Eigentlich sind Stechmücken harmlos, aber sie nerven. Für Urlauber, die sich ein paar entspannte Tage am See gönnen wollen, kann eine Mückenplage unerträglich werden. Deswegen haben sich die Chiemsee-Anliegergemeinden für einen flächendeckenden Einsatz des Anti-Mückenmittels BTI entschlossen, dem ersten seit 2015.
Durch das Hochwasser und die anschließenden warmen Tage war die Anzahl der Mückenlarven im Überschwemmungsgebiet in die Höhe geschnellt. In Schöpfproben fanden Fachleute am Wochenende je nach Ort zwischen 50 und 1.000 Mückenlarven, damit war der Schwellenwert erreicht. Der Abwasser- und Umweltverband (AUV) gab grünes Licht für den Hubschraubereinsatz.
In Form von Eisklümpchen wurde das Eiweißpräparat tonnenweise über die stehenden Gewässer verstreut. Sobald das Eis schmilzt, wird das BTI freigesetzt und von den Mückenlarven aufgenommen.
Auswirkung von BTI auf Nahrungskette nicht genügend erforscht
BTI ist ein Protein, das aus dem Bacillus thuringiensis israeliensis gewonnen wird. Es greift den Verdauungstrakt der Mückenlarven an. Das Eiweiß löst die Darmwand auf, das Tier verhungert. Umweltschützer und Forscher kritisieren, dass dieses Bakterium nicht nur die Stechmücken tötet, sondern auch alle andere Arten von Mücken.
"BTI wirkt auf alle Zweiflügler, auf Stechmücken, aber auch auf andere Arten, wie die Kriebelmücken oder Zuckmücken, die für uns nicht so von Bedeutung sind, die dafür im Nahrungsnetz des Gewässers eine wichtige Rolle spielen. Es ist also wahrscheinlich, dass alle Arten, die sich von diesen Insekten ernähren, betroffen sind. Dazu zählen u.a. Libellen, Fische, Amphibien und Fledermäuse." Jürgen Geist, Professor für Aquatische Systembiologie an der TU München
Forscher und Naturschützer plädieren daher für eine punktuelle Nutzung dieses Anti-Mücken-Mittels. Naturschutzgebiete und FFH-Gebiete (Flora-Fauna-Habitat) sollten ganz verschont werden. Immerhin enthält der aktuelle Genehmigungsbescheid der Regierung Oberbayern einige Vorgaben in diese Richtung: So darf BTI in der Kernzone des Naturschutzgebiets am Delta der Tiroler Achen zwischen Übersee und Grabenstätt gar nicht verwendet werden. Und im Gebiet von Seeon-Seebruck war der Hubschrauber auch nicht im Einsatz, da der Gemeinderat 2019 aus der Mückenbekämpfungsgemeinschaft ausgetreten ist.
Umweltschützer skeptisch - Tourismusbranche erleichtert
Wissenschaftler und Naturschützer fordern eine bessere Erforschung der Auswirkungen von BTI.
"Gerade im Bezug auf die Freilandwirkung wäre es wirklich notwendig, entsprechende Experimente zu machen, die Substanz wird ja in verschiedenen Ländern zur Mückenbekämpfung eingesetzt. Und es ist schon erstaunlich, dass es dazu noch wenig Erkenntnisse gibt." Professor Jürgen Geist, TU München
Erleichtert über den Hubschraubereinsatz am Montag zeigten sich wiederum Hoteliers und Gastwirte. Erst der Corona-Shutdown, dann eine Mückenplage - für die Tourismusbranche mag das eine alptraumhafte Vorstellung gewesen sein.
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