COVID-19 Virus mit Europakarte
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Die europäischen Länder sollten nach Ansicht von Wissenschaftlern gemeinsam dafür sorgen, die Covid-19-Zahlen zu senken.

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Forscher fordern: Europa gemeinsam gegen das Coronavirus

Dauerhaft niedrige Covid-19-Fallzahlen sollten das gemeinsame Ziel der europäischen Länder sein, fordern Wissenschaftler in einer gemeinsamen Erklärung. Dies sei für alle von Vorteil und würde erlauben, Eindämmungsmaßnahmen wieder zu lockern.

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Die Covid-19-Pandemie hat alle Länder Europas getroffen. Eine gemeinsame Vision für den Umgang sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ein Positionspapier in der Fachzeitschrift Lancet unterzeichnet haben, jedoch nicht. Sie fordern daher eine starke und koordinierte europäische Antwort mit klar definierten mittel- und langfristigen Zielen. Niedrige Fallzahlen sein erwiesenermaßen nicht nur für die öffentliche Gesundheit, sondern auch für die Gesellschaften und Volkswirtschaften nützlich. Wenn die Pandemie wieder unter Kontrolle ist, seien auch wieder Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie möglich. Impfstoffe werden zwar helfen, das Virus Sars-CoV-2 unter Kontrolle zu bringen. Das werde allerdings nicht vor Ende 2021 der Fall sein.

Höchstens sieben neue Corona-Fälle am Tag

Maximal sieben neue COVID-19-Fälle auf 100.000 Einwohner pro Woche geben die Unterzeichner in ihrem Positionspapier als erstrebenswertes Ziel an. Angesichts der aktuellen Infektionszahlen in Europa mag das nahezu utopisch erscheinen. Doch in vielen Ländern sei dieses Ziel schon erreicht und auch in ganz Europa bis spätestens zum Frühjahr wieder erreichbar. Angesichts offener Grenzen könne es jedoch keinem Land allein gelingen, die Infektionszahlen niedrig zu halten. Gemeinsame Ziele und gemeinsames Handeln seien daher essentiell.

Gründe für niedrige Covid-19-Fallzahlen

Mehrere Gründe sprechen für die Autorinnen und Autoren um Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen dafür, niedrige Fallzahlen anzustreben.

  • Bei niedrigen Fallzahlen müssen weniger Menschen aufgrund eines schweren Verlaufs sterben oder mögliche Langzeitfolgen in Kauf nehmen. Zudem bleiben medizinische Ressourcen erhalten, um andere Krankheiten zu behandeln.
  • Eine stark reduzierte Verbreitung des Virus erlaubt eine rasche Erholung der Volkswirtschaft. Das zeigen beispielsweise China und Australien.
  • Bei niedrigen Fallzahlen ist die Ausbreitung effektiver zu kontrollieren. Das sorgt für eine niedrigere Dunkelziffer und würde erlauben, Schulen und Betriebe offen zu halten.
  • Kontaktverfolgung und Quarantäne sind bei niedrigen Fallzahlen wieder möglich. Bei hohen Fallzahlen muss sich hingegen eine große Zahl an Menschen isolieren und fällt als Arbeitskraft aus.
  • Niedrigen Fallzahlen geben den politischen Entscheidungsträgern mehr Planbarkeit. Sie müssen nicht plötzlich und möglicherweise überhastet Änderungen der geltenden Regelungen beschließen, die wirtschaftlichen Schaden anrichten und die Bevölkerung verunsichern können.

Darauf zu warten, dass die Bevölkerung auf natürlichem Wege eine Immunität erwirbt, sei hingegen keine Option: Dagegen spräche unter anderem die Zahl der Covid-19-Toten, die durch die Übersterblichkeit, also die höhere Zahl an Todesfällen, belegt sei. Zudem sei nicht bekannt, wie lange eine erworbene Immunität anhält. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten auch untersucht, ob es möglicherweise Vorteile hätte, hohe Fallzahlen zu akzeptieren. Gefunden haben sie jedoch keine. Im Gegenteil betont Viola Priesemann, dass niedrige Fallzahlen mehr Freiheiten in der Pandemie bedeuten würden.

Vorschläge zum Umgang mit der Coronavirus-Pandemie

Die Wissenschaftler, darunter der Virologe Christian Drosten, die Virologinnen Sandra Ciesek und Isabella Eckerle sowie Clemens Fuest vom ifo-Institut, schlagen drei Kernelemente für eine gesamteuropäische Strategie im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie vor:

  1. Rasch niedrige Fallzahlen erreichen. Tiefgreifende Interventionen sind notwendige und effiziente Mittel, um die Fallzahlen schnell zu reduzieren. Die Bemühungen um niedrige Fallzahlen sollten in allen europäischen Ländern synchronisiert sein und so schnell wie möglich beginnen. Sonst könnten importierte Infektionen aus Nachbarländern Erfolge bei der Pandemiebekämpfung im eigenen Land zunichtemachen.
  2. Fallzahlen niedrig halten. Bei niedrigen Fallzahlen könnten Beschränkungen gelockert werden. Notwendig ist aber eine sorgfältige Überwachung der Fallzahlen durch Tests und Kontaktverfolgung. Eindämmungsmaßnahmen wie das Tragen von Masken, erhöhte Hygiene und eine moderate Kontaktreduzierung sollten fortgesetzt, lokale Ausbrüche schnell rigoros eingedämmt werden, möglicherweise auch durch regionale Absperrungen.
  3. Eine gemeinsame, langfristige Vision entwickeln. Auf europäischer Ziele müssten gemeinsame Ziele im Umgang mit der Covid-19-Pandemie entwickelt werden, aber auch regionale und nationale Aktionspläne, abgestuft nach der Zahl der COVID-19-Fälle. Gleiches gilt auch für Impfungen, zum Schutz von Risikogruppen und zur Unterstützung derer, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind.

Letztlich sei es entscheidend, klar zu kommunizieren, dass niedrige Fallzahlen das Ziel sind und welche Vorteile dies hat. So ließe sich die Mitwirkung der Öffentlichkeit sichern, denn der Erfolg aller Maßnahmen hängt entscheidend von der Kooperation und Beteiligung der Bevölkerung ab. Der Blick der Forscher in die Zukunft ist optimistisch, denn die Kontrolle von COVID-19 werde einfacher: In naher Zukunft werden eine steigende Immunisierung, mehr Tests und ein verbessertes Verständnis der Eindämmungsstrategien die Kontrolle der Pandemie weiter erleichtern.

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