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Siemens-Beschäftigte protestieren mit Plakaten, Tröten und Trillerpfeifen in Berlin

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Proteste gegen Sparkurs von Siemens

Mit einem Autokorso durch die Berliner Innenstadt und einer Kundgebung demonstrierten etwa 2.500 Siemens-Mitarbeiter gegen die Streichung von mehr als 3.000 Arbeitsplätzen und die Schließung mehrerer Werke. Von Stephan Lina

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Trommeln, Pfeifen, Hupen: Der war am Morgen weder zu überhören noch zu übersehen. An die Spitze eines Autokorsos mit mehreren hundert Fahrzeuges hatten IG Metall und Arbeitnehmervertreter eine Art Karnevalswagen platziert. Er zeigte Konzernchef Joe Kaeser als riesiger Figur, die auf der einen Seite milliardenschwere Gewinne einfährt, auf der anderen Seite aber die Mitarbeiter auspresst und aus dem Unternehmen kegelt.

Schulz wettert - Kaeser keilt zurück

Prominente Unterstützung erhielten die Siemensianer erneut aus der Politik. vor dem Berliner Hotel, in dem sich hunderte Siemens-Betriebsräte zu ihrer jährlichen Tagung trafen, das aktuelle Vorgehen des Unternehmens sei "asozial".

Während ihm dafür der Beifall der Demonstranten sicher war, keilte Konzernchef Joe Kaeser zurück. In einem offenen Brief, der dem Bayerischen Rundfunk vorliegt, warf er der Bundespolitik vor, zumindest eine Teilschuld an der Krise des Kraftwerksgeschäfts zu haben. Diese und damit auch Schulz' SPD sei für eine "in der Sache richtige, aber in Ausführung und Timing höchst unglücklich umgesetzte Energiewende" verantwortlich, nicht das Unternehmen. Siemens argumentiert schon seit einiger Zeit, dass selbst die modernsten Gasturbinen momentan nicht bestellt würden, weil sie für die Betreiber nicht rentabel seien in einem Markt, der von hoch subventioniertem Ökostrom und billiger Kohle geprägt ist. Im Stil eines Duellanten forderte Kaeser den SPD-Chef angesichts dieser Situation auf, die oft genannten Managementfehler bei Siemens konkret zu benennen.

Schlechtes Timing bei Siemens

Arbeitnehmervertreter vermuteten hinter dem offenen Brief den Versuch des Konzerns, in der Öffentlichkeit Boden gut zu machen. In den vergangenen Tagen hatte Siemens nicht immer das beste Timing gezeigt. So weilte der Vorstandschef just an dem Tag in Großbritannien, an dem die Stellenstreichungen verkündete: Kaeser hatte einen Termin mit Königin Elizabeth, wo man in bester Stimmung den Aufbau eines Werks für Windkraftanlagen feierte.

Und während heute die Spannungen einen neuen Höhepunkt erreichten, war die Verantwortliche für die Außenwirkung von Siemens weder in Berlin noch in der Konzernzentrale in München. Statt dessen wurde die Kommunikationschefin des deutschen Industrieriesen entspannt plaudernd bei einem deutlich weniger konfrontativen Termin gesehen: Der Jahrestagung des schweizerischen Verbands der Kommunikationschefs auf dem Novartis-Campus in Basel.

Kampfeslust und Hoffnung

Im Tagungshotel bemühte sich unterdessen Personalchefin Janina Kugel, aus Sicht des Managements noch einmal die Hintergründe des Sparprogramms darzulegen. Dabei wurde noch einmal sichtbar, dass die Stimmung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite derzeit auf Eiseskälte gefallen ist. Teilnehmer des Treffens sagten dem Bayerischen Rundfunk, die mehreren hundert Betriebsräte aus ganz Deutschland hätten den Auftritt Kugels zeitweise mit Schweigen, zeitweise mit Buhrufen und gellenden Pfiffen begleitet.

Vertreter von IG Metall und Betriebsrat wiederholten unterdessen ihre Position, Gespräche mit Siemens überhaupt nicht zu beginnen, so lange die auf dem Tisch liegen. Am Rande der Kundgebungen waren vor allem kampfeslustige Äußerungen zu hören.

Es gab aber auch Töne der Hoffnung. Delegierte aus Sachsen vertraten die Theorie, Siemens habe mit der Ankündigung, Standorte dicht zu machen, eine Maximalforderung in den Raum gestellt. Aus dieser Situation werde der Konzern nun pokern, um dann am Ende die Werke möglicherweise doch zu erhalten. Ein Verlust dieser Standorte sei schwer zu verschmerzen, gerade in der strukturschwachen Region um Görlitz, wo mehr als 700 Jobs auf der Kippe stehen.