Lehrerpräsident Meidinger mit erhobener Hand
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Es gibt Kritik am Lehrerpräsidenten wegen seiner Äußerung zum Thema der kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund.

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Kognitive Fähigkeiten: So sehen Forschende die Meidinger-Aussage

Kognitive Fähigkeiten: So sehen Forschende die Meidinger-Aussage

Lehrerpräsident Meidinger wird für seine Aussage zu kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund kritisiert. Er hingegen verweist auf den wissenschaftlichen Diskurs. Was sagen Forschende zu den Äußerungen?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach der Migrationskonferenz Ende April in Frankfurt am Main wurde Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, zuletzt mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Der Tenor der Kritiker: Man könne bei Meidingers Äußerungen den Eindruck gewinnen, er habe durch seinen Verweis auf die kognitiven Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund nahegelegt, diese seien "dumm".

Meidinger hingegen wehrt sich gegen diese Anschuldigungen und bezeichnet sie als systematische Hetze. Er betont, dass seine Aussagen nicht rassistisch seien und dass er sich lediglich für eine differenzierte Diskussion über Lerndefizite bei Migrantenkindern einsetze. Der Lehrerpräsident aus dem Landkreis Rottal-Inn weist auch darauf hin, dass seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Er erklärt, dass sich der Begriff der "kognitiven Fähigkeiten" im wissenschaftlichen Fachjargon auf "Vorwissen" beziehe und nichts mit Intelligenz oder Dummheit zu tun habe.

Meidinger: Gegen Tilgung des Merkmals "Zuwanderungshintergrund"

Der Kontext der Äußerungen: In dem entsprechenden Ausschnitt hatte sich Meidinger gegen die Forderung gewandt, das Merkmal "Zuwanderungshintergrund" in Studien nicht mehr anzuführen. Dabei hatte er sich unter anderem auf eine Grundschulstudie aus dem vergangenen Jahr bezogen: Die Studie hatte klargemacht, dass Kinder mit Migrationshintergrund im Schnitt bis zu zwei Schuljahre hinter Kindern ohne Migrationshintergrund zurückliegen würden. Deshalb sei es falsch, so Meidinger, das Merkmal des "Zuwanderungshintergrunds" ganz zu tilgen. So würde man die Probleme von Kindern mit Migrationshintergrund nur verschleiern und in der Folge diese dann nicht gezielt angehen können.

Christoph Vogelsang vom Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung der Universität Paderborn sieht an Meidingers Äußerungen besonders folgenden Aspekt kritisch: In der Bildungsforschung werde zwar in der Tat untersucht, inwiefern in Untersuchungen gefundene Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern verschiedener Hintergründe (zum Beispiel, ob die Eltern einen Zuwanderungshintergrund haben) mit anderen Merkmalen zusammenhängen. "Das geschieht allerdings nicht, weil man den Migrationshintergrund verschleiern möchte, sondern um die genauen Ursachen und Wirkungszusammenhänge aufzuklären. Der sozioökonomische Hintergrund erklärt dabei beispielsweise Leistungsunterschiede genauer als die alleinige Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler selbst einen Migrationshintergrund haben", sagt Vogelsang.

Kognitive Fähigkeiten und Intelligenz: Wie unterscheiden sich die Begriffe?

Doch, wie wird überhaupt der Begriff der "kognitiven Fähigkeiten" in der Wissenschaft verstanden? Allgemein beziehen sich kognitive Fähigkeiten auf mentale Prozesse, die helfen, Informationen aufzunehmen, zu verstehen, zu verarbeiten, zu speichern und abzurufen. Dazu gehören Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprachverständnis, räumliches Denken, Problemlösung und Entscheidungsfindung.

In der Tat werden kognitive Fähigkeiten also meist als Bausteine der Intelligenz betrachtet und Intelligenztests messen eine Vielzahl von kognitiven Fähigkeiten. Dennoch wird Intelligenz heute meist mit mehr als nur der Summe der kognitiven Fähigkeiten assoziiert. Auch andere Faktoren spielen hier eine Rolle, wie Kreativität oder soziale Kompetenz.

Expertin: Der Begriff der "kognitiven Fähigkeiten" ist vage

Besonders in den Vereinigte Staaten werde jedoch zunehmend von "general cognitive abilities" gesprochen, wenn man Intelligenz meine, sagt Elsbeth Stern, Professorin für empirische Lehr-​ und Lernforschung und Leiterin des Instituts für Verhaltenswissenschaften an der ETH Zürich. Der Begriff der "intelligence" sei mittlerweile "vergiftet". Stern macht dennoch deutlich, dass der Ausdruck der "kognitiven Fähigkeiten" durchaus so interpretiert werden könne, wie Heinz-Peter Meidinger es in seiner Äußerung getan habe: "Einer ethnischen Gruppe die Lernfähigkeit abzusprechen, kann als Rassismus interpretiert werden. Aber genau das hat Herr Meidinger nicht getan. Er hat lediglich darauf verwiesen, dass viele Migrantenkinder nicht die Möglichkeit hatten, ihr kognitives Potenzial zu entwickeln." Und das könne niemand bestreiten.

Selbst sehr stark von genetischen Voraussetzungen geprägte Merkmale wie Intelligenz entfalten sich nur bei langjähriger und qualitativ hochwertiger schulischer Bildung: "Zu ignorieren, dass viele Migrantenkinder nicht die zur geistigen Entwicklung nötigen Lerngelegenheiten hatten, hilft niemandem", so Elsbeth Stern.

Kinder mit Migrationshintergrund finden andere Lösungen für Schwierigkeiten

Gerald Hüther ist Hirnforscher und leitete das Forschungsprojekt "Entwicklungsneurobiologie" am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin und das Forschungslabor der Universität Göttingen. Hüther hebt zunächst einmal hervor, dass Kinder mit Migrationshintergrund nicht weniger intelligent als andere seien: "Viele von ihnen müssen sich aber mit einer Reihe von Problemen herumschlagen und Lösungen für Schwierigkeiten finden, die andere Kinder so nicht haben. Die jeweils von ihnen gefundenen Lösungen werden dann sehr tief und nachhaltig im Gehirn verankert." Der Hirnforscher sagt, dass das etwas anderes als das sei, was Kinder nach Auffassung des Lehrerpräsidenten Meidinger und den für das Schulwesen verantwortlichen Personen in Deutschland lernen sollten.

Insgesamt bleibt der Begriff der kognitiven Fähigkeiten ein vielschichtiger und kontextabhängiger Terminus, der in der Forschung und im Alltag oft unterschiedlich interpretiert wird. Die Debatte zeigt, wie wichtig es ist, bei der Verwendung einer solchen Begrifflichkeit deutlich zu machen, auf welche Fähigkeiten man sich genau bezieht und welche Einschränkungen und Vorurteile mit ihm verbunden sein können.

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