Die Stuttgarter Wissenschaftler haben errechnet, dass bis 2030 jeder dritte Arbeitsplatz - im ungünstigsten Fall sogar jeder zweite - durch die Umstellung auf Elektroantrieb bei PKW direkt oder indirekt betroffen sein kann. Danach werden unter dem Strich rund 75.000 Arbeitsplätze wegfallen. Berücksichtigt ist dabei, dass bei der Herstellung von Batterien oder Elektronikteilen rund 25.000 Jobs neu entstehen werden. Insgesamt zählt die Automobilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland etwa 840.000 Beschäftigte, darunter rund 210.000 in der Produktion von Antriebssträngen.
Gewerkschaft sieht keinen Grund zur Panik
Elektromotoren brauchen meist weniger Einzelteile als ein Verbrennungs- oder Hybridmotor, sie können daher von weniger Menschen gebaut werden. So besteht laut Experten ein Elektro-Antriebsstrang aus 200 Teilen im Vergleich zu rund 1.200 bei konventioneller Technik. Die notwendige Montagezeit pro Auto sinke beispielsweise bei VW von derzeit etwa 20 auf unter 15 Stunden. Panik will die von der Automobilwirtschaft und der IG Metall initiierte Studie jedoch nicht verbreiten.
"Die Herausforderung ist groß, aber zu bewältigen, wenn jetzt die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, sagte der IG Metall Chef Jörg Hofmann und forderte zugleich die Politik und die Arbeitgeber auf, belastbare Konzepte auf den Weg zu bringen.
"Politik und Unternehmen müssen jetzt Strategien entwickeln, um diese Transformation zu gestalten. Die Politik muss den notwendigen Strukturwandel in der Automobilindustrie durch zielgerichtete Industrie- und Beschäftigungspolitik flankieren, die Unternehmen müssen vor allem mit einer massiven Qualifizierungsoffensive dafür sorgen, dass die Beschäftigten in diesem Wandel nicht unter die Räder kommen." Jörg Hofmann, IG-Metall
Elektromotoren auf dem Vormarsch
Das Basisszenario der Studie orientiert sich an den Zielen der EU-Kommission. Danach sollen bis 2030 insgesamt 25 Prozent aller in Deutschland gefertigten Autos elektrisch angetrieben werden, 15 Prozent sind Plug-in-Hybride, 60 Prozent haben einen effizienten Otto- oder Dieselmotor.
Regionen könnten verlieren
Zu einer differenzierten Betrachtung kommen auch die Autoren der Studie: "Gemessen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Deutschland von mehr als 44 Millionen sei dieser mögliche Arbeitsplatzverlust gering“, sagte Professor Dr. Oliver Riedel, Institutsdirektor am Fraunhofer IAO, schränkte allerdings ein: "Je nach Betrieb und Region können die Folgen beträchtlich sein. Zum Beispiel dann, wenn kleinere Unternehmen Umsatzeinbußen bei Komponenten für Verbrennungsmotoren nicht ausgleichen können oder wenn es in strukturschwachen Regionen kaum Beschäftigungsalternativen gibt.“
Das sieht auch Bosch-Konzernbetriebsrat Hartwig Geisel so. Er weist beispielsweise auf die Werke im saarländischen Homburg und im fränkischen Bamberg hin, deren 13.000 Beschäftigte nahezu ausschließlich Teile für Verbrennungsmotoren bauen. "Da wird die Luft extrem dünn. Neue Technologien müssen hier angesiedelt werden, um die industrielle Basis zu erhalten“, mahnt der Arbeitnehmervertreter.
Europäische Batteriezellenfertigung gefordert
Kern der E-Mobilität ist die Batterie, deren Fertigung bislang vor allem in den Händen chinesischer und südkoreanischer Hersteller ist. "Die Zelle ist der Kolben von morgen“, betont Hofmann und mahnt damit, Kompetenzen langfristig zu sichern. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh setzt sich dafür ein, dass zumindest die nächste Batterie-Generation der Feststoffzelle in Europa gebaut wird. Jetzt noch in die konventionelle Lithium-Ionen-Technologie zu investieren, hält er für falsch. Trotz erheblicher Investitionen in die Elektromobilität - allein VW hat für die kommenden fünf Jahre rund 30 Milliarden Euro angekündigt - würden künftig auch die Markenhersteller weniger Arbeitsplätze bieten, sagte der VW-Betriebsratschef.
Eine Studie aus dem Jahr 2012 war noch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Strukturwandel in der Automobilwelt keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen haben werde. Das lag vor allem daran, dass damals von einem größeren Anteil an Hybridautos ausgegangen wurde, für die sogar mehr Beschäftigte als für reine Diesel- oder Benzinmotoren gebraucht werden.