In Deutschland gilt die Entscheidungslösung: Zu Lebzeiten muss die oder der Verstorbene aktiv ihr oder sein Einverständnis erklärt haben, dass nach dem Tod Organe entnommen werden dürfen. Der Wille wird mithilfe des Organspendeausweises dokumentiert, in einer Patientenverfügung oder über das Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende, welches am 18. März 2024 seinen Betrieb schrittweise aufgenommen hat. Tritt bei einem Patienten der Hirntod ein und es liegt kein Nachweis der Spendebereitschaft vor, müssen Angehörige die schwierige Entscheidung fällen.
In vielen Ländern ist die Organspende anders geregelt als in Deutschland: So gilt etwa in Spanien, Frankreich, Italien, Irland und Österreich die sogenannte "Widerspruchslösung": Danach ist jeder Mensch nach seinem Tod automatisch potenzieller Organspender, falls die oder der Betreffende dies nicht zu Lebzeiten aktiv ausgeschlossen hat. Deshalb ist in Deutschland die Rate der Organspenden so niedrig.
Neues Organspenderegister
Seit dem 18. März kann man sich auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Organspender registrieren lassen. Notwendig dafür ist ein Personalausweis mit Onlinefunktion und PIN. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob ihr Ausweis über diese Funktion verfügt, können Sie sich beim Bundesministerium des Inneren und für Heimat schlau machen. Im Organspenderegister macht man die gleichen Angaben, die auch auf dem Organspendeausweis stehen. Nur das Feld für die freie Angabe von besonderen Anmerkungen fällt weg. Prof. Dr. Felix Braun, Geschäftsführender Oberarzt und Transplantationsbeauftragter an der Klinik für Allgemeine, Viszeral-, Thorax-, Transplantations- und Kinderchirurgie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, sieht einige Vorteile: "Das Organspende-Register eröffnet allen Bürgerinnen und Bürgern, ihre Entscheidung zur Organspende zu dokumentieren. So wird gewährleistet, dass ihr Wunsch im Falle einer möglichen Organspende – sei es dafür oder dagegen – verlässlich berücksichtigt wird. Gleichzeitig bedeutet dies eine Entlastung für die Angehörigen, denn sie müssen sonst für die Verstorbenen unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens entscheiden, was gerade in der Situation der Trauer häufig nicht einfach ist."
Wird die Zahl der Spenden durch das Register zunehmen?
Dass durch das Organspenderegister auch die Zahl der Organspender steigt, ist eher unwahrscheinlich, sagt Axel Rahmel, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Bisher gebe es in keinem Land, in dem es so ein Register eingeführt gibt, "einen Beleg dafür, dass das einen akuten oder Langzeiteffekt auf die Zahl der Organspenden hat". Dennoch sei das neue System "ein großer Zugewinn", denn in dem Register seien die Auskünfte schnell abrufbar und sicher gespeichert. Auch Dr. Frank Logemann, Transplantationsbeauftragter, Anästhesist und Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) glaubt nicht an einen deutlichen Zuwachs: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Erklärendenportal in den ersten Jahren des Registers hochfrequent genutzt werden wird, wenn nicht gleichzeitig Aufklärung generell, Beratung im Einzelfall zur Organspende und Hilfestellung beim Eintrag in das Register geleistet werden. Eine Zunahme der Organspendehäufigkeit wird durch das Bereitstellen des Registers allein nicht spürbar werden."
Wer kommt für eine Organspende infrage?
Ganz abgesehen davon, dass immer noch zu wenig Menschen einen Organspendeausweis haben, gibt es noch eine andere Einschränkung: Der Hirntod eines Menschen ist selten. Nur bei ein bis zwei Prozent der Sterbefälle im Krankenhaus tritt der Hirntod ein, während die übrigen Organe noch arbeiten. Für eine Organspende kommen aber nur Menschen infrage, deren Hirntod zweifelsfrei nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt wurde und die einer Organ- und/oder Gewebeentnahme zugestimmt haben.
Die größte Befürchtung: schlechtere medizinische Versorgung
Viele bewegt die Befürchtung, dass potenzielle Organspender schlechter versorgt werden und nicht alles medizinisch Mögliche gemacht wird, ihr Leben zu retten. Diese Angst ist völlig unbegründet, denn alle beteiligten Ärzte - vom Notarzt bis zum Intensivmediziner - haben nichts mit der Organentnahme und Transplantation zu tun, betont die Stiftung Über Leben – Initiative Organspende. Erst wenn der irreversible Hirnfunktionsausfall eingetreten sei, werde über eine mögliche Spende entschieden. Dazu Prof. Dr. Felix Braun: "Es besteht ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis in der Bevölkerung, dass der irreversible Hirnfunktionsausfall und dessen Irreversibilität absolut sicher diagnostiziert wird. Dies ist durch die strengen Vorgaben in den Richtlinien gewährleistet. Die Diagnostik wird auch erst eingeleitet, wenn alles medizinisch Mögliche für das weitere Überleben ausgereizt wurde und ein Überleben nicht mehr möglich ist. Dies bedeutet auch, dass erst nach Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls und fehlender Zustimmung zur Organspende die Therapie eingestellt wird."
Was versteht man unter Hirntod?
Die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung definiert den Hirntod wie folgt: "Der Hirntod bezeichnet einen besonderen Zustand: Der Tod eines Menschen ist nach neurologischen Kriterien eindeutig eingetreten. Das Gehirn führt seine Steuerungsfunktion nicht mehr aus. Nur mithilfe intensivmedizinischer Maßnahmen kann das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrechterhalten werden. Auf diese Weise werden die Organe der verstorbenen Person weiter mit Sauerstoff versorgt. Ihre Funktionsfähigkeit bleibt erhalten und sie können so Patientinnen und Patienten transplantiert werden. Ohne künstliche Beatmung würde auf den Hirntod zeitnah der Herz-Kreislauf-Stillstand folgen. Der Hirntod ist ein seltenes Phänomen, das nur auf der Intensivstation eines Krankenhauses festgestellt werden kann."
Welche Organe können gespendet werden?
Im Todesfall können Organe und Gewebe gespendet werden: Niere, Leber, Herz, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm sowie Haut, Hornhaut der Augen, Herzklappen, Teile der Blutgefäße, des Knochengewebes, des Knorpelgewebes und der Sehnen.
Auch Lebendspenden möglich
Auch lebende Menschen können Organe spenden, aber nur Teile der Leber und Niere, äußerst selten auch einen Teil der Lunge oder der Bauchspeicheldrüse. Rechtliche Voraussetzung für eine Lebendspende ist, dass Spender und Empfänger nah verwandt sind oder laut Organspende-Info "eine besondere persönliche Verbundenheit zueinander haben", zum Beispiel verheiratet sind.
Grafik: Diese Organe können gespendet werden
Gibt es eine Altersgrenze bei Organspenden?
Es gibt keine Altersbegrenzung bei Organspenden. Auch Säuglinge können schon spenden, wenn es die Eltern gestatten. Es gibt auch kein Höchstalter, denn das biologische Alter der Organe vor einer Spende ist entscheidend. Grundsätzlich gilt: Je jünger der Verstorbene ist, desto besser sind die Organe in der Regel für eine Transplantation geeignet.
Ab welchem Alter kann man sich einen Ausweis ausstellen?
In Deutschland kann man sich ab dem Alter von 16 Jahren für oder gegen eine Organ-/Gewebespende entscheiden. Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr können Minderjährige sich ohne Zustimmung eines Erziehungsberechtigten gegen eine Organ-/Gewebespende im Todesfall entscheiden.
Nur wenige Erkrankungen schließen eine Organspende aus
Jeder, der bereit ist zu spenden, kann einen Organspendeausweis ausfüllen. Dazu ist keine ärztliche Untersuchung nötig. Zu Lebzeiten werden Organspender nicht untersucht. Es zählt der Organzustand kurz vor der Organspende. Zu diesem Zeitpunkt werden Organe genau kontrolliert. So kann eine Organentnahme zum Beispiel bei bestimmten Infektionen oder bei akuten Krebserkrankungen ausgeschlossen sein, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Thema Organ- und Gewebespende. Bei allen anderen Erkrankungen sind es Einzelfallentscheidungen der Ärztinnen und Ärzte, ob und welches Organ für eine Spende verwendet werden kann.
Dieser Artikel ist erstmals am 16. Januar 2020 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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