Dieser Text ist Teil des Faktenchecks zur Sendung "BR24 - Die Konfrontation" vom 04.10.2023 mit Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Martin Böhm (AfD), Florian von Brunn (SPD) und Martin Hagen (FDP) und erstmals am 05.10.2023 erschienen. Den Artikel finden Sie hier.
"Die Konfrontation" mit Hubert Aiwanger, Martin Böhm, Florian von Brunn und Martin Hagen können Sie hier in der Mediathek anschauen.
Direktinvestitionen: Wie groß ist die Lücke?
Die Behauptung:
Martin Böhm (AfD): "Wir haben 130 Milliarden weniger Direktinvestitionen. Das heißt, für 130 Milliarden investieren deutsche Firmen Kredite und Gewinne mehr im Ausland, als dass ausländische Firmen hier bei uns in Deutschland investieren. So einen Gap (deutsch: Lücke, Anm. d. Red.), hat es überhaupt noch nie gegeben."
Der Kontext:
Die Kandidaten wurden zur wirtschaftlichen Situation befragt.
Richtig oder falsch?
Weitgehend richtig. Böhms Satz, wir hätten "130 Milliarden weniger Direktinvestitionen", könnte missverstanden werden. Denn er impliziert, es gäbe eine Veränderung in Höhe von 130 Milliarden Euro - was nicht der Fall ist. Seine anschließende Erklärung, dass die deutschen Investitionen ins Ausland die ausländischen Investitionen in Deutschland um rund 130 Milliarden Euro übersteigen, ist - im Hinblick auf die Direktinvestitionen - korrekt.
Die Fakten
Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln (IW) sowie Angaben der Bundesbank ist Böhms Aussage korrekt.
Der im Juni erschienene Bericht des IW, der sich auf OECD-Zahlen stützt, kommt für das Jahr 2022 in Deutschland auf eine negative Bilanz bei den Direktinvestitionen in Höhe von 132 Milliarden Dollar beziehungsweise 125 Milliarden Euro. Diese Zahl sei so hoch wie nie, schreibt das IW. Die von Böhm genannte Zahl liegt in der richtigen Größenordnung, weicht aber um fünf Milliarden Euro ab.
Direktinvestitionen sind nach Definition der Bundesbank "grenzüberschreitende Vermögensanlagen in Unternehmen mit dem Ziel, die Geschäftstätigkeit langfristig und maßgeblich zu beeinflussen". Als maßgeblicher Einfluss gelte, wenn der Geldgeber zehn Prozent oder mehr der Anteile beziehungsweise Stimmrechte am Unternehmen hält.
Was ist eine Direktinvestition?
Ein Beispiel für eine Direktinvestition ins Ausland wäre ein deutsches Industrieunternehmen, das bei einem Zulieferer in Kanada einsteigt, also sich eine Beteiligung an dem ausländischen Unternehmen sichert, um mitentscheiden zu können. Ein Beispiel für eine Direktinvestition nach Deutschland wäre ein US-amerikanischer Investmentfonds, der eine Beteiligung an einem deutschen Unternehmen erwirbt, das mit dem Geld einen Produktionsbereich an seinem Standort hierzulande ausbaut.
Direktinvestitionslücke beträgt 2022 laut Berechnungen 125 Milliarden Euro
Im Jahr 2022 investierten laut IW deutsche Firmen rund 135 Milliarden Euro im Ausland. Dem standen rund zehn Milliarden Euro Investitionen von ausländischen Unternehmen in Deutschland gegenüber. Daraus ergibt sich die Differenz der oben genannten rund 125 Milliarden Euro.
Die Bundesbank kommt für 2022 ebenfalls auf eine Differenz der Direktinvestitionen von rund 125 Milliarden Euro. Sie gibt allerdings 169 Milliarden Euro deutsche Investitionen ins Ausland und 44 Milliarden Euro an ausländischen Direktinvestitionen nach Deutschland an.
Das heißt allerdings nicht, dass 2022 die von Böhm ins Spiel gebrachte Summe weniger investiert wurde als zuvor. Die Abflüsse waren laut IW-Berechnungen in den vergangenen zehn Jahren stets höher als die Zuflüsse - mit Ausnahme des ersten Corona-Pandemiejahres 2020. Zuvor lagen die jährlichen Investitionsabflüsse zwischen rund 25 und 100 Milliarden Euro höher als die Zuflüsse. Die Differenz von Direktinvestitionen nach Deutschland im Vergleich zu den deutschen Investitionen im Ausland ist allerdings laut IW so hoch wie noch nie, wie von Böhm behauptet.
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