Hunde sind wahre Supernasen. Ihr Geruchssinn ist für die sogenannten Nasentiere weitaus wichtiger als Augen und Ohren. Kein Wunder, besitzt ein Hund doch im Durchschnitt zwischen 125 bis 225 Millionen Riechzellen, während der Mensch über gerade einmal fünf Millionen Riechzellen verfügt.
Als Suchhunde für vermisste Personen, aber auch um Schimmel, Sprengstoff, Brandmittel und selbst Geld aufzuspüren, bedient sich der Mensch schon lange seines vierbeinigen "besten Freundes".
Schnüffelnd zur Diagnose
Zunehmend werden Hunde aber auch im Bereich der medizinischen Geruchserkennung eingesetzt. Schon länger ist bekannt, dass Hunde Erkrankungen erschnüffeln, da Krankheiten den Stoffwechsel verändern und dies wiederum den Duft, den Menschen in Körpersekreten wie Schweiß oder Speichel ausströmen. Hunde sind daher in der Lage, infektiöse und nichtinfektiöse Krankheiten wie verschiedene Arten von Malaria, Diabetes, bakterielle und virale Infektionen zu erkennen.
Vierbeiner erkennen Tumore
Auch verschiedene Krebserkrankungen wie unter anderem Prostata-, Darm- und Hautkrebs können von Hunden erschnüffelt werden. Studien zufolge erkennen die Hunde mit einer Trefferquote von deutlich über 90 Prozent an Stuhl-, Urin- und Atemproben, ob eine Krebserkrankung vorliegt. Sie identifizieren dies am Geruch von Chemikalien, sogenannten flüchtigen organischen Verbindungen, die vom Tumor ausgestoßen werden.
Warum können Hunde eigentlich so gut riechen?
Der Geruchssinn bei Hunden hängt nicht nur von der Zahl seiner Riechzellen, sondern auch von der Rasse ab. So sind Nasengröße und Form entscheidend für den tierisch guten Riecher. Hinzu kommt, dass die Riechschleimhaut beim Hund sehr stark verzweigt und aufgefaltet etwa so groß wie ein Din A 4-Blatt ist - viel größer also als beim Menschen, der sich mit einer Riechschleimhaut in Briefmarkengröße begnügen muss. Langnasige Rassen haben einen besseren Geruchssinn als kurznasige, zu den besten Spürnasen gehören unter anderem der Deutsche Schäferhund, der Beagle und der Labrador Retriever.
Diagnostiker auf vier Pfoten
Damit Hunde zu Krankheitsexperten werden, benötigen sie ein spezielles Training. Zu diesem Zweck konfrontieren Hundetrainer ihren Vierbeiner mit infizierten und nichtinfizierten Sekretproben. Erkennen sie den Zustand der Probe korrekt, erhalten sie eine Belohnung – das kann ein Leckerbissen oder auch ein Spiel sein.
Dem Coronavirus auf der Spur
Dass Hunde auch in der Lage sind, charakteristische Duftstoffe im Speichelsekret von Coronainfizierten zu erschnüffeln, wurde im Sommer durch eine Studie aus Hannover bekannt. Ende Juli hatte ein Forscherteam unter der Leitung der Stiftung der Tierärztlichen Hochschule Hannover (TiHo) in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr, der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf eine entsprechende Studie im Fachmagazin BMC Infectious Diseases veröffentlicht.
"Es ist bekannt, dass infektiöse Atemwegserkrankungen spezifische flüchtige organische Verbindungen freisetzen können. Diese Pilotstudie zeigt wahrscheinlich, wie flüchtige organische Verbindungen für zukünftige Teststrategien genutzt werden könnten." Professor Dr. Albert Osterhaus, Research Center for Emerging Infections and Zoonoses, TiHo
Gute Corona-Schnüffler
Und tatsächlich: Die Studie ergab, dass acht spezialisierte Spürhunde der Bundeswehr nach einem nur eine Woche dauernden Spezialtraining in der Lage waren 94 Prozent von über 1000 Sekretproben aus Mund, Luftröhre und Bronchien korrekt zu identifizieren. Bei der Doppelblindstudie wussten weder die Hundeführer noch die Forscher, welche Proben positiv waren und welche zur Kontrollgruppe gehörten. Die Hunde konnten in 83 Prozent der Fälle die positive Probe erkennen und in 96 Prozent der Fälle die negative Kontrollprobe.
"Die Ergebnisse der Studie sind unglaublich spannend. Wir haben eine solide Grundlage für zukünftige Studien geschaffen, um zu untersuchen, was die Hunde riechen und ob sie auch zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Krankheitszeitpunkten oder klinischen Phänotypen eingesetzt werden können." Professor Holger Volk, Leiter der Klinik für Kleintiere, TiHo
Langfristig sollen die Corona-Spürhunde in öffentlichen Bereichen wie Flughäfen, bei Sportveranstaltungen, an Grenzen oder anderen Massenveranstaltungen als Ergänzung zu Laboruntersuchungen eingesetzt werden, um eine weitere Verbreitung des Virus oder Ausbrüche zu verhindern.
Gefährliche Proben
Der Umgang mit den hochinfektiösen Corona-Proben war für Mensch wie Tier dabei eine Herausforderung. Denn Coronaviren unterliegen laut Deutscher Biostoffverordnung der Sicherheitsstufe 3. Für den Umgang mit den infizierten Proben musste daher in entsprechender Schutzkleidung im Hochsicherheitsbau des Research Center for Emerging Infections and Zoonoses der TiHo gearbeitet werden.
Weitere Untersuchungen geplant
Nach der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse im Juli 2020 wollen die Wissenschaftler nun überprüfen, ob die Spürhunde das Virus Sars-CoV-2 auch von anderen Coronaviren unterscheiden können. Die Tierärztliche Hochschule Hannover sucht dafür mit SARS-CoV-2 infizierte Freiwillige mit und ohne Symptome sowie Menschen mit anderen Atemwegserkrankungen. Mit Hilfe ihrer Speichelproben soll auch herausgefunden werden, ab welchem Zeitpunkt vor Ausbruch die Krankheit von Hunden bereits erschnüffelt werden kann.
Praxistest in Helsinki
Während die deutschen Wissenschaftler in Hannover die Fähigkeit der Vierbeiner noch weiter erforschen, werden diese in Helsinki bereits in der Praxis erprobt. Am Flughafen der finnischen Hauptstadt kommen ab heute vier trainierte Hunde zum Einsatz, die Coronavirus-Infektionen bei Passagieren erschnüffeln sollen.
Ähnlich wie bei ihren vierbeinigen Kollegen in Hannover, können nach vorläufigen Tests von Veterinärmedizinern der Universität Helsinki insgesamt zehn Hunde in der finnischen Hauptstadt das Virus mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit riechen. Sollte sich der viermonatige Test am Airport Helsinki als erfolgreich erweisen, könnten auf kostengünstige Weise schnell infizierte Reisende ermittelt werden, so die Hoffnung der Forscher.
Virussuche ohne Körperkontakt
Derzeit gibt es in Australien, Deutschland, Frankreich und den USA Forschung zu Hunden als Coronavirus-Detektive. Der finnische Test ist allerdings nach eigenen Angabe der Initiatoren der bislang größte dieser Art.
Beim Einsatz am Flughafen Helsinki kommen die Hunde nicht in direkten Kontakt mit den Reisenden. Bei der Kontrolle wird mit einem Tuch über die Haut der Ankommenden gestrichen, das dann in ein Glas getan wird. Ein wartender Hund schnüffelt nur zehn Sekunden, bevor er sein Testergebnis mitteilt, indem er sich eine Pfote kratzt, sich hinlegt oder bellt.
Sollte ein Ergebnis positiv sein, wird der Passagier dann aufgefordert, sich einem normalen Coronavirus-Test zu unterziehen.
Reicht die Datenlage für den Praxistest?
Dass bereits Corona-Spürhunde in Helsinki und auch am Flughafen Dubai eingesetzt werden, findet TiHo-Forscher Holger Volk spannend.
"Wir sind bisher die einzigen, die eine wissenschaftliche Publikation dazu veröffentlicht haben." Professor Holger Volk, Leiter der Klinik für Kleintiere, TiHo
Aber eigentlich sei die Datenlage noch nicht so gut, dass man die Corona-Spürhunde bereits am Flughafen einsetzen könne, so der Tiermediziner.
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!