Das Leben des kleinen August dauerte nur wenige Minuten. Er kam zur Welt, dann drückte seine Mutter ihn kopfüber in die Toilette und betätigte die Spülung - so oft, bis das Kind in der Toilette tot war. Es starb laut Obduktion an Ersticken durch Ertrinken, der Todeskampf dauerte mehrere Minuten lang. Der Säugling ertrank am 1. Mai des vergangenen Jahres. Das Gericht nahm ein ganzes Motivbündel für die Gewalttat an. So habe die junge Frau Angst gehabt, das Bild der Familie nach außen zu beschädigen und die Erwartungen ihrer eigenen Familie zu enttäuschen.
Dilemma wegen unehelichem Kind
Wegen der Tat muss die heute 20 Jahre alte Mutter für drei Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Das Landgericht München I verhängte die Jugendstrafe gegen die junge Frau am Mittwoch wegen Totschlags. Sie habe den Säugling getötet, weil sie sich als Teil einer konservativ-christlichen Familie mit ihrem nicht-ehelichen Kind "in einem Dilemma" befunden habe, sagte Richter Christoph Limmer in seiner Urteilsbegründung.
Gericht sieht keine niedrigen Beweggründe
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von sieben Jahren wegen Mordes gefordert, die Verteidigung zwei Jahre wegen Totschlags. Diese sollten zur Bewährung ausgesetzt werden. Niedrige Beweggründe, wie sie einen Mord kennzeichnen, seien bei der Angeklagten nicht festzustellen gewesen.
Zu der Tat hatte sich die Auszubildende laut Staatsanwaltschaft in erster Linie entschieden, weil sie Folgen für ihre Karriere fürchtete. Während des Prozesses habe sich jedoch keine "krasse Eigensucht" als Motiv bestätigt, so Richter Limmer.
Konservative Familie in christlich-katholischem Milieu
Die 20-Jährige aus Garching bei München hatte die Tat zum Prozessauftakt Ende April gestanden. Dabei stellte sie vor allem das Verhältnis zu ihrer im katholischen Milieu verhafteten Familie mit insgesamt acht Geschwistern heraus. Der Vater habe sich als Abtreibungsgegner engagiert. Sie habe befürchtet, als Mutter eines unehelichen Kindes "verstoßen" zu werden. "Ich habe viel gelernt und übernehme die volle Verantwortung für meine Tat", ließ sie dem Gericht über ihre Anwältin mitteilen.
Das Gericht hielt ihre Aussage weitgehend für glaubhaft. Die Angeklagte, die noch zu Hause lebte, habe keine Möglichkeit gesehen, sich gegen ihren Familienverbund durchzusetzen. Daher brauche sie die Zeit im Gefängnis, um Abstand zu ihrer Familie zu gewinnen, in der das Thema verdrängt werde und es keine Chance zur Aufarbeitung gebe, sagte Limmer.
Getötetes Kleinkind nach Großvater August benannt
Zur Schwangerschaft der Angeklagten kam es infolge einer Affäre mit einem Mann, der kurz darauf wegzog. Die Frau schaffte es, die Umstände vor ihrer Familie bis zum Schluss geheim zu halten. Schließlich gebar sie das Kind alleine im elterlichen Haus. Kurz nach der Geburt und der Tötung des Säuglings wurde sie von ihrer Mutter entdeckt und ins Krankenhaus gebracht. Dort benannte sie das verstorbene Baby nach ihrem Großvater August.
Angeklagte schätzte Eltern anders ein als diese sich selbst
Im Zeugenstand hatte der Vater der Angeklagten bestätigt, dass Abtreibung und uneheliche Kinder nicht in sein stark katholisches Weltbild passen würden. Verstoßen hätte er seine Tochter jedoch nicht. Ihre Mutter sagte aus, sie hätte das Neugeborene akzeptiert. Notfalls wäre es von der Familie großgezogen worden. Diese Offenheit, sagte Limmer, sei jedoch dem Rückblick auf das Geschehen geschuldet. Die Angeklagte habe die Situation anders wahrgenommen.
Mit Informationen von AFP und dpa.
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