Ohne Kunstschnee geht im alpinen Skitourismus praktisch gar nichts mehr. In diesem Winter hat sich die Lage zugespitzt. Nicht einmal der Kunstschnee kann derzeit helfen. Vor dem Hintergrund von Energiekrise und Klimawandel wird der Einsatz des Schnees aus der Konserve besonders heftig diskutiert. Wie hoch sind Strom- und Wasserverbrauch tatsächlich?
Energieverbrauch: Die Formel für den Kunstschnee
Grundsätzlich gibt es eine einfache Faustformel. Sie lautet: "2 m³ Kunstschnee = 6 kWh Energie + 1 m³ Wasser"
Ein Kubikmeter (m³) entspricht einem Volumen von 1.000 Litern und somit der Füllmenge von rund sechs Badewannen. Bei der Kilowattstunde (kWh) handelt es sich um eine übliche Einheit, um Strom zu messen. Pro Person und Jahr ist ein Stromverbrauch von etwa 1.300 Kilowattstunden üblich.
Enthalten ist in der obigen Formel der Betrieb der Schneeanlage und des Pumpensystems. Die Zahlen variieren je nach Typ der Schneekanone, der Länge der Wasserleitungen und der herrschenden Temperatur. Spezielle Kühlsysteme kühlen örtlich auch das Wasser der Speicherbecken, um beschneien zu können. Für einen Hektar (10.000 Quadratmeter) Skipiste liegen die Berechnungen zwischen 1.000 und 3.000 Kubikmeter Wasser sowie 6.000 und 18.000 Kilowattstunden Energie. Die Schwankungsbreite dieser Zahlen zeigt bereits, wie schwierig es ist, zu Gesamtrechnungen zu kommen.
Konkrete Zahlen gibt es im Fall einer neu geplanten Piste im Skigebiet Gitschberg-Jochtal in Südtirol: Für Liftbetrieb, Kunstschneeanlage und Pistenpräparierung wären hier 770.000 Kilowattstunden Strom notwendig, was dem Jahresverbrauch von 300 Südtiroler Haushalten entspricht.
Minusgrade nötig - Zusatzmittel in Deutschland verboten
Neben dem Typ der Schneekanone oder Schneilanze hängen Leistung und Verbrauch stark von den Temperaturen ab: Erst ab -2 Grad erreichen die meisten Modelle eine akzeptable Wirkung. Während bei dieser Temperatur bei gängigen Modellen etwa 0,7 Liter Wasser pro Sekunde in Schnee umgewandelt werden können, sind es bei -7 Grad bis zu 7 Liter. Zusätze von Proteinen wie Snowmax, die die Kristallisation auch bei höheren Temperaturen ermöglichen, sind in Ländern wie Deutschland und Österreich verboten.
In Zermatt und im Pitztal gibt es an wichtigen Pistenverbindungen den Allweather-Snowmaker, der auch bei hohen Plusgraden noch einen eisscherbenartigen Kunstschnee erzeugen kann.
Sölden, Kitzbühel, Wilder Kaiser: Zahlen aus den Skigebieten
Aus Sicht der Skigebietsbetreiber war der Winter 2006/2007 ein erster "Katastrophenwinter", in dem sogar die Weltcupabfahrt in Kitzbühel trotz Schneetransporten mit dem Hubschrauber abgesagt werden musste. Im alpinen Skisport wurden daraufhin die Investitionen in Beschneiungsanlagen enorm gesteigert. Ein paar Beispiele: Sölden hat damals für 23 Millionen Euro eine Schneeanlage mit 130 Schneekanonen zur Bewirtschaftung von 75 Hektar Skipisten installiert. Insgesamt stehen im dortigen Skigebiet rund 250 Schneekanonen. Die besonders auch in Bayern beliebten Skigebiete in den Kitzbüheler Alpen zwischen St. Johann, Kitzbühel und der Skiwelt Wilder Kaiser/Brixental kommen heute zusammen auf über 2.000 Schneekanonen.
In den führenden Alpinskidestinationen Österreich, Schweiz und Südtirol wurden seither regelmäßig dreistellige Millionenbeträge im Jahr allein in den Ausbau der künstlichen Beschneiung investiert. Das Skigebiet „Drei Zinnen“ im Pustertal kalkuliert eine „Einschneizeit“ von 40 Stunden, um gut 100 Kilometer Pisten zu beschneien.
In Bayern benötigt das Skigebiet Fellhorn/Kanzelwand in Oberstdorf mit 100 Schneekanonen 70 Stunden für die Grundbeschneiung. Und die Hörnerbahn in Bolsterlang kalkuliert für gut 15 Pistenkilometer bis zu 150.000 Kubikmeter Kunstschnee mit Kosten von rund einer halben Million Euro. In Garmisch-Partenkirchen fließen 20 Prozent der Stromkosten des Unternehmens von 2,5 Millionen Euro (Saison 21/22) in maschinell erzeugten Schnee. Die hohen Investitionssummen führen zu großem Druck auf der Betriebs- und Einnahmenseite der Seilbahnunternehmen.
Alpen: 80.000 Schneekanonen in Betrieb
Eine Studie des privaten Forschungszentrums Eurac in Bozen kommt für den Zeitraum 2007 bis 2016 auf einen Jahresverbrauch von bis zu 10 Milliarden Liter Wasser und bis zu 170 Millionen Kilowattstunden Strom für Beschneiung und Liftbetrieb, was 12 Prozent des jährlichen Trinkwasserverbrauchs und 5,4 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Südtirol entspricht. Ein Skigebiet wie Ischgl verbraucht etwa den Bedarf von 5.000 Haushalten in München.
Alpenweit sind derzeit mehr als 80.000 Schneekanonen in Betrieb und beschneien knapp 100.000 Hektar Skipisten. Der Wasserverbrauch liegt bei rund 280 Millionen Kubikmetern, was der dreifachen Menge von München entspricht. Der Stromverbrauch erreicht rund 2.100 Gigawattstunden (1 Million Kilowattstunden). Das entspricht 500.000 Haushalten, in etwa dem Verbrauch von Nürnberg. Während in Südtirol über 90 Prozent der Pisten künstlich beschneit werden, ist die Lage in Bayern deutlich zurückhaltender: Hier sind es rund 26 Prozent der Skipisten.
- Zum Artikel "Wie umweltverträglich ist Skifahren?"
Ruhpolding: Kunstschnee wird unter Styropor "übersommert"
Nach ersten Versuchen vor 15 Jahren in Davos wurde in Ruhpolding die erste Snowfarming-Anlage in Bayern gebaut. Schneekanonen produzieren hier bei günstigen Temperaturen ein Schneedepot von rund 15.000 Kubikmetern Kunstschnee, der dann in einem Silo unter Styropor und Plastik "übersommert" wird.
Mit Verlusten von 20 bis 30 Prozent dient dieses Schneedepot als Garantie für den Biathlon-Weltcup. Die Kosten belaufen sich auf rund 50.000 Euro. Die gleiche Technik wird auch in Oberstdorf für die Langlaufwettbewerbe angewandt.
Zahlen schwanken je nach Standort und Temperatur
Die Erhebung der Zahlen ist schwierig, da der Verbrauch wie geschildert von vielen Parametern abhängig ist; daher wird meistens mit errechneten Werten operiert. Beschneiungsanlagen funktionieren je nach Standort unterschiedlich gut. Pistenerschließung, geographische Lage und Profil spielen eine Rolle. Da viele der Zahlen unter das Betriebsgeheimnis fallen, gibt es je nach Unternehmen auch unterschiedliche Praktiken in der Veröffentlichung.
Für ganze Länder und Regionen gesammelte Angaben gibt es nur selten. Meistens müssen einzelne Daten wie beschneite Pistenflächen oder Wasserverbrauch konkret bei Behörden oder in Genehmigungsunterlagen erfragt werden.
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