Wenn die Lunge rasselt, ist es für Ärzte nicht ganz einfach festzustellen, unter welcher Lungenkrankheit die Patientin oder der Patient leidet. Der Weg zur eindeutigen Diagnose ist lang.
Der Lungenfunktionstest als Anhaltspunkt
Der erste Schritt ist normalerweise, Patienten zu früheren Krankheiten, zu Asthma in der Familie oder zum Lebensstil - rauchen ja oder nein - zu befragen. Dann folgt ein sogenannter Lungenfunktionstest, bei dem Patienten immer wieder kräftig in ein Röhrchen pusten müssen. Fällt das Ausatmen schwer, kann es sich um eine chronische Bronchitis oder auch um Asthma handeln.
Ärzte provozieren einen Asthmaanfall
Das Problem bei der Diagnose: Ärzte müssen ihre Patienten belastenden Situationen aussetzen, um Asthma feststellen zu können. Patienten bewegen sich beispielsweise bei kalter Luft auf einem Laufband. Wer Asthmatiker ist, kommt dadurch schnell in Atemnot. Erwachsene machen meist auch einen Provokationstest. Das heißt, sie müssen Histamin einatmen - einen Botenstoff, der bei Asthmatikern die Schleimhäute anschwellen lässt und zu Atemnot führt. Das ist eine belastende Prozedur für die Patienten. Für kleine Kinder oder Säuglinge sind viele Tests ungeeignet.
Ein schonender Schnelltest zur Asthmadiagnose wäre wünschenswert
Bisher lässt sich im Blut eines Patienten feststellen, ob er Allergien hat. Solche Allergien können allergisches Asthma auslösen. Aber nicht jeder, der Allergien hat und hustet, leidet gleich an Asthma. Ideal wäre also ein Test, der zu einem eindeutigen Ergebnis kommt.
Immunzellen im Blut bewegen sich je nach Erkrankung verschieden
Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Zelltechnologie in Lübeck konzentrieren sich auf die Immunzellen im Blut. Denn: Schon länger ist bekannt, dass sich bestimmte Immunzellen unterschiedlich bewegen - je nachdem, ob jemand krank ist oder nicht. Unterm Mikroskop lassen sich bis zu 3.000 Zellen gleichzeitig in drei Dimensionen beobachten.
"Das ist der eigentliche Clou: Wir können die Zellen in 3D verfolgen und diese 3D-Pfade enthalten sehr viel mehr Information und auch die natürlicheren, echteren Informationen - so wie die Zellen sich wirklich im Körper bewegen im Vergleich zu irgendwelchen anderen Verfahren, die nur zwei Dimensionen aufzeichnen." Daniel Rapoport, Abteilungsleiter Zelltechnologie an der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik
Mit dem sogenannten holografischen Mikroskop lassen sich die Bewegungen der Immunzellen genau verfolgen.
Immunzellen von Asthmatiker bewegen sich auffallend langsam
Die Forscher brauchen etwa einen Milliliter Blut in einer Petrischale. Die Blutzellen schwimmen aber nicht einfach so in der Schale, sondern werden in eine gelartige Masse eingebettet, weil sie sich dann in alle Richtungen bewegen können.
Diese Dynamik speichert ein Computer. Dann kommt eine künstliche Intelligenz ins Spiel, die sämtliche Bewegungen der Zellen auswertet und eigenständig Schlüsse zieht.
"Wir zeigen exemplarisch normales Blut und Blut von Asthmatikern und dann muss die KI selbst Merkmale lernen anhand derer sich dies Samples am signifikantesten voneinander unterscheiden lassen. Dann kann man auch auf unbekannte Samples gucken und die entlang dieser Merkmalsdimensionen einordnen." Daniel Rapoport, Abteilungsleiter Zelltechnologie an der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik
Die KI erkennt beispielsweise, dass Immunzellen von Asthmatikern langsamer zu einem künstlich erzeugten Entzündungsherd wandern, als Immunzellen von Gesunden. Innerhalb von 90 Minuten kann sie einschätzen, ob die Zellen, die sie beobachtet, von einem Asthmatiker stammen oder nicht.
Die künstliche Intelligenz soll verschiedene Asthmaformen kennenlernen
Jetzt soll die Methode verfeinert werden: Die KI wird noch viele weitere Blutproben analysieren, um künftig vielleicht auch unterschiedliche Formen wie allergisches Asthma oder Anstrengungsasthma zuordnen zu können. Und sie sollte damit klar kommen, dass die Krankheit bei jedem Patienten ein wenig anders verläuft.
"Die Frage ist, ob der schnelle Bluttest nur für bestimmte Asthmapatienten besonders vorhersagekräftig ist oder für alle. Um das einschätzen zu können, brauchen wir jetzt größere Fallzahlen." Erika von Mutius, Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz an der LMU München
Das Ziel ist, mit Hilfe der künstlichen Intelligenz sämtliche Spielarten des Asthmas aufzuspüren. Denn dann fällt es leichter, für jede Patientin und jeden Patienten einen individuell passenden Behandlungsplan zu entwickeln.