Wer im Supermarkt einkauft, kennt sie: die kleinen dünnen Plastikbeutel, in die man sein Obst oder Gemüse packen kann. Für diese Hemdchen- oder auch Knotenbeutel will der Discounter Aldi ab Sommer einen Cent verlangen. Davon erhofft sich das Unternehmen, dass die Menschen weniger solcher Plastikbeutel nutzen. "Die Gebühr soll unsere Kunden dafür sensibilisieren, den Knotenbeutel nicht als Wegwerfartikel zu betrachten", sagte eine Sprecherin.
Verbrauch an Plastiktüten ist stark gesunken
Die klassischen Plastiktüten, die in der Regel an der Kasse erhältlich sind, sind seit dem 1. Juli 2016 kostenpflichtig. Der Handel hatte sich in einer Vereinbarung mit dem Bundesumweltministerium freiwillig selbstverpflichtet, den Verbrauch an Plastiktüten zu verringern. Damit setzten sie eine EU-Richtlinie für Plastiktüten um: Ende 2019 soll jeder EU-Bürger im Schnitt pro Jahr nur noch maximal 90 Plastiktüten verbrauchen, bis Ende 2025 nur noch 40. Seit Inkrafttreten der Selbstverpflichtung verlangen die 353 Unternehmen in Deutschland, die sie unterzeichnet haben, zwischen zehn und 20 Cent für eine Kunststofftragetasche.
Dass die Kunden für die Tüten zahlen müssen, hat die gewünschte Wirkung gezeigt: Von 2016 bis 2018 ist der Verbrauch von Kunststofftragetaschen um knapp 46 Prozent auf zwei Milliarden Stück zurückgegangen, wie die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) in der Studie "Verbrauch von Tragetaschen in Deutschland 2018" ermittelt hat. Pro Kopf waren das in Deutschland also 24 Plastiktüten im Jahr, die tatsächlich verbraucht wurden.
Verbrauch an Obst- und Gemüsebeuteln bleibt konstant
Die Zahl der dünnen Obst- und Gemüsebeutel, die nicht von der EU-Richtlinie für Plastiktüten erfasst werden, ist hingegen seit 2015 ziemlich konstant geblieben und lag laut Bundesumweltministerium im Jahr 2018 bei etwas mehr als drei Milliarden Stück. Der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland liegt bei 37 Stück im Jahr.
Wird der Preis von einem Cent also dazu führen, dass Kunden weniger Obst- und Gemüsebeutel verwenden? Verpackungsexperte Gerhard Kotschik vom Umweltbundesamt ist skeptisch: "Ein Cent ist ein relativ geringer Betrag, der kaum dazu führt, dass die Verbraucher deshalb auf die Obst- und Gemüsebeutel verzichten." Er sieht in der Ein-Cent-Gebühr "eher eine Erinnerung der Verbraucher zu überlegen, ob sie den Knotenbeutel wirklich brauchen." Damit der Verbrauch kleiner Beutel sinke, müsse der Preis höher sein.
Deutsche Umwelthilfe fordert 22 Cent für Einwegtüten
Auch die Deutsche Umwelthilfe glaubt nicht, dass der Preis von einem Cent das Gros der Verbraucher dazu bewegt, auf Obst- und Gemüsebeutel zu verzichten. "Wenn Aldi es ernst meint mit Umweltschutz, dann sollten die Einwegtütchen mindestens 22 Cent kosten, denn dieser Betrag würde tatsächlich das Aus für das besonders kurzlebige Produkt bedeuten. Alles andere ist nur Effekthascherei", sagt die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.
Die Deutsche Umwelthilfe nennt Irland als Positivbeispiel, wenn es darum geht, den Plastiktüten-Verbrauch durch den Preis zu reduzieren. Seit 2007 müssen die Verbraucher 22 Cent pro Tüte bezahlen, was zu einem Rückgang der Plastiktüten um 90 Prozent führte.
Auch der Umweltberater bei der Verbraucherzentrale Bayern, Matthias Zeuner-Hanning, findet, dass ein Cent Gebühr zu wenig sei: "Die Händler sollten eher fünf bis zehn Cent verlangen, damit sich ein Effekt ergibt."
Fazit: Die Zahl der klassischen Plastiktüten in Deutschland ist zurückgegangen, seitdem der Handel zehn bis 20 Cent dafür verlangt. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt momentan bei 24 Tüten im Jahr. Die entsprechende EU-Richtlinie sieht maximal 40 Tüten bis zum Jahr 2025 vor. Im Gegensatz dazu ist der Verbrauch von dünnen Obst- und Gemüsebeuteln in den letzten vier Jahren nach Angaben des Bundesumweltministeriums konstant geblieben. Damit der Verbrauch signifikant sinkt, müssten diese Beutel nach Ansicht des Umweltbundesamtes, der Deutschen Umwelthilfe und der Verbraucherzentrale Bayern deutlich mehr als einen Cent kosten.