Wenn sich Annerose Dirnberger in ihrem Traditionshaus umsieht, könnte sie auf den ersten Blick zufrieden sein: In vielen Gängen stöbern Kunden, an der Kasse hat sich eine kleine Schlange gebildet. In den Regalen hängen Blusen neben Töpfen und Tellern, unterm Dach ist die Spielwaren-Abteilung untergebracht, dazu Schreibwaren, Stoffe und mehr.
Seit fast 20 Jahren leitet Dirnberger das Kaufhaus Unterforsthuber mitten in Traunstein, seit 44 Jahren ist sie im Betrieb. Anfang des Jahres hätten die Chefin und ihr Team nach der schwierigen Corona-Zeit eigentlich wieder voll durchstarten wollen, richtige Euphorie sei da zu spüren gewesen, schwärmt sie.
Doch dann marschierte Russland in der Ukraine ein - mit all den Folgen auch für Unternehmerinnen und Verbraucher hierzulande. "Die Stimmung hat sich wieder ein bisschen eingetrübt", sagt Dirnberger.
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Einkäufe werden verschoben oder gleich ganz gestrichen
Das Kaufhaus Unterforsthuber könnte in dieser Geschichte auch ein Supermarkt, ein Modehaus oder ein Elektrogeschäft sein. Denn das Bild wiederholt sich: Überall steigen die Preise, die Kundinnen und Kunden kaufen bevorzugt günstiger ein - oder halten sich bei größeren Ausgaben gleich ganz zurück. "Man weiß nicht, wie lange die Leute das noch mitmachen wollen", sagt Dirnberger, "und wie lange sie das auch können".
Bereits jetzt hat die Verbraucherstimmung ein historisches Allzeittief erreicht, wie kürzlich die regelmäßige Umfrage des Handelsverbands ergab. Im Juli lag die Inflationsrate bei 7,5 Prozent. Und weil niemand absehen kann, wie teuer Strom und Gas noch werden, legen viele Menschen ihr Geld lieber erst einmal auf die Seite und nicht in die Kassen der Händler.
Handelsverband: Pleiten und Leerstand möglich
Von "einem dicken Strich durch die Rechnung" spricht Bernd Ohlmann, wenn man ihn nach dem Ukraine-Krieg fragt. Ohlmann ist Geschäftsführer des Handelsverbands in Bayern, auf seinem Schreibtisch landen die Befürchtungen vieler Kolleginnen und Kollegen.
Zum Beispiel von denen, die nur dank staatlicher Hilfen durch die Corona-Zeit gekommen waren. Eine Pleitewelle blieb damals aus. Und jetzt? "Es kann schon sein, dass einige kleine, inhabergeführte Betriebe Ende des Jahres aufgeben müssen", sagt Ohlmann. Eine Welle sehe er zwar nicht kommen, wohl aber die Gefahr von mehr Leerstand in den Innenstädten. Die Hoffnung sei, dass durch ein einigermaßen gutes Weihnachtsgeschäft "viele Betriebe vielleicht noch mit einem blauen Auge davonkommen".
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Einzelhandel erwartet 2022 deutliches Umsatzminus
Der bayerische Einzelhandel erwartet laut aktueller Sommerumfrage für dieses Jahr ein reales Umsatzminus von 1,5 bis zwei Prozent. Ohne die Inflation würde hingegen wohl ein Plus von drei Prozent unter dem Strich stehen.
Auch das Online-Geschäft wächst voraussichtlich nicht mehr so deutlich wie in den beiden Corona-Jahren. Nach 23 Prozent (2020) und 17 Prozent (2021) rechnet der Handelsverband für 2022 mit einem Plus von zwölf Prozent für Bayern.
Einzelhändler bleiben zum Teil auf den Kosten sitzen
Dabei sind solche Prognosen mit vielen Fragezeichen versehen: Wie entwickeln sich die Einkaufspreise? Wo könnten Lieferketten gestört werden? Um wie viel verteuert sich Gas? Nicht alle Kosten können und wollen die Händler auch an die Verbraucher weitergeben – beispielsweise Transportkosten.
Annerose Dirnberger profitiert mit ihrem Kaufhaus derzeit noch von langfristigen Energieverträgen, doch auch bei ihr werden die Preissteigerungen im nächsten Jahr voll durchschlagen. Trotzdem will sie von Pessimismus nichts wissen. Ein Kaufhaus werde immer gebraucht, sagt sie. "Wir haben für jeden Geldbeutel das passende Sortiment." Gerade vergrößert sie deshalb die 2.000-Quadratmeter-Verkaufsfläche sogar noch einmal um weitere 120 Quadratmeter.
Nur eines wolle sie sich und ihren Kunden auf keinen Fall noch einmal zumuten müssen: wochenlange Lockdowns wie in den vergangenen beiden Jahren.
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