Architekt vor unfertigem Haus
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Architekt vor einem Mehrfamilienhaus im Bau (Symbobild)

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Flaute am Bau: Bayerns Betriebe sind zunehmend in Sorge

Der Boom am Bau ist vorbei. Zu schnell sind die Zinsen gestiegen, zu hoch sind die Kosten für Baustoffe. Die Folge: Betriebe gehen pleite, Käufer fürchten hohe Verluste. Auch der Ruf nach Kurzarbeit wird lauter. Dabei ist der Wohnungsmangel enorm.

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Auf der Baustelle der "3 Bau GmbH" in München geht nichts mehr. Eigentlich sollten in der Griegstraße im Münchner Stadtteil Milbertshofen 31 Wohnungen entstehen. Der Rohbau ist fertig. Die schicken hohen Fenster sind auch schon installiert. Doch jetzt sind die Bauarbeiter weg. Nur ein Helm und Handschuhe liegen noch herum.

Nachfrage nach Immobilien stark eingebrochen

Der Bauträger hat Insolvenz angemeldet. Die betroffenen Käufer der Wohnungen bangen um ihr Geld. Wer jetzt eine Immobilie erwerben oder bauen will, wartet ab. Das bestätigt Stephan Kippes, Immobilienexperte und Leiter des Marktforschungsinstituts beim Immobilienverband IVD Süd. Er sagt: "Die stark gestiegenen Hypothekenzinsen sowie Bau- und Energiekosten, die hohe Inflation und die Unsicherheiten infolge des Ukraine-Krieges haben die Nachfrage nach Kaufobjekten stark gebremst."

Die negative Trendwende begann in München bereits im Herbst 2022. In diesem Jahr gingen dann die Preise und die Nachfrage nach Immobilien in allen bayerischen Städten und Regionen zurück. Die Zinsen haben sich in kürzester Zeit vervierfacht. Die Banken sind vorsichtiger geworden bei der Kreditvergabe. Durch die zurückhaltende Nachfrage geraten Bauträger zunehmend in Bedrängnis.

Grafik: Genehmigte Wohnungen in neuen Wohngebäuden

Die Krise spitzt sich weiter zu, analysiert auch das Münchner ifo Institut. Im August 2023 berichtet jedes fünfte Bauunternehmen von abgesagten Projekten. Klaus Wohlrabe, der Immobilienexperte des Instituts, spricht von einem Rekordwert aus den vergangenen 30 Jahren. "Seit 1991 haben wir nichts Vergleichbares beobachtet. Die Verunsicherung im Markt ist riesig. Den Betrieben steht das Wasser bis zum Hals."

Kaum neue Aufträge

Das Zurückfahren der Förderungen im Wohnungsbau und die verschärften Energiesparvorschriften sind neben hohen Zinsen und Kosten für Baumaterial ein zusätzlicher Grund. Zwar sind bei einigen Betrieben die Auftragsbücher noch voll. Doch melden bereits 44 Prozent der Betriebe einen Mangel an weiteren Aufträgen. Denn auch private Hausbauer nehmen angesichts der steigenden Kosten Abstand von Neubauplänen. Das zeigt sich in der Statistik bei den Baubehörden.

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Eine solche Menge an Rückgängen neuer Aufträge und Stornierungen bereits erteilter Aufträge hat das ifo Institut seit Jahrzehnten nicht gezählt.

Am stärksten im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich der Rückgang in Unterfranken mit einem Minus von 56 Prozent. Ähnlich dramatisch ist die Lage in Niederbayern mit einem Minus von 50,5 Prozent. Viel besser sieht es dagegen in Schwaben aus mit nur 8,8 Prozent im Minus. Im Süden des Freistaats wurde also mehr genehmigt als im Norden. Betrachtet man den Zeitraum der vergangenen fünf Jahre, dann ist in ganz Bayern ein Rückgang der Baugenehmigungen um 24,2 Prozent zu sehen. Nur noch 25.000 positive Bescheide der Baubehörden im Freistaat gab es im ersten Halbjahr 2023.

Flaute bei den mittelständischen Bauunternehmen

Das spürt auch das Bayerische Baugewerbe. Andreas Demharter ist Hauptgeschäftsführer beim Bayerischen Landesverband der Bauinnungen. Er vertritt über 3.000 mittelständische Bauunternehmen und beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge: "Anfang des Jahres sah es noch gut aus, aber jetzt haben die Unternehmen kaum noch Folgeaufträge." In Zahlen: minus 36 Prozent bei den Aufträgen im ersten Halbjahr insgesamt. Und beim Bau von Einfamilienhäusern läuft fast nichts mehr. Die Unternehmen versuchen alternativ, öffentliche Aufträge zu ergattern oder gehen in den Tiefbau.

Doch wer das nicht kann, gerät in Schwierigkeiten.

Noch sind bei den ausführenden Firmen und Gewerken keine Insolvenzen gemeldet. Aber die Betriebe sind nervös. Wenn sie in Vorleistung gehen, können sie schnell mit in den Strudel gezogen werden. Es gibt auch keine Entlassungen, aber bereits wieder Anfragen nach Kurzarbeit. "In den nächsten Monaten könnte Personal abgebaut werden, das in den letzten Jahren mühsam aufgebaut wurde", meint Andreas Demharter. Zumal große Herausforderungen auf die Branche warten würden, vor allem was die Energiewende angeht. "Uns fehlen 700.000 Wohnungen bundesweit. Wenn wir jetzt auch noch Personal verlieren, kriegen wir ein echtes Problem."

Die Bundesregierung müsse nachlegen, meint der Experte. Ein Anfang sei zwar gemacht. So ermöglicht der Bund jetzt den Bauträgern, bereits im ersten Jahr sechs Prozent der Kosten abzusetzen. Doch nun brauche es weitere Entlastungen. Auch für private Hausbauer und Familien, die ein Eigenheim anstreben.

Hoffnung auf Wohnungsbaugipfel Ende September

Am 25. September ist der Gipfel zum Wohnungsbau mit dem Bundeskanzler. Da gehe es darum, wieder Sicherheit und Vertrauen in den Markt zu bringen.

Für den Bauträger und Projektentwickler "Euroboden" aus München kommt das zu spät. Im August hat auch dieses Unternehmen Insolvenz angemeldet. Mitten im Boom-Stadtteil Haidhausen in der Franziskanerstraße klafft nun eine riesige Baulücke.

Ein Symbol für die große Krise in der Branche.

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