Manfred Genditzki hat am Landgericht München 1 heute seinen Freispruch entgegengenommen - nachdem er zuvor mehr als 13 Jahre schuldlos im Gefängnis gesessen hatte. Dem heute 63-Jährigen war vorgeworfen worden, im Jahr 2008 eine 87-jährige Rentnerin aus Rottach-Egern nach einem Streit geschlagen und dann in ihrer Badewanne ertränkt zu haben.
Entschädigungssumme für Genditzki steht in der Kritik
Genditzki soll für den immateriellen Schaden eine Entschädigungssumme von rund 370.000 Euro erhalten - zu niedrig, finden Kritiker. Christian Solmecke, Anwalt für Internet- und Medienrecht, sagte im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk, dass die Summe - gemessen an dem entstandenen emotionalen wie finanziellen Schaden - in jedem Fall zu gering sein werde: "Schlampereien der Justiz kann man nicht mit Geld aufwiegen." Entschädigungen seien wichtig, um das Vertrauen in die Justiz zu stärken und damit auch Fehler anzuerkennen.
Die Höhe der Entschädigung für immaterielle Schäden berechnet sich mit 75 Euro pro Tag in Haft. Bei Genditzki handelt es sich um insgesamt 13 Jahre und 6 Monate.
Angeklagter nahm das Urteil regungslos entgegen
BR-Korrespondent Moritz Steinbacher bestätigte live vor dem Landgericht München 1, dass der Angeklagte sein Urteil regungslos zur Kenntnis genommen habe. Seine Kinder hingegen hätten "schlotternd geweint", auch der BR-Reporter zeigte sich im Livestream sichtlich ergriffen.
Während der Urteilsverkündung habe die Richterin jedoch erwähnt, dass der Angeklagte mit aller emotionalen Kraft über viele Jahre hinweg für seinen Freispruch gekämpft habe. Zudem entschuldigte sie sich in einem persönlichen Wort für die ergangenen Fehlurteile.
Solmecke: Justizirrtümer bei bestimmten Gruppen häufiger
Gibt es eine bestimmte Personengruppe, die Justizirrtümer leichter treffen? "Bei Menschen, die kein Geld haben für eine optimale Verteidigung, kann es eher dazu kommen, dass sie fehlerhaft verurteilt werden", sagte Christian Solmecke im BR24-Livestream.
Wie im "Fall Peggy" zeige sich zudem, dass auch Menschen mit geistigen Einschränkungen leichter Justizirrtümern zum Opfer fielen. Hier war ein geistig behinderter Mann festgenommen und später schuldig gesprochen worden. Später wurde der Angeklagte freigesprochen, da es sich bei dem Urteil um einen Fehler gehandelt hatte.
Natürlich könnten Irrtümer letztlich jeden treffen, so wie im "Badewannen-Mord", in dem Genditzkis Verteidigerin seit über 10 Jahren erbittert um seinen Freispruch kämpfte. Und ganz verhindern könne man sie nie.
Verschiedene Gründe können zu Irrtümern führen
Welche Gründe es für die Entstehung von Justizirrtümern noch geben kann? "Oft gibt es falsche Geständnisse und oft hat die Justiz zu wenig Zeit", sagt Anwalt Solmecke. Ein Wiederaufnahmeverfahren wie im "Badewannen-Mord" komme nur unter strengen Regeln zustande. Und alle Beweise werden neu aufgerollt. Somit kann man davon ausgehen, dass das neue Urteil dann auch tatsächlich der Wahrheit entspricht.
Weder rechtliche Folgen noch Unterstützung für Richter
ARD-Rechtsexperte Kolja Schwartz erklärte im BR24-Livestream, dass Richterinnen und Richter nach einem Fehlurteil nicht belangt werden. "Der einzige Grund hierfür wäre, wenn dies vorsätzlich geschehen wäre."
Auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz gibt es keine vorgeschriebene psychologische Unterstützung für den Fall, dass sie ein Fehlurteil sprechen. Darum müssten sich die Betroffenen selbst kümmern, erklärte Schwartz im Interview.
Viele Menschen zeigten sich erschüttert
Nicht zuletzt in den Kommentarspalten des Livestreams zeigten sich die Menschen betroffen und erbost über die Ungerechtigkeit von Justizirrtümern. "Dass die Öffentlichkeit so etwas erschüttert, kann ich sehr gut nachvollziehen", sagte Medien-Anwalt Christian Solmecke im BR24-Livestream. Das neue Urteil und Entschädigungssummen könnten zwar nichts wieder gut machen. Sie seien jedoch wichtig, damit das Vertrauen in die Justiz nicht gänzlich verloren gehe.
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