Natürlicher (links) und synthetischer (rechts) Mäuse-Embryo nebeneinander, um Hirn- und Herzregion vergleichen zu können.
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Forschenden gelang es, einen künstlichen Mäuse-Embryo aus Stammzellen zu erzeugen (rechts, im Vergleich zu echtem Mäuse-Embryo links).

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Künstliche Mäuse-Embryos nur aus Stammzellen

Künstliche Mäuse-Embryos nur aus Stammzellen

Es könnte ein wichtiger Schritt hin zu weniger Tierversuchen und künstlichen Organen sein: Einem Forschenden-Team ist es gelungen, synthetische Mäuse-Embryos ganz ohne Eizelle, Sperma und Gebärmutter zu züchten. Zumindest bis zum Alter von 8,5 Tagen.

Über dieses Thema berichtet: Aus Wissenschaft und Technik am .

Lebende Mäuse werden aus den künstlich hergestellten Embryos nicht entstehen. Das ist auch nicht das Ziel von Magdalena Zernicka-Goetz und ihren Kollegen vom California Institute for Technology und der Universität Cambridge. Im Labor haben sie es geschafft, aus drei verschiedenen Arten von Stammzellen, die alle aus Mäusen stammen, synthetische Embryos zu züchten. Ein gewaltiger Fortschritt für viele Wissenschaftler, denn all das passierte ohne Eizelle, Sperma oder Gebärmutter.

Die Ergebnisse lassen die Debatte über synthetische menschliche Embryos aufflammen. Denn laut Jesse Veenvliet, Genetiker am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, "ist die Frage nicht ob, sondern wann die Übertragung dieser Erkenntnisse mit Mausstammzellen auf menschliche Stammzellen erfolgen wird." Aber der Reihe nach.

Entwicklung der künstlichen Embryos mit Gehirnregionen, Herz und Darm

Stammzellbiologin Zernicka-Goetz und ihr Team haben es geschafft, aus Stammzellen künstliche Mäuse-Embryos im Labor zu züchten. Damit können die frühesten Stadien der natürlichen Entwicklung von Embryonen nachvollzogen werden. Denn bei Säugetieren lässt sich das kaum beobachten, sobald sich ein Embryo in die Gebärmutter eingenistet hat.

In der im Fachmagazin Nature erschienenen Studie hat das ohne Gebärmutter geklappt - und zwar vergleichbar bis zum 8,5. Tag nach der Befruchtung bei natürlichen Embryonen. Das entspricht fast der Hälfte der Schwangerschaft bei Nagern, die 19 bis 20 Tage dauert. Danach stellten die synthetischen Embryonen ihre Entwicklung ein.

Das ist dennoch bemerkenswert, da der Fortschritt bis zur Phase der Gastrulation gelang - der Organbildung. Es bildeten sich alle Gehirnregionen, das Neuralrohr (aus dem sich später Gehirn und Rückenmark entwickeln würden), ein schlagendes Herz und der Darm aus. Das Stadium entspricht bei einer menschlichen Schwangerschaft dem ersten Schwangerschaftsdrittel.

"Bis zu diesem Zeitpunkt konnten sich die synthetischen Embryonen weitestgehend normal entwickeln und waren von normalen Mausembryonen kaum zu unterscheiden." Malte Spielmann, Direktor des Instituts für Humangenetik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel und Lübeck

Nach der Gastrulation würde die sogenannte Organogenese folgen, die bei Mäuse-Embryos an Tag 13,5 abgeschlossen ist und eine große Herausforderung für die Wissenschaft darstellt. Dabei entwickeln sich alle weiteren Organe. Bisher ist es nicht möglich, künstliche Embryos über den kritischen Moment von 8,5 Tagen hinaus bis zu diesem Stadium wachsen zu lassen.

Zwei Forschenden-Teams mit gemeinsamem Ziel

Die Biologen aus den USA und England haben dabei eng mit einem Team israelischer Wissenschaftler um Jacob Hanna zusammengearbeitet, deren Studie einige Wochen zuvor im Fachmagazin Cell publiziert wurde. Sie haben ähnliche Ergebnisse erzielt, konnten ebenfalls die künstlichen Embryos bis zu Tag 8,5 erhalten. Sie haben die Embryos in einem Bioreaktor entwickelt, den jetzt auch Zernicka-Goetz und ihre Kollegen genutzt haben. Beide Studien hatten zum Ziel, zu zeigen, dass sich künstliche Embryos allein aus Stammzellen und bis in die mittlere Schwangerschaft entwickeln können.

Vergangenes Jahr war es dem israelischen Biologen Hanna und seinem Team bereits gelungen, Mäuse-Embryonen außerhalb des Körpers bis zu Tag 11,5 am Leben zu halten - allerdings in einer künstlichen Gebärmutter. Auf dieser Studie basieren die beiden neueren Forschungsprojekte.

Weniger Tierversuche, mehr Spenderorgane

Für die Wissenschaft sind die Ergebnisse für die weitere Forschung in der Stammzellbiologie sehr wichtig. Zum einen wird so ermöglicht, die Entstehung und Entwicklung von Embryonen genau zu verfolgen und besser zu verstehen, was sonst in diesem frühen Stadium kaum möglich ist. Es lassen sich gezielt einzelne Gene ausschalten, um Entwicklungsstörungen oder Störungen der Organbildung bei Säugetieren zu untersuchen.

"Um komplexere Organe oder einen ganzen Embryo zu untersuchen, waren bisher stets Tierversuche notwendig," so Malte Spielmann vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Da der gesellschaftliche Druck auf die Wissenschaft hinsichtlich Tierversuchen steigt, könnten synthetische Embryos die Möglichkeit bieten, ganz auf diese zu verzichten.

Zum anderen liegt die Überlegung nahe: Wenn man es schaffen kann, künstliche Mäuse-Embryos zu züchten, funktioniert das dann auch mit menschlichen Embryos? Denn daraus könnten wiederum künstliche Organe entwickelt werden, die potentiell für die Organspende eingesetzt werden könnten. 2021 warteten über 8.700 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan - dem gegenüber standen 933 Organspendende. Humangenetiker Malte Spielmann weist darauf hin, dass das Potential für künstliche Organe allerdings erst voll ausgeschöpft werden könnte, wenn in synthetischen Embryonen alle Organe voll gebildet werden können. Das ist bisher nicht der Fall.

Was haben die Mäuse mit menschlichen Embryos zu tun?

Um künstliche Organe zu züchten, ist es allerdings noch ein weiter Weg, denn die Methode müsste dafür erst für menschliche Embryos etabliert werden. Ob das wissenschaftlich möglich ist, steht noch aus, ist aber Forschungsziel der Zellbiologen. Auch rechtlich ist das nicht so einfach, denn dem gegenüber steht die internationale 14-Tage-Regel. Sie besagt, dass durch künstliche Befruchtung gewonnene menschliche Embryonen nicht länger als bis zum 14. Tag ihrer Entwicklung im Labor gezüchtet werden dürfen. Die International Society for Stem Cell Research (ISSCR) empfiehlt allerdings schon seit Mai 2021, diese Regelung zu lockern. In Deutschland hingegen verbietet das Embryonenschutzgesetz, überhaupt in Deutschland entstandene Embryonen für Forschungszwecke zu nutzen.

Ob synthetische, also im Labor gezüchtete menschliche Embryos unter diese Regelung fallen würden - sollte es sie denn geben - steht weltweit noch nicht fest. Dafür gibt es keine klaren Regeln. Zellbiologe Jesse Veenvliet ist sich allerdings sicher, "dass es einen Wettlauf um die Herstellung der ersten menschlichen Strukturen geben wird". Künftig wird es wohl davon abhängen, wie sehr synthetische den menschlichen Embryonen ähneln und damit als menschliche Embryonen eingestuft werden. Und natürlich spielt auch der ethische Rahmen eine Rolle. Um unethische Experimente zu verhindern, ist es laut ISSCR verboten, menschliche Embryonen in eine Gebärmutter einzusetzen. Die Mäuse-Experimente zeigen aber nun, dass es nicht zwingend eine Gebärmutter braucht, um Embryonen zu züchten.

Claudia Wiesemann, Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen fordert, dass auch in Deutschland die Forschung an frühen menschlichen Embryonen in der Petrischale erlaubt werden sollte. Das würde sich beispielsweise für Paare anbieten, die eine In-Vitro-Befruchtung anstrebten, deren Kinderwunschbehandlung aber abgeschlossen ist. Sie könnten die Embryonen der Wissenschaft spenden. Denn das hätte laut Wiesemann einen großen Nutzen: "Die Forschung könnte etwa dazu beitragen, die Ursachen von Unfruchtbarkeit oder die Entstehung von genetischen Mutationen besser zu verstehen."

Effizienz der künstlichen Embryonen noch nicht ausgereift

Zwar bedeuten die zwei Studien einen großen Durchbruch für viele Wissenschaftler. Ein weiter Weg liegt aber dennoch vor ihnen. Denn momentan entwickeln sich nur sehr wenige der aus Stammzellen gewonnenen Embryonen überhaupt bis zu Tag 8,5. In der Studie von Zernicka-Goetz waren es ein bis zwei Prozent, bei Jacob Hanna sogar nur 0,1 bis 0,5 Prozent der Embryonen. Deshalb rät Jesse Veenvliet dazu, erst das "Maussystem" zu verbessern, damit die Ergebnisse reproduzierbar werden: "Die entstehenden Gebilde weisen deutlich sichtbare Defekte auf und überleben nicht über frühe Stadien der Organogenese hinaus." Denn zwar mögen sie wie Embryonen einer Maus aussehen, aber sie haben "kein organismisches Potenzial: Sie können nicht zu einer Lebendgeburt führen."

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