Das Coronavirus löst bei erkrankten Patienten verschiedene Reaktionen des Immunsystems aus, verbunden mit unterschiedlichen Krankheitssymptomen. Wie jedoch die Merkmale der Erkrankung mit dem jeweiligen Zustand des Immunsystems zusammenhängen, ist bislang nur unzureichend erforscht.
Killer-T-Zellen entscheidend für Krankheitsverlauf bei Corona?
Nach wie vor tappen Mediziner auf der Suche nach individuellen Therapien für schwer erkrankte Covid-19-Patienten im Dunkeln. Mehr Licht können Studien zur Immunreaktion von Betroffenen bringen. Bislang bekannt ist, dass besonders schwer am Coronavirus Erkrankte eine signifikante Verringerung von Killer-T-Zellen im Blut zeigen. Allerdings basierten diese Befunde einer chinesischen Studie nur auf einer relativ kleinen Fallzahl.
Studie zu Immunprofilen
Wissenschaftler des Penn Institute of Immunology, University of Pennnsylvania, in Philadelphia haben nun in einer am 15. Juli 2020 im Fachmagazin Science veöffentlichten Studie erstmals das Immunprofil einer größeren Anzahl von Covid-19-Patienten analysiert. Dafür verglichen sie die Anzahl unterschiedlicher Immunzelltypen im Blut von 125 schwer erkrankten Covid-19-Patienten. Hinzu kamen genesene Patienten mit milden Verläufen und gesunde Probanden, die keine Covid-19-Infektion erlitten hatten. Die Blutbestandteile wurden mittel Durchflusszytometrie analysiert, ein Verfahren, bei dem zellhaltige Flüssigkeit an Elektroden oder einem Lichtstrahl vorbeigeleitet werden.
Drei Immuntypen: Wie arbeitet die zelluläre Abwehr?
Aus der Untersuchung der unterschiedlichen Blutproben entwickelten die Wissenschaftler ein Modell dreier unterschiedlicher Immuntypen. Charakteristisch für zwei der Typen war, dass sie eine unterschiedlich starke Aktivität von T-Helferzellen sowie T-Supressor-Zellen aufwiesen. Beide Abwehrzellen (Lymphozyten) spielen für das Immunsystem eine wichtige Rolle, da sie als Immunantwort auf spezielle Krankheitserreger gebildet werden und befallenen Körperzellen zerstören. Der dritte Immuntyp zeigte wenig bis gar keine Immunreaktion auf die Infektion.
„Dieser Immuntyp ist negativ mit der Erkrankungsschwere verknüpft. Das spricht dafür, dass eine weniger robuste Immunantwort bei Covid-19 auch mit weniger schweren Verläufen verbunden ist.“ Divij Mathew, Penn Institut of Immunology, University of Pennsylvania,
Wie hängen Symptome und Immunreaktion zusammen?
Diese Befunde kombinierten die Wissenschaftler mit klinischen Daten, um Zusammenhänge zwischen den Reaktionen des Immunsystem und tatsächlichen Krankheitsmerkmalen der Patienten aufzuspüren. Der erste Immuntyp konnte demnach mit schweren Symptomen wie Entzündungen, Organversagen und akuten Nierenschäden in Verbindung gebracht werden. Der zweite Immuntyp ging weniger mit akuten Krankheitszeichen einher, sondern trat bei einer bereits vorhandenen Immunschwäche auf. Dem dritten Typ, der keine Immunreaktion zeigte, konnten entsprechend auch keine Symptome zugeordnet werden.
Angeborene Immunreaktion prägt Immun-Typen
Für die Forscher am Penn Institute of Immunology sind die Befunde zur starken Aktivität unterschiedlicher Typen von Lymphozyten bemerkenswert, da sie den entscheidenden Bestandteil eines anpassungsfähigen Immunsystems darstellen:
„Die Aktivität dieser Lymphozyten wird durch eine angeborene Immunreaktion gesteuert. Unserer Meinung nach hat demnach die angeborene Immmunreaktion der Patienten Einfluss auf die Ausprägung der jeweiligen drei Immuntypen.“ Co-Studienautor Michael R. Betts, Professor für Mikrobiologie, Penn Institute of Immunology, University of Pennsylvania,
Die Wissenschaftler hoffen künftig aufgrund klinisch erhobener Befunde ableiten zu können, welchem Immuntypus ein Patient angehört. Das könnte helfen, Patienten künftig besser zu behandeln und den Verlauf ihrer Erkrankung vorherzusagen.
Weitere Studie zu Immun-Typen
Der Abgleich der Blutproben von 42 mäßig bis schwer an Covid-19-Erkrankten sowie 12 gesunden Probanden in einer weiteren Studie zeigte eine uneinheitliche Reaktion des Immunsystems auf das Coronavirus: starke Aktivität unter anderem von T-Helferzellen und T-Supressor-Zellen sowie B-Lymphozyten. Zugleich stellten die Forscher bei schwer Erkrankten einen Abfall der CD15- und CD16-Moleküle im Blut fest. Diese Moleküle sind innerhalb der Immunreaktion als Gegenspiel bei viralen Infektionen bekannt. Inwieweit diese Teilchen die flexiblen Reaktionen innerhalb der drei Immuntypen steuern oder sogar verschärfen, ist ein Frage, der sich die US-Forscher künftig widmen wollen.
„Die intensive Suche nach Immuntypen, die die Forscher hier vorantreiben, könnte nicht nur jetzt, für die Behandlung von Covid-19, hilfreich sein, sondern auch künftig zur Therapie vieler anderer Krankheiten dienen.“ Jonathan A. Epstein, Vize-Dekan, Penn Institute of Immunology, University of Pennnsylvania
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!