Säugling mit Schnuller und Sauerstoffschlauch im Krankenhausbett
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RSV: Fragen und Antworten zu Infektionen mit dem RS-Virus

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Stiko empfiehlt Impfung von Säuglingen gegen das RS-Virus

Eine Infektion mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) kann besonders für Neugeborene und Säuglinge gefährlich werden. Deshalb gibt die Ständige Impfkommission (Stiko) nun eine Impfempfehlung für sie heraus. Alle Fragen und Antworten.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

In der klassischen Erkältungszeit im Herbst und im Winter steigt die Zahl der Atemwegserkrankungen an. Eine der Infektionskrankheiten, die dabei eine Rolle spielen, wird durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) übertragen. Das RS-Virus ist eigentlich ein bekanntes und häufiges Virus, welches sich viele Menschen immer mal wieder einfangen können, denn durch eine Infektion entsteht keine langfristige Immunität. In den meisten Fällen kommt man mit einer kleinen Erkältung davon.

Stiko empfiehlt passive Immunisierung von Säuglingen gegen das RS-Virus

Anders kann das bei Neugeborenen und Säuglingen aussehen: Hier ist das RS-Virus einer der häufigsten Erreger von Atemwegserkrankungen und auch einer der häufigsten Gründe, warum Kinder in Europa ins Krankenhaus kommen. Ihr Schutz war bisher umständlich und teuer. Seit Herbst 2023 liegt ein Antikörper vor, mit dem sie durch eine einmalige Gabe während ihrer ersten RSV-Saison geschützt werden können.

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat diese passive Immunisierung von Neugeborenen und Säuglingen nun in ihre Impfempfehlungen aufgenommen: "Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat entsprechend ihrer Standardvorgehensweise (SOP) die Datenlage zu Nirsevimab (Beyfortus; Sanofi) geprüft und entschieden, den monoklonalen Antikörper (mAk) Nirsevimab für alle Neugeborenen und Säuglinge unabhängig von möglichen Risikofaktoren in ihrer 1. Respiratorische Synzytial-Viren-(RSV-)Saison zu empfehlen", so das RKI im Epidemiologischen Bulletin 26 | 2024 vom 27. Juni 2024.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Stiko-Empfehlung.

Passive Immunisierung von gefährdeten Kleinkindern

Seit Herbst 2023 gibt es mit Nirsevimab (Beyfortus; Sanofi) einen neuen monoklonalen Antikörper, der Säuglinge in ihrer ersten RSV-Saison vor dem Erreger schützen kann. Bisher musste Hochrisikokindern das Mittel Palivizumab während der RSV-Saison einmal pro Monat in einen Muskel gespritzt werden - insgesamt fünf Mal.

Mit Nirsevimab ist eine kostengünstigere Prävention zugelassen, die im Gegensatz zu dem bisherigen Mittel nur einmal gespritzt werden muss. Eine aktive Impfung für Kinder gibt es noch nicht.

Warum nur eine Empfehlung für Neugeborene und Säuglinge?

Die STIKO-Empfehlung bezieht sich nur auf die passive Immunisierung von Neugeborenen und Säuglingen, weil sie besonders durch das Virus gefährdet sind. Bei den empfindlichen oder unreifen Lungen ist ein Übergreifen des RSV-Erregers auf die oberen (Nase, Nasennebenhöhlen, Rachen) und unteren Atemwege (Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien, Lunge) wahrscheinlicher als bei ausgereiften Lungen. Hier kann der Erreger krampfartigen Husten oder Entzündungen auslösen.

Deswegen sind gerade Säuglinge und Frühgeborene besonders gefährdet: "Säuglinge und Neugeborene sind von der RSV-Erkrankung ganz besonders betroffen, da sie zum einen das erste Mal in ihrem Leben diese Infektion durchmachen. Und bei den meisten Erregern ist es so, dass die erste Infektion schwerer verläuft als die nachfolgenden. Zusätzlich kommt aber noch dazu, dass die Neugeborenen und Säuglinge sehr viel kleinere Atemwege haben. Bei der Infektion kann es jetzt zu einem Anschwellen ganz kleiner Atemwege kommen, und das führt bei den Säuglingen dann leicht zu einem Verschluss, sodass die Sauerstoffversorgung in der Lunge nicht mehr gewährleistet ist", sagt Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts des Universitätsklinikums Erlangen und Vorsitzender der STIKO.

Wann soll die Immunisierung erfolgen?

Die Antikörper werden einmalig an Neugeborene und Säuglinge vergeben. Wann immunisiert wird, hängt von dem Zeitpunkt der Geburt ab. Das Neugeborene oder der Säugling soll während der RSV-Saison, die hauptsächlich zwischen November und März stattfindet, geschützt sein: "Kinder, die zwischen April und September geboren werden, sollten im Herbst vor der Wintersaison den Antikörper erhalten. Kinder, die zwischen Oktober und März geboren werden, sollten möglichst rasch nach der Geburt, zumindest aber vor der Entlassung aus dem Krankenhaus, den Antikörper bekommen", sagt Überla. Sofort nach Gabe dieses Antikörpers entstehe dann der Schutz vor der RSV-Erkrankung. So soll die Häufigkeit schwer verlaufender RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer ersten RSV-Saison reduziert werden.

Die Antikörpergabe schützt die Säuglinge zwar in ihrer ersten RSV-Saison, sie verhindere aber nicht, dass die Kinder zu einem späteren Zeitpunkt eine RSV-Infektion durchmachen. Diese Infektion falle dann aber meist deutlich weniger schwer aus, weil die Atemwege dann schon größer geworden seien, meint Überla: "Die Zulassungsstudien zeigen auch, dass bei einem beträchtlichen Anteil der Kinder, die den Antikörper bekommen haben, es trotz des Antikörpers zur Infektion, aber nicht zur Erkrankung kommt. Diese Infektion ohne Erkrankung führt aber auch dazu, dass die Kinder selber eine natürliche Immunität gegen das RS-Virus entwickeln und damit letztlich auch weniger schwere Verläufe in den nachfolgenden Jahren durchmachen."

Wie wirksam ist die passive Immunisierung?

Die passive Immunisierung reduziere die Krankenhausaufnahme zu 80 Prozent, so Überla. Vier von fünf Krankenhausaufnahmen aufgrund von RSV-Erkrankungen würden so verhindert werden. Immerhin müsste statistisch eines von 56 Kindern aufgrund einer RSV-Erkrankung in seinem ersten Lebensjahr stationär behandelt werden. Eine große Belastung für Eltern und Kind.

Wie verträglich ist der Antikörper?

Die klinischen kontrollierten Studien mit fast 7.000 teilnehmenden Kindern hätten eine sehr gute Verträglichkeit gezeigt. Und auch die routinemäßige Anwendung dieses Antikörpers in anderen Ländern in der letzten Wintersaison hätten keinen Anlass gegeben, an der Sicherheit dieses Medikaments zu zweifeln, so Überla.

Wer zahlt die passive Impfung?

Die Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Krankenkassen sind durch eine STIKO-Empfehlung gegeben. Das Gesundheitsministerium müsse nun eine Regelung finden, die die Kostenübernahme dann auch sicherstellt, so Überla: "Ich rechne damit, dass im Herbst auch die Frage der Kostenübernahme geklärt ist."

Wie funktioniert die Immunisierung durch Antikörper?

Die verabreichten Antikörper verteilen sich im gesamten Körper und binden an die Oberfläche des Virus. Durch diese Bindung kann das Virus nicht mehr in die Zellen des behandelten Säuglings eindringen. Damit wird die Virusausbreitung effizient unterdrückt.

Wer ist besonders durch das RS-Virus gefährdet?

Hochrisikopersonen für einen schweren Krankheitsverlauf durch das RS-Virus sind Säuglinge unter sechs Monaten und Frühgeborene, Kinder mit Lungen-Vorerkrankung oder mit Herzfehler, Erwachsene über 65 Jahre und Menschen mit beeinträchtigtem Immunsystem.

Wie wird das RS-Virus übertragen?

Das RS-Virus wird überwiegend durch Tröpfcheninfektion übertragen, das heißt von erkrankten Personen, die husten und niesen. Wenn man diese Tröpfchen einatmet, können die Erreger in die Schleimhäute eindringen. Aber auch via Schmierinfektion kann sich das Virus verbreiten, zum Beispiel über kontaminierte Oberflächen, die ein Erkrankter mit seinen Händen berührt hat. Deshalb ist - wie bei allen Infektionskrankheiten - Handhygiene besonders wichtig.

Was sind die Symptome einer RSV-Infektion?

Eine RSV-Infektion kann unterschiedlich schwer verlaufen. Sie beginnt meist mit einer laufenden Nase und mangelndem Appetit. Dazu kommen ein entzündeter Rachen, Husten und Niesen. Häufig tritt auch Fieber auf. Eine Infektion der oberen Atemwege durch das RS-Virus sei dabei klinisch nicht von anderen Atemwegsinfektionen zu unterscheiden, so das RKI.

"Im weiteren Verlauf können sich aber auch Infektionen der unteren Atemwege entwickeln, mit schleimhaltigem Husten. Dazu zählen eine Entzündung der feinen Äste der unteren Atemwege (Bronchiolitis) sowie Lungenentzündungen. Durch die Entzündung und Schleim kann es zu einer Verengung der Atemwege mit erschwerter oder sehr schneller Atmung und Atemnot kommen", schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Symptome einer RSV-Infektion können bei Säuglingen schnelles, angestrengtes Atmen, Kraftlosigkeit oder Trinkschwäche sein.

Warum müssen einige Säuglinge bei einer RSV-Infektion ins Krankenhaus?

Die Therapie einer RSV-Infektion kann nur symptomatisch erfolgen. Deshalb müssen gerade Säuglinge häufig stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden, um sie im Notfall auch beatmen zu können: "Wir gehen davon aus, dass ungefähr zwei bis drei Prozent aller Kinder mit einer RSV-Infektion in einer Klinik landen und dort Sauerstoff brauchen oder Hilfe bei der Ernährung. Ein Teil dieser Kinder muss am Ende auch intensivmedizinisch behandelt werden", sagt Dr. Martin Wetzke von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Im Youtube-Video: So klingen die Symptome einer schweren RSV-Infektion bei einem Säugling

Wann sollten Eltern mit kranken Kindern zum Arzt?

Das Youtube-Video des REspiratory Syncytial virus Consortium in EUrope (RESCEU) kann nur eine erste Orientierung sein. Eltern sollten mit ihrem Säugling zum Arzt gehen, sobald es Hinweise auf schwere Atemprobleme gibt. Anzeichen dafür sind schnelles und angestrengtes Atmen. Auch ein trockener, knisternder Husten kann ein RSV-Symptom sein. Verhält sich das Kind auch sonst anders? Ist es schwach? Trinkt es kaum oder wenig? Beim Kinderarzt kann via Abstrich festgestellt werden, ob es sich um eine Erkältung oder eine Infektion mit dem RS-Virus handelt. So können dann die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet werden.

Das RS-Virus kann auch Erwachsene treffen

Gefährlich kann das RS-Virus auch für ältere Menschen werden. Oder für alle, die sich zum ersten Mal mit dem Virus infizieren und deren Immunsystem den Erreger deshalb noch nicht kennt. Das RS-Virus würde bei Erwachsenen teilweise unterschätzt, so der Infektiologe Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing. Er ist der Ansicht, dass das RS-Virus als Gefahr für ältere Menschen bisher zu wenig Beachtung gefunden habe: "RSV ist aus meiner Sicht eine völlig unterschätzte Atemwegserkrankung nicht nur für Kleinkinder, sondern auch für ältere Erwachsene." Wendtner bewertet das Virus als "mindestens so gefährlich wie Influenza". Zudem sei es sehr ansteckend. Deshalb plädiert Wendtner ebenfalls für eine Impfung bei Älteren ab 60 Jahren sowie Risikopatienten.

Gibt es eine aktive Impfung gegen das RS-Virus?

Neben der passiven Immunisierung gibt es auch eine aktive Impfung - allerdings nur für Erwachsene. Sie ist nicht Teil der STIKO-Empfehlung. Seit 2023 sind die beiden Impfstoffe Abrysvo und Arexvy auf dem Markt. Der Impfstoff Abrysvo wurde in Europa im Sommer 2023 für Schwangere zugelassen. Er ist auch zur aktiven Immunisierung von Personen ab 60 Jahren geeignet. Arexvy ist ebenfalls für diese Altersgruppe zugelassen, anders als Abrysvo jedoch nicht für Schwangere.

"Ältere Menschen können sich mit der neuen aktiven Impfung effektiv schützen. Für die Kindermedizin ist das wichtig, weil dann die Großelterngeneration als Infektionsquelle für Säuglinge wegfällt", sagt Marcus Krüger, Chefarzt der Kinderintensivstationen in der München Klinik Schwabing und Harlaching. Würden diese Impfmöglichkeiten genutzt, sei er zuversichtlich, dass es RSV in etwa fünf Jahren nicht mehr in der Heftigkeit wie in den vergangenen Jahren geben werde.

Nestschutz: Geimpfte Mütter schützen ihr ungeborenes Baby

Werdende Mütter, die sich in der Schwangerschaft gegen RSV impfen lassen, übertragen ihren Impfschutz auf das noch ungeborene Kind. Die nach der Impfung von der Schwangeren gebildeten Antikörper gehen über die Plazenta in das Blut des ungeborenen Kindes über.

Das Neugeborene profitiert dann von Geburt an für eine bestimmte Zeit von diesem Nestschutz und ist gegen bestimmte Erreger immun.

Im Video: Schutz vor dem RS-Virus - erstmals Impfstoffe verfügbar

Die RSV-Saison beginnt: Wie gut sind Eltern über das RS-Virus informiert?
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Wie gut sind Eltern über das RS-Virus informiert?

Dieser Artikel ist erstmals am 11. Dezember 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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11.12.2023: Unser Kommentarbereich ist im Moment wegen eines Software-Updates geschlossen. Der "Umbau" kann bis zu 48 Stunden dauern. Wir bitten um Verständnis.