münchner Arena. "Die Diskrepanz zwischen der Form, der Stimmung und dem, was wir auf den Platz bekommen, ist groß", analysierte Tuchel.
1. November 2023 - die Chance aufs Triple verspielt
Was für eine Blamage! Marcel Gaus traf für den Drittligisten 1. FC Saarbrücken tief in der Nachspielzeit zum 2:1. Dabei hatten die großen Bayern im Ludwigspark durch Thomas Müller sogar geführt. Die Münchner Chance aufs Triple war früh in der Saison dahin.
9. Dezember 2023 - der Tiefpunkt
Nach 36 Minuten steht es 0:3, nach 90 Minuten war die höchste Bayern-Niederlage unter Tuchel perfekt. 1:5 ging der deutsche Rekordmeister bei Eintracht Frankfurt unter. "Die gesamte Mannschaftsleistung war ungenügend - und da zähle ich mich mit dazu", sagte Tuchel anschließend.
21. Januar 2024 - auch Bremen schafft Bayern
Der nächste Bayern-Aussetzer - und das nach einem Kurz-Trainingslager in Portugal, das Tuchel zuvor als rundum positiv bewertete. Der Ex-Münchner Mitchell Weiser ließ die Gäste aus Bremen jubeln. Bayern-Chef Jan-Christian Dreesen sprach Klartext nach dem 0:1: "Wir haben die ersten 70 Minuten einfach langweiligen Fußball gespielt."
10. Februar 2024 - die Top-Spiel-Blamage
Spitzenreiter Leverkusen machte beim 3:0 einen Riesenschritt zum ersten Meistertitel. Tuchels taktische und personelle Maßnahmen schlugen fehl, halfen dem eigenen Team nicht. Die aufgestellten Akteure versagten. Tuchel musste Bayer-Coach Xabi Alonso gratulieren. Der Bayern-Coach klopfte Motivationssprüche: "Wir werden erst aufgeben zu jagen, wenn es rechnerisch entschieden ist. Wir haben letztes Jahr bewiesen, was passieren kann."
14. Februar 2024 - auch Lazio Rom
Die Bayern hatten die Niederlage gegen Leverkusen noch kaum "verdaut", wie Manuel Neuer sagte, da mussten sie schon ins Valentinstagsduell gegen Lazio Rom. Keine Leichtigkeit, keine Spielfreude, keine Dominanz - das Tag der Liebe wurde für den FC Bayern zum Rosenkrieg. Wenn die Tuchel-Kritiker vor dem Champion-League-Duell nicht schon laut genug waren, dann hörte man sie spätestens nach der 0:1-Niederlage in Rom brüllen.
18. Februar 2024 - die dritte Pflichtspiel-Niederlage in Folge
Wer dachte, es geht nicht noch tiefer, der wurde nur vier Tage später eines Besseren belehrt. Gegen den VfL Bochum musste der deutsche Fußball-Rekordmeister eine 2:3-Niederlage einstecken. Die dritte Pflichtspiel-Niederlage in Folge - das gab es zuletzt vor neun Jahren unter Pep Guardiola.
Die Rahmenbedingungen waren damals aber komplett andere: Die Münchner hatten die Schale damals schon in der Hand und konnten es sich erlauben, die Saison locker zu beenden.
Tuchel schien von der Pleite gegen Bochum weniger tangiert: "Ich empfinde die Niederlage heute anders als die letzten beiden", sagte nach er nach dem Spiel - dieses Mal hätte der FCB sie nicht verdient, sei stärker gewesen, hätte das Spiel dominiert. Am Tenor änderte das nichts: Tuchels Abgesang wurde stärker diskutiert als je zuvor.
Im Video: BR24Sport-Reporter zur Trennung von Tuchel
BR24Sport live zum Tuchel-Aus
Wie geht es nach Tuchel beim FC Bayern weiter? Kommt der große Umbruch? Dazu ein BR24Sport live mit Moderator Dominik Vischer und dem FC-Bayern-Experten Florian Eckl ab 17.30 Uhr bei BR24Sport und in der ARD Mediathek.
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