Auch in Deutschland nimmt die Zahl der Vegetarier und Veganer weiterhin zu. Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse stieg die Zahl der Vegetarier in Deutschland 2020 um etwa 400.000 auf insgesamt 6,5 Millionen Menschen. Vor allem Junge sehen im Fleischverzicht auch ein politisches Statement. Drei Viertel der jungen Menschen in Deutschland lehnen die heutige Fleischproduktion ab.
Vielfalt für Vegetarier auf dem Grill
Doch jetzt, wo die Temperaturen steigen, der Sommer endlich da ist, stellt sich dann die nächste Frage: Was kommt bei Vegetariern eigentlich auf den Grill? Hier kann man natürlich kreativ mit Gemüse werden. Der Markt entwickelt sich aber weiter und das Sortiment an vegetarischen Würstchen und Burgern wird immer größer. Doch dafür muss bislang meist tiefer in die Tasche gegriffen werden als bei herkömmlichen Fleischprodukten.
Grillfleisch-Angebote in Deutschland untersucht
Das fand der WWF in einer Analyse heraus: Zwischen Ende April und Ende Mai 2021 untersuchte die Umweltorganisation insgesamt 922 Grillfleisch-Angebote in den Werbeprospekten acht deutscher Supermarktketten. Dabei fokussierten sich die Analysten auf rabattierte Angebote sowohl von Fleisch als auch Fleischersatz-Produkten im Einzelhandel.
Vegetarische Ersatzprodukte doppelt so teuer
Das Ergebnis: Steaks oder Würstchen vom Schwein kamen im Angebot auf einen Durchschnittspreis von 6,36 Euro pro Kilo, Geflügel auf 5,67 Euro pro Kilo. Für die vegetarischen Alternativen wie Tofuwürstchen oder Sojaburger mussten satte 13,79 Euro pro Kilo hingelegt werden. Selbst im Angebot ist das mehr als doppelt so viel. Insgesamt waren 85 Prozent des rabattierten Grillfleisches billiger als die pflanzlichen Alternativen - und sie wurden bis zu 30 mal häufiger in den Prospekten beworben.
Konsumenten greifen zu günstigerem Fleisch
Daher mahnt der WWF an, dass der extreme Preisunterschied dazu führe, dass die Menschen weiterhin vermehrt zu Fleisch greifen - aus Kostengründen. Tanja Dräger de Teran, Ernährungsreferentin beim WWF, fordert, dass nachhaltige Ernährung aber keine soziale Frage sein sollte.
"Wir müssen dahin kommen, dass die einfache Wahl die gute, gesunde und nachhaltige Wahl ist. Und davon sind wir noch weit entfernt." Ernährungsreferentin Tanja Dräger de Teran, WWF
Ein weiteres Problem sieht der WWF darin, dass nur zwei Prozent der analysierten Fleisch-Produkte Bioqualität aufwiesen. Bei vielen gab es gar keine Hinweise auf die Herkunft.
Billigfleisch fördert Importe und zerstört Lebensräume
"Mit Billigfleisch wird der Amazonas verramscht", meint Dräger de Teran. Denn die Massenproduktion, die die billige Herstellung des Fleischs ermöglicht, geht nicht nur auf Lasten der Tiere, sondern auch auf der der Umwelt. Futtermittel wie Soja muss aus Südamerika importiert werden. Laut Dräger de Teran werden 96 Prozent der Soja-Anbaufläche für Tierfutter genutzt, nur vier Prozent für pflanzliche Lebensmittel. Und das wiederum heize das Klima an und zerstöre wertvolle Lebensräume.
Massentierhaltung schlecht fürs Klima
Aber nicht nur der Import schadet dem Klima. Auch die Intensivtierhaltung der Nutztiere fördert die Emissionen klimaschädlicher Gase wie Methan. Wiederkäuer wie Kühe setzen es bei der Verdauung frei. Zusätzlich betont das Umweltbundesamt (UBA), dass auch Lachgas-Emissionen und Nährstoffüberschüsse als Folge von Güllelagerung und -ausbringung schädlich seien - ebenso wie genutzte Antibiotika, die in die Umwelt gelangen. Da müsse sowohl beim Konsum als auch bei Maßnahmen in der Haltung angesetzt werden, meint Almut Jering vom UBA. Vorstellbar wären Filter in den Stallanlagen oder die energetische Nutzung von Wirtschaftsdünger.
Ersatzprodukte durch Verarbeitung teurer
Aber warum sind die Fleischersatz-Produkte eigentlich so viel teurer? "Der Fleischmarkt hat einen unglaublichen Wettbewerbsvorteil, weil da die Strukturen schon etabliert sind. Da kann auf ganz anderem Niveau produziert werden, effizient und strukturell zu sehr günstigen Preisen", meint Antje Risius, Ernährungforscherin an der Universität Göttingen. Fleisch sei am Markt etabliert, Ersatzprodukte eher die "Newcomer". Oft stecken sie noch in der Entwicklungsphase, brauchen daher viel und hohe Investitionen. Zudem seien sie öfter stark verarbeitet, das heißt, es werden mehr Schritte zur Verarbeitung benötigt, die dann wiederum teurer sind.
Teilweise Gemüse teurer als Fleisch
Ähnliches lässt sich beispielsweise auch bei Gemüse beobachten. Auf Grund des Produktionsprozesses und der Saisonalität kann es schon mal vorkommen, dass unverarbeitetes Gemüse teurer ist als Fleisch. Etwa 70 Prozent müssten importiert werden, erklärt Dräger de Teran. Hinzu kommt viel Handarbeit und mehr Zeit. Zum Vergleich: Die Mastzeit für ein Grillhähnchen dauert 30 Tage, ein Brokkoli braucht von der Aussaat bis zur Ernte 90 Tage.
Appell an Politik, Wirtschaft und Handel
Der WWF appelliert aber nicht nur an die Konsumenten, die trotz teilweise höherer Preise immer häufiger zu pflanzlichen Alternativen greifen - gerade auch bei Milch - sondern auch an die Politik. So fordert er von der nächsten Bundesregierung eine an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Lenkungssteuer auf tierische Lebensmittel, die Produkte aus ökologischer Landwirtschaft weniger belastet.
Zusätzlich nimmt der WWF auch den Handel in die Pflicht: Fleisch und Wurstwaren sollten gar nicht mehr rabattiert werden, außer sie stünden kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums.
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