Blick in Gerichtssaal am Verwaltungsgericht München
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Anwälte berichten: "Mit Asylrecht kann man nicht reich werden"

Anwälte berichten: "Mit Asylrecht kann man nicht reich werden"

Bleiben oder nicht bleiben - das ist die Frage für viele geflüchtete Menschen in Deutschland. Ein Asylverfahren entscheidet. Doch oft scheinen diese sich endlos hinzuziehen. Wer verdient daran? Zwei Münchner Anwältinnen berichten aus ihrem Alltag.

Über dieses Thema berichtet: Münchner Runde am .

Gisela Seidler ist eine erfahrene Anwältin für Asylrecht. Seit 27 Jahren betreut sie Fälle in ihrer Münchner Kanzlei. Eins stellt sie gleich klar: "Man kann von Asylrecht keine Kanzlei betreiben. Wenn man nur Asylrecht machen würde, würde man pleitegehen."

Abgerechnet wird nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Satz, der sich nach dem sogenannten Streitwert bemisst. In Asylsachen ist dieser bei Einzelpersonen auf 5.000 Euro angesetzt. Die Verfahrensgebühr für einen Gerichtsprozess inklusive Vorbereitung beläuft sich auf 855 Euro plus Mehrwertsteuer, rechnet sie vor. Zu so einer Verhandlung kommt es, wenn ein Asylbescheid negativ ausfällt und sie für den jeweiligen Mandanten oder die Mandantin Klage einreicht. "Reich werden kann man davon nicht", resümiert Seidler.

Das bestätigt auch Anna Frölich. Die 36-Jährige ist seit 2015 Fachanwältin für Migrationsrecht. Fälle ziehen sich oft über fünf Jahre hin, die Gebühr fällt aber nur einmalig an. Ihr Fazit: "Das ist schon Dumping."

"Was läuft falsch in der Flüchtlingspolitik?" - Darüber diskutiert die Münchner Runde am Mittwoch, 17.5., um 20.15 Uhr.

Außergerichtliche und gerichtliche Gebühren

Ein Asylverfahren beginnt erst einmal außergerichtlich. Zuständig für den Asylantrag und entsprechend den Asylbescheid ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Eine anwaltliche Vertretung für die Antragsteller ist dabei nicht Pflicht, aber, sagt die Münchner Anwältin, "ich bin immer froh, wenn die Leute vor der Anhörung zu mir kommen und ich dann zur Anhörung begleiten kann. Dann kann ein positiver Ausgang zwar nicht zu 100 Prozent gewährleistet werden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es gut ausgeht, ist doch sehr hoch." Die Verfahrensgebühr für Mandantinnen und Mandanten liegt dabei zwischen 500 und 1.000 Euro. Oft wird Ratenzahlung vereinbart.

Frölich betreut etwa 500 bis 600 Fälle gleichzeitig - und das sei im Vergleich wenig. "Ich kenne alle meine Mandanten und meine Akten", sagt sie. Anderen und Kollegen würden auch 1.000 bis 2.000 Mandaten vertreten. Da verstehe sie auch die Kritik von manch ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern, die sich beschweren, ein Anwalt würde Gebühren berechnen, aber nicht mal zum Gerichtstermin erscheinen: "Das passiert letztlich, wenn man zu viele Mandanten hat, dass man sich um die einzelnen Fälle nicht mehr entsprechend in dem Maße kümmern kann."

"Schwarze Schafe" auch bei Anwälten

Schwarze Schafe sagt sie, gebe es in jedem Rechtsgebiet. Damit meint sie Anwälte, die zusätzlich zur gesetzlichen Gebühr einen Stundensatz als Honorar abrechnen. "Wenn mich ein Wirtschaftsunternehmen anfragt, dann berechne ich das auch", so Frölich, "aber nicht bei einem Asylbewerber, der nichts hat". Ähnlich arbeitet auch Gisela Seidler. Ihr Kollege und sie nehmen nur Fälle an, wenn sie auch die Kapazitäten haben - manchmal können sie deshalb zwei bis drei Wochen gar niemand Neues aufnehmen.

Gerichte überlastet

Immer wieder hört sie aus der Politik den Vorwurf der "Asylindustrie" - also das absichtliche in die Länge ziehen von Verfahren, um immer wieder abzukassieren. Seidler kann sie da nur den Kopf schütteln: "Das ist Quatsch. Man kann Fälle nicht in die Länge ziehen. Es gibt ein Gerichtsverfahren und das dauert so lange, wie es dauert." Wenn Politiker immer wieder forderten, dass es schneller gehen müsse, dann blieben halt andere Fälle liegen. "Es gibt keine Kammer, die nur Asylrecht macht. Die Kammer für Somalia macht auch Baurecht."

Zur Kritik, Verfahren würden zu lange dauern, ergänzt sie außerdem: "Politikerinnen und Politikern, die das sagen, gehen davon aus, dass alle Fälle negativ entschieden werden", so Seidler, dass die Menschen also möglicherweise auch schnell abgeschoben werden könnten. "Das ist aber nicht der Fall", erklärt die Münchner Anwältin, "wir gewinnen auch viele Fälle". Die lange Verfahrensdauer von mehreren Jahren sei dagegen eine Belastung für die Betroffenen.

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