Symbolbild: Eine zweigeteilte Weltkugel.
Bildrechte: BR/Johanna Schlüter

Tief unter der Erde stecken ein innerer und ein äußerer Erdkern. Beide rotieren wohl unterschiedlich schnell. Das ist kein Grund zur Sorge.

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Was ist mit der Rotation unseres Erdkerns los?

Tief unter unseren Füßen befindet sich der Erdkern. Nun erfährt man mancherorten: Dieser Kern habe aufgehört, sich zu drehen. Was wirklich dahintersteckt.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Es klingt zunächst wie eine Horrormeldung: Der Kern der Erde soll aufgehört haben, sich zu drehen. Steht er etwa still? Was bedeutet das für uns auf der Erdoberfläche, könnte das gar für Erdbeben sorgen? Die Wahrheit hinter diesen durch die sozialen Medien geisternden Meldungen ist weniger spektakulär, dafür aber auch weniger besorgniserregend. Zunächst die Richtigstellung: Nein, der Erdkern hat nicht aufgehört, zu rotieren. Und nein, er wird auch in Zukunft nicht für apokalyptische Szenarien auf der Erdoberfläche sorgen.

Stattdessen handelt es sich hier um einen Fall von teilweise zu ungenauer Berichterstattung in Medien und sozialen Medien wie YouTube und Twitter über einen wissenschaftlichen Fachartikel, der vor einigen Wochen im Fachmagazin "Nature Geoscience" erschienen ist.

Im Erdinneren: Fester innerer Kern und flüssiger äußerer Erdkern

Unsere Erde ist eine Kugel, die aus verschiedenen Schichten besteht. Das, was wir als größtenteils festen Erdboden unter unseren Füßen wahrnehmen, ist die dünnste Schicht, die Erdkruste. Sie ist im Durchschnitt lediglich dreißig Kilometer tief. Darauf folgt der Erdmantel: Der besteht, vereinfacht gesagt, aus heißem, zähflüssigem Gesteinsmaterial.

Dann kommt der Erdkern. Der ist immerhin so groß wie der Zwergplanet Pluto, mit einem Radius von rund 3.500 Kilometern. Zum Vergleich: Der Radius der ganzen Erde beträgt knapp 6.400 Kilometer. Der Erdkern besteht vornehmlich aus Eisen und ist in zwei unterschiedliche Schichten aufgeteilt: Der äußere Erdkern ist flüssig. "Da bewegt sich Material mit Geschwindigkeiten von zehn bis fünfzig Kilometern pro Jahr", sagt Monika Korte, Geophysikerin am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam.

Der innere Erdkern hingegen ist fest. Das fand die dänische Geowissenschaftlerin Inge Lehmann im Jahr 1936 heraus. Inge Lehman benutzte Informationen, die Forschende durch Erdbeben auf der Erdoberfläche gesammelt hatten. Erdbeben verursachen seismische Wellen, die durch die ganze Erde hindurch reisen können. Aus den Formen der unterschiedlichen Arten von seismischen Wellen sowie aus ihren Ankunftszeiten bei Messstationen in aller Welt können Forschende Schlüsse über die Vorgänge im Inneren unserer Erde ziehen. Das ist bis heute der Fall: Die Erdbebenwellen sind das Mittel der Wahl, um das Innere unserer Erde zu erforschen.

Erdbebenwellen verraten, wie es im Inneren unserer Erde ausschaut

Unsere Erde dreht sich um sich selbst, sie rotiert. Deshalb sollte es wenig erstaunlich sein, dass auch der Erdkern rotiert. Bereits länger gibt es eine wissenschaftliche These, die besagt, dass der äußere Erdkern und der innere Erdkern mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten rotieren. Dagegen spricht aus physikalischer Sicht erst mal nichts, der innere Erdkern ist schließlich umgeben vom flüssigen, äußeren Erdkern. Die elektromagnetischen Kräfte zwischen diesen metallischen Schichten könnten in der Tat dafür sorgen, dass sich der innere Erdkern etwas schneller oder langsamer dreht als der äußere Erdkern.

Darauf wiesen Analysen von seismischen Wellen schon in der Vergangenheit hin. Dieser Unterschied wäre allerdings winzig, er würde wahrscheinlich weniger als 0,1 Grad pro Jahr betragen. In der Fachsprache heißt dies "Superrotation" des inneren Erdkerns. Aber auch diese Superrotation ist wissenschaftlich nicht unumstritten.

Wissenschaftlicher Fachartikel: Rotation des inneren Erdkerns hat sich verlangsamt

Was die Wissenschaftler Yi Yang und Xiaodong Song, beide von der Universität Peking, laut ihrem kürzlich erschienenen Fachartikel entdeckt haben wollen, ist Folgendes: In den vergangenen Jahren würden die Daten darauf hindeuten, dass sich die Rotation des inneren Erdkerns verlangsamt hat. Er würde sich derzeit also nicht schneller als der äußere Erdkern drehen, sondern etwa genauso schnell. Yang und Song schließen daraus, dass sich die Rotation des inneren Erdkerns weiter verlangsamen könnte, bis er bei einer "Subrotation" angelangt ist. Dann würde er wieder etwas beschleunigen und sich wieder schneller drehen als der äußere Erdkern. Dieses Muster würde sich alle siebzig Jahre wiederholen, so die Autoren.

"Er bleibt nicht ganz stehen. Er dreht sich nur mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Rest der Erde." Monika Korte, Geophysikerin am Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam

Klingt das nach geowissenschaftlicher Fachlektüre und gar nicht nach einer Horrormeldung von der Bedrohung weit unter unseren Füßen? Richtig. Aber wie konnte es überhaupt zu diesen Meldungen kommen?

Differentielle Rotation des Erdkerns ist entscheidend

Was die Autoren Yang und Song beschreiben, ist ein Phänomen der differentiellen Rotation. Differentielle Rotation heißt, dass ein und derselbe Körper unterschiedlich schnell rotieren kann. Das ist beispielsweise auch bei unserer Sonne der Fall: Sie dreht sich um sich selbst, aber am Äquator wesentlich schneller als an ihren Polen.

Im Fachartikel selbst schreiben die Autoren auch von der differentiellen Rotation, und einem Fachpublikum dürfte klar sein, was gemeint ist. Allerdings war in der Zusammenfassung des Artikels, dem sogenannten "Abstract", zunächst nur von "Rotation" die Rede. So war dort bei Veröffentlichung des Artikels zu lesen, dass "dieses global konsistente Muster darauf hindeutet, dass die Rotation des inneren Erdkerns vor Kurzem pausiert hat", sowie dass das analysierte Muster mit "einer allmählichen Umkehr des inneren Erdkerns als Teil einer rund siebzigjährigen Oszillation" zusammenhänge.

Diese Sätze wurden dann wahrscheinlich von einigen Medien teilweise in dem Sinne missverstanden, dass die Rotation des inneren Erdkerns zunächst gestoppt habe und sich gar umdrehen könnte – sich also der innere Erdkern gar anders herum drehen könne als der Rest der Erde.

Da dies anscheinend auch den Autoren des Fachartikels beziehungsweise den Herausgebern von "Nature Geoscience" aufgefallen ist, zeigt ein Update des Artikels, das am 31. Januar erfolgte: Nun steht in der Zusammenfassung, dass "dieses global konsistente Muster darauf hindeutet, dass die differentielle Rotation des inneren Erdkerns vor Kurzem pausiert hat" sowie dass das analysierte Muster mit "einer allmählichen Umkehr des inneren Erdkerns relativ zum Mantel als Teil einer rund siebzigjährigen Oszillation" zusammenhänge.

Innerer Erdkern rotiert weiterhin, wenn auch vielleicht langsamer als vorher

Währenddessen ist sich die Wissenschaft noch nicht einmal einig darüber, ob es das von Yi Yang und Xiaodong Song beschriebene Phänomen wirklich so gibt. Manche Forschende denken, dass diese differentielle Rotation tatsächlich im Siebzig-Jahres-Rhythmus schwankt. Andere gehen von einem sechsjährigen Rhythmus aus, wieder andere von einer einmaligen Anomalie in den frühen 2000er-Jahren. Eine weitere These besagt, dass die Daten auch zu einem unebenen inneren Erdkern passen würden, der sich aber genauso schnell dreht wie der äußere Erdkern.

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