Vor etwa 40 Millionen Jahren, im Mittleren Eozän, herrschte auch hier in Europa ein tropisches Klima, das sich bis in die höheren Breitengrade zog. Es war warm und feucht, Korallenriffe konnten sich bis weit in den Norden ausbreiten - bis etwa zum 45. Breitengrad, also auf der Höhe von Südfrankreich.
Versteinerte Überbleibsel von ihnen lagern als Fossilien unter anderem in der Geologisch-Paläontologischen Sammlung der Universität Leipzig. Sie stammen aus dem Pariser Becken, einer Meeresbucht, die vor langer Zeit bis in den Nordosten Frankreichs hineinreichte.
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Korallen als Klimaarchive aus dem Eozän
Einige dieser Korallen sind allerdings nicht versteinert, wie Geologe Thomas Brachert vom Institut für Geophysik und Geologie der Universität Leipzig und sein Team herausfanden. Gemeinsam mit Forschenden der Universitäten Bremen und Greifswald und der Hochschule LaSalle in Beauvais analysierten sie diese Riffkorallen, die sich dem Versteinerungsprozess entziehen konnten. Ihre Entdeckung: Sie sind wie kleine Klimaarchive. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt Science Advances veröffentlicht.
"Ein Korallenskelett wächst jedes Jahr ähnlich wie ein Baum," erklärt Geologe Brachert. "Das Besondere daran ist aber, dass quasi im Skelett mehrere Hundert bis zu Tausend Jahre Klimageschichte archiviert sind."
Analyse von Temperaturunterschied im Meerwasser
Mit geochemischen Methoden wurden die Proben der Korallenskelette untersucht. So konnten die Geologen herausfinden, welche Temperatur das Wasser damals hatte, in dem die Korallen lebten. Heute weist das Wasser einen Temperaturunterschied von etwa 15 Grad Celsius in den Jahreszeiten auf. Es ist im Winter also eher kalt, im Sommer wesentlich wärmer.
Vor 40 Millionen Jahren war das anders; der Unterschied war nur etwa halb so groß. Das zeigt das Verhältnis der Sauerstoffisotope in den Proben. Zwar seien diese Ergebnisse zu erwarten gewesen, aber so gut gemessen werden konnte das bisher nicht. In den globalen Warmzeiten gab es demnach nur sehr kleine, jahreszeitliche Unterschiede, so Brachert.
Ergebnisse hilfreich für Klimamodelle
Die Ergebnisse helfen aber nicht nur, das Klima in der Vergangenheit zu verstehen. Auch für künftige Klimamodelle könnten sie hilfreich sein. "Unsere neuen Erkenntnisse über extreme Warmzeiten können wir als Vergleichsbeispiel für die Zukunft nehmen. Unsere heutigen Computermodellierungen gehen von Annahmen aus, die nicht notwendigerweise alle richtig sind. Auf der Grundlage unserer Daten können wir Abschätzungen vornehmen, inwieweit diese Modelle dienliche Ergebnisse liefern," so Brachert.
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Auch damals schon Symbiose zwischen Korallen und Algen
Die Geologen fanden aber nicht nur Aspekte über die klimatischen Bedingungen vor Millionen von Jahren heraus, sondern auch etwas über die Ernährung der Korallen. Mit der Analyse der Kohlenstoffisotope wiesen sie nach, dass Korallen schon damals in einer Art Symbiose mit einzelligen Algen, sogenannten Zooxanthellen, lebten.
Das funktioniert so, dass die Algen den bei der Photosynthese entstandenen Zucker an die Koralle abgeben. Die Koralle verdaut den Zucker und gibt dadurch wiederum wichtige Nährstoffe für die Photosynthese an die Alge zurück. Wird das Meerwasser allerdings zu warm, passiert das, was man heute weltweit beobachten kann: Korallenbleiche. Die Korallen stoßen die Algen ab und verhungern dadurch. Auch das konnten die Forschenden mit ihrer Analyse feststellen: Für Korallenbleiche anfällig waren die Riffkorallen schon damals. Anscheinend waren sie auch wiederholt davon betroffen.
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