Eigentlich hätte das deutsch-russische Projekt Icarus schon am 10. Juli 2019 mit der Tierbeobachtung aus dem Weltall beginnen sollen. Doch die Belüftung des dafür notwendigen Computers funktionierte nicht richtig, weil es Probleme mit einem Kondensator gab. Der Computer musste deshalb wieder auf die Erde zurück, damit das Bauteil ausgewechselt werden konnte. Nun soll das System nach Abschluss einer Testphase voraussichtlich 2020 den Wissenschaftlern voll zur Verfügung stehen.
Tiere mit Minisendern auf dem Rücken
Zentraler Bestandteil des Forschungsprojekts Icarus ist eine Antenne an der Internationalen Raumstation ISS. Sie empfängt die Positionsdaten von Tieren, die einen Minisender tragen. Vögel beispielsweise bekommen den Sender wie einen winzigen Rucksack auf dem Rücken geschnallt. Wenn die ISS über einen Sender hinweg fliegt, erwacht dieser aus dem Energiesparmodus und schickt seine Position nach oben. Das tut er ein- bis viermal am Tag. Die gesammelten Daten ergeben ein Bewegungsprofil des Tieres
Antenne an der Internationalen Raumstation
Am 15. August 2018 montierten die beiden Kosmonauten Oleg Artemjew und Sergej Prokopjew einen Mast samt der Icarus-Antenne an die Außenhülle des russischen ISS-Moduls. Der dafür notwendige Außeneinsatz dauerte über sieben Stunden . Auf die Montage folgen einige Monate Testbetrieb.
Bekannte Routen retten Vögel
Das Wissen, wie und wohin Zugvögel fliegen, lässt sich zu ihrem Schutz nutzen. Manchmal kommt es vor, dass im Frühjahr deutlich weniger Vögel als im Vorjahr von dort zurückkehren, wo sie den Winter verbracht haben. Wissenschaftler können dann mithilfe der Senderdaten die bevorzugten Rastplätze der Zugvögel erkennen und anregen, dort Schutzgebiete einzurichten.
LBV wartet auf kleinere Sender
Noch wiegen die Icarus-Sender rund fünf Gramm. Das Gewicht soll aber noch auf nur ein Gramm sinken. Darauf hofft auch der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV). Mit so leichten Sendern wäre es möglich, auch kleine Vögel wie den Ortolan mit einem Sender zu versehen. Bei dieser Art ist die Population in Bayern innerhalb von 14 Jahren um mehr als die Hälfte geschrumpft. Der LBV betreibt deshalb ein Artenhilfsprogramm für den Ortolan und wüsste gern mehr darüber, wo sich die verbliebenen Vögel wann wie lange aufhalten. Auch Fledermäuse würde der LBV gerne mit Sendern ausstatten. Bei ihnen ist allerdings nicht nur das Gewicht des Senders eine Herausforderung, sondern auch dessen Energieversorgung. Der Akku wird von Solarzellen wieder aufgeladen. Fledermäuse sind allerdings nachtaktiv und zeigen sich daher nur selten im Sonnenlicht.
Einsatz gegen Vogelgrippe
Icarus soll auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten verhindern oder zumindest eindämmen. Dazu werden von der ISS aus die Positionsdaten von Enten gesammelt. Milliarden Vögel brüten im Sommer in Sibirien und verbringen den Winter in Afrika oder Südostasien. Was sie in der Zeit dazwischen tun und welche Routen sie fliegen, ist jedoch kaum bekannt. Diese Informationen wären aber hochinteressant, denn Enten können ansteckende Krankheiten wie die Vogelgrippe und antibiotikaresistente Bakterien übertragen. Die Icarus-Forscher planen deshalb, Enten in Sibirien auf Krankheitserreger zu testen und mit Sendern auszustatten. Anschließend wollen sie die Flugrouten der Vögel verfolgen, um zu sehen, wie sich Krankheitserreger unter den Tieren ausbreiten.
Tiere warnen vor Erdbeben
Auch als Frühwarnsystem bei Naturkatastrophen soll Icarus zum Einsatz kommen. Manche Tiere verhalten sich vor Erdbeben und Vulkanausbrüchen merkwürdig. Vor dem verheerenden Seebeben 2004 in Südostasien flohen etwa in Sri Lanka Elefanten ins Landesinnere. Einige Menschen folgten ihnen und retteten so ihr Leben. Das Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfszell möchte nun testen, ob Tiere als biologisches Frühwarnsystem für Naturkatastrophen dienen können. Die Wissenschaftler haben bereits die Bewegungen von Ziegen am Ätna mit Sendern verfolgt und ihr Verhalten kurz vor Vulkanausbrüchen studiert. Mit den Icarus-Sendern wollen sie in Zukunft auch Tiere beobachten, die in abgelegenen oder unbewohnten Regionen leben.