Eine Biologin hält ein Exemplar eines Atlantischen Kabeljaus in die Kamera.
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Ein Kabeljau, der von den Forschenden im Nordpolarmeer gefunden wurde - nördlicher als erwartet, größer als gedacht.

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Überraschung: Kabeljau und Tintenfisch im Nordpolarmeer gefunden

Es gibt viele Fische im Meer - und einige von ihnen werden dort gefunden, wo sie gar nicht sein sollten. Forschende sind während einer Expedition auf Kabeljau und Tintenfisch in der zentralen Arktis gestoßen - viel nördlicher, als bisher gedacht.

Über dieses Thema berichtet: DoX - Der Dokumentarfilm im BR am .

Bis zu 70 Zentimeter groß waren die Kabeljau-Exemplare, die Forschende der MOSAiC-Expedition (Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate) mit dem Forschungsschiff Polarstern im Nordpolarmeer entdeckt haben. Das ist nicht nur bemerkenswert, weil man diese Fische so weit nördlich gar nicht erwarten würde, sondern auch, weil keiner damit gerechnet hat, dass sie auch so groß werden würden.

Was ist die MOSAiC-Expedition?

Die MOSAiC-Expedition, an der Wissenschaftler aus 20 Nationen teilnahmen, driftete mit dem Eisbrecher- und Forschungsschiff Polarstern ein ganzes Jahr durch die zentrale Arktis - von September 2019 bis Oktober 2020. Ein Jahr mit Temperaturen bis minus 40 Grad, monatelang keiner Sonne, festgefroren an einer Eisscholle, isoliert von der Außenwelt. Bei der größten Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten sollte herausgefunden werden, wie sich die Arktis im Laufe eines Jahres verändert und welche Auswirkungen der Klimawandel hat. Verschiedene Teams untersuchten unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) verschiedene Bereiche wie das Ökosystem der Arktis, die Prozesse in Atmosphäre und Ozean oder die Physik des Meereises.

Nicht genug Nahrung in der Arktis - eigentlich

Über die erstaunlichen Fischfunde wurde nun in der Fachzeitschrift "Science Advances" berichtet. Denn dass es überhaupt Fische im Nordpolarmeer gibt, war schon eine Überraschung. Wenn, dann hätte man nur mit ganz kleinen gerechnet, so Biologe Hauke Flores vom AWI. Das liegt daran, dass die Arktis nur einen sehr geringen Nährstoffgehalt aufweist. Damit Fische wachsen können, brauchen sie Nahrung. Und da das Angebot dort mangelhaft ist, würde das eine größere Population von Fischen verhindern.

Küstenfische wie Kabeljau mitten im Nordpolarmeer

Entlang der 3.170 Kilometer langen Route der Expedition erwarteten die Biologen keine großen Mengen an Fisch in 200 bis 600 Metern Tiefe, maximal tierisches Plankton und Kleinstfische. In 350 bis 400 Metern Tiefe fingen sie dann aber vier große Exemplare - unter ihnen drei Kabeljaue. Der Atlantische Kabeljau lebt eigentlich nahe der Küste. Die nächste ist aber mehr als 500 Kilometer entfernt und die gefundenen Fische lebten in einem vier Kilometer tiefen Ozeanbecken. "Eine kleine Anzahl von Individuen scheint genug Nahrung zu finden, um über längere Zeit zu überleben", erklärt Pauline Snoeijs Leijonmalm, Professorin für Meeresökologie an der Universität Stockholm.

Im Labor konnte herausgefunden werden, dass die Kabeljaue aus norwegischen Laichgründen stammten und bis zu sechs Jahre alt waren. Normalerweise würden sie das wärmere Wasser im Atlantik mit Temperaturen zwischen 0 und 2 Grad Celsius bevorzugen. Die Temperaturen in der Arktis liegen mit -1 bis 2 Grad Celsius darunter. Die Tiere scheint das aber nicht zu stören.

Nahrung für Säugetiere wie Robben und Eisbären

Neben einigen großen Exemplaren des Atlantischen Kabeljaus stießen die Forschenden mit Hilfe einer Tiefseekamera unter dem Meereis auch auf Tintenfische und Laternenfische. Das könnte erklären, warum so hoch im Norden auch Robben, Walrosse und Eisbären zu finden sind. Gerade ausreichend Nahrung scheint es für die Säugetiere zu geben. Es seien zwar wenige, aber sie sind da, meint Biologe Flores.

Fragiles Ökosystem schützen

Große Fischbestände für die Fischerei erwarten die Forschenden allerdings auch in naher Zukunft nicht, dafür sei der Nährstoffgehalt in der zentralen Arktis zu gering und das Ökosystem dort nicht dafür geschaffen. Der Klimawandel könnte darauf aber einen Einfluss haben. Deswegen warnt Snoeijs Leijonmalm, die an den Ergebnissen mitgeschrieben hat, davor, dieses fragile, aber funktionierende System zu stören. Es müsse genauso geschützt werden wie die Antarktis.

Abkommen zum Schutz der Fischbestände

Denn durch vermehrt eisfreie Zonen würde das Befahren der Zentralarktis im Sommer nur noch eine Frage von Jahrzehnten sein. Und das hat damit zu tun, dass die Arktis am schlimmsten von den Auswirkungen der globalen Erwärmung betroffen ist. Da das Gebiet hauptsächlich aus offener See besteht und keinem Land gehört - also internationales Gewässer ist - besteht hier die Gefahr der Ausbeutung.

Daher trat im Sommer 2021 ein internationales Abkommen zwischen den USA, Kanada, Russland, der Europäischen Union, Grönland (Dänemark), Südkorea, China, Island, Japan und Norwegen in Kraft, das diese Region schützen soll. "Dieses Abkommen verhindert für mindestens 16 Jahre jegliche kommerzielle Fischerei", erklärt Snoeijs Leijonmalm. Das gebe der Wissenschaft Zeit, die Fischbestände genauer zu untersuchen und sei ein erster Schritt für einen vollumfänglichen Schutz.

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