Die schweren Türen der Kreuzkirche im Regensburger Stadtosten stehen offen, obwohl draußen der Sturm tobt. Im Gotteshaus steht Hans-Peter Landsmann vor dem Altar, streift die weiße Decke glatt und zündet zwei Kerzen an, die auf beiden Seiten des Kreuzes stehen. Er weiß, was er tut. "Ich bin aufgewachsen mit der römischen Kirche. Vom Ministranten, über den Kommunionhelfer bis Mesner habe ich alles gemacht." Doch vor sieben Jahren ist er aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten.
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Alt-Katholische Kirche auf neuen Wegen
Jetzt steht Landmann der Alt-Katholischen Kirche in Regensburg vor. Denn der Unternehmer ist nach wie vor ein sehr gläubiger Mensch. Nur eben auch einmal geschieden. Laut römisch-katholischer Kirche damit von der Kommunion ausgeschlossen. Nicht so bei den Altkatholiken.
"Bei uns in Regensburg sind es zu 99 Prozent römische Katholiken, die das Vertraute aus der römischen Kirche mögen, den ähnlichen Ritus. Aber das, was man in der römischen Kirche geändert haben will, ist bei der Alt-Katholischen Kirche umgesetzt." Hans Peter Landsmann, Vorsitzender der Alt-Katholischen Kirche in Regensburg.
Viele Änderungen, die auch der Synodale Weg von Rom fordert, sind in der Alt-Katholischen Kirche bereits selbstverständlich: Frauen sind zu Priesterämtern zugelassen, genauso wie gleichgeschlechtliche Paare als vollwertige Mitglieder akzeptiert sind. Die Gemeinde darf außerdem mitentscheiden, wer zum Beispiel bei ihnen Pfarrer wird. So viel Mitsprache kommt bei den Gläubigen gut an.
Aktive Katholiken suchen neue Heimat
Seit Wochen nimmt Hans-Peter Landsmann ein gesteigertes Interesse an der Alt-Katholischen Kirche wahr. Zuletzt sind wieder fünf Frauen und Männer bei ihm vorstellig geworden. Bundesweit sind im letzten Jahr fast 400 neue Gläubige dazugekommen, so der Alt-Katholische Bischof Matthias Ring. Für eine Kirche, die nur 15.000 Mitglieder zählt, ein großer Sprung. Vor allem aus dem Rheinland und rund um München würden vermehrt Anfragen kommen, berichten die Geistlichen der rund 60 Alt-Katholischen Pfarreien. "Als auffällig wird beschrieben, dass die Interessierten mittlerweile vermehrt aus dem aktiven Kern römisch-katholischer Gemeinden kommen", so Bischof Ring.
Missbrauchsgutachten: Gläubige brechen mit Rom
Zum Kern zählte sich auch Rita Fischer. Nun sitzt die Rentnerin aus dem Landkreis Regensburg in einer der mittleren Bankreihe in der Kreuzkirche. Neben ihr liegt eine schwarze Mappe, aus dem sie ein weißes Blatt Papier herauszieht, darauf ein Siegel des Freistaats Bayern. Es besiegelt ihren Austritt aus der römisch-katholischen Kirche. Lange hat sie mit der Entscheidung gerungen.
"Das waren innere Höllenquallen. Mein Leben war mit Glaube und Gebet verbunden und mit dem Austritt fällt ein ganz zentraler Teil weg." Rita Fischer, Katholikin
Denn im Januar wurde das Gutachten zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum München-Freising veröffentlicht. Darin wird auch Papst Benedikt XVI. in seiner Zeit als Erzbischof ein Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen vorgeworfen, was dieser aber bestreitet. Das Gutachten und der Umgang damit - zu viel für die zweifache Mutter. "Ich kann das vor meinem Gewissen nicht mehr verantworten, dass ich eine Institution unterstütze, die Pädophilen einen Schutzraum bietet. Das geht nicht."
Bischof Voderholzer: "Rückgang der Glaubenssubstanz"
Dabei ist die Zahl der Kirchenaustritte schon länger alarmierend: Allein im Bistum Regensburg haben 2019 und 2020 jeweils rund 10.000 Katholiken ihre Kirche verlassen. Für Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer geht das mit einem – Zitat - "Rückgang an Glaubenssubstanz" einher, wie es auf der Internetseite des Bistums heißt. Rita Fischer fühlt sich dadurch beleidigt. "Ich habe durch die ganzen Skandale da nicht meinen Glauben verloren. Überhaupt nicht. Aber ich habe die Hoffnung verloren, dass sich die Katholische Kirche zu meinen Lebzeiten nochmals reformieren wird."
Ähnlicher Ritus in anderer Kirche
Ohne eine Kirche, wo sie ihren Glauben leben kann, hätte sich die 68-Jährige nicht für einen Austritt entschlossen. "Das war eine Stufe, da könne ich nicht stehen bleiben." Für Fischer war der Beitritt zu den Altkatholiken daher naheliegend. "Weil ich kann und will mich nicht mehr groß umstellen. Hier kenne ich die Lieder, ich kenne die Gebete, ich fühle mich zuhause."
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