Ein Angeklagter mit seiner Verteidigerin vor Gericht.
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Der Zahnarzt (links) mit seiner Verteidigerin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Wegen Abrechnungsbetrug muss der 60-Jährige ins Gefängnis.

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Abrechnungsbetrug in Millionenhöhe: Haftstrafe für Zahnarzt

Weil er Krankenkassen um gut drei Millionen Euro betrogen hat, muss ein Münchner Zahnarzt ins Gefängnis. Das Landgericht Nürnberg-Fürth verurteilte ihn zu fünfeinhalb Jahren Haft. Ein Berufsverbot verhängten die Richter aber nicht.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Am Ende des Prozesses steht fest: Der Zahnarzt muss ins Gefängnis, weil er die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen um mehr als drei Millionen Euro betrogen hat. Fünf Jahre und sechs Monate Haft lautet das Urteil. Damit blieb das Gericht nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine Haftstrafe von sechs Jahren und anschließendes Berufsverbot gefordert.

Lebensstil durch Abrechnungsbetrug finanziert

Gier habe den 60-Jährigen offenkundig nicht zum Betrug verführt, so der Vorsitzende Richter über den Zahnarzt, der am letzten Verhandlungstag mit einer hellen Kappe und einer OP-Maske den Gerichtssaal betrat. Vielmehr habe der Zahnarzt seinen Lebensstil durch den Abrechnungsbetrug finanziert. Die Praxis sei defizitär gewesen, nachdem in der Nachbarschaft ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) eröffnet habe, berichtete der Mediziner im Prozess.

Echte Patienten, fiktive Behandlungen

Ende 2014 begann er, den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung fiktive Behandlungen zu melden. Dazu benutzte er die Daten von Schmerzpatienten, die meist nur einmal bei ihm in der Praxis gewesen waren, so das Gericht. Bei den Krankenkassen bat er dann um sogenannte Ersatzbehandlungsscheine, weil sein Kartenlesegerät zum Einlesen der Gesundheitskarten angeblich nicht funktioniert habe.

Vorsitzender Richter: "Dreister geht’s nicht"

Erst als eine Mitarbeiterin der Krankenkasse DAK stutzig wurde, flog der Abrechnungsbetrug auf. Sie erinnerte sich im Dezember 2018 daran, dass der Zahnarzt bereits neun Monate zuvor mit einer ähnlichen Begründung telefonisch um Ersatzbehandlungsscheine gebeten hatte. Daraufhin liefen im Hintergrund bei mehreren Kassen umfangreiche Ermittlungen an, die schließlich in einer Strafanzeige mündeten.

Im Juni 2020 durchsuchte die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg die Praxis und die Privatwohnung des Zahnarztes. Bei der Behörde ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen angesiedelt, die Fälle in ganz Bayern verfolgt. Trotz der Razzia setzte der Arzt den Abrechnungsbetrug unvermindert fort. "Dreister geht's nicht", so der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.

Kein Berufsverbot für Zahnarzt

Ein Berufsverbot verhängte das Gericht aber nicht. Es sei nicht zu erwarten, dass der heute 60-Jährige nach Verbüßung seiner Haftstrafe noch einmal eine Praxis führen werde, so der Vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung. Wenn er aus dem Gefängnis entlassen werde, sei er im Rentenalter und mittellos. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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