Kurz nach 19 Uhr wird es laut am Militärflugplatz in Neuburg an der Donau. Der erste von insgesamt acht Eurofightern dieses Abends startet vom oberbayerischen Flugplatz zum Nachtflug. Die Anwohner kennen den Fluglärm nur zu gut. Schließlich leben sie zum Teil seit Jahrzehnten in unmittelbarer Nachbarschaft zum Taktischen Luftwaffengeschwader 74.
Hildegard Weis ist Sprecherin des Neuburger Ortsteils Marienheim, lebt selbst nur wenige hundert Meter von der Start- und Landebahn entfernt. An den Lärm – vor allem bei den Nachtflügen – werde sie sich nie gewöhnen: "Der ist sehr schnell da. Es erschüttert einem die Seele, das Innerste bebt", versucht die 69-Jährige ihr Empfinden in Worte zu fassen.
Kritik trotz Akzeptanz in Neuburg an der Donau
Zugleich betont Weis, dass sie zum Geschwader steht. "Wir haben nichts gegen die Soldaten oder den Kommodore. Das sind alles ehrenwerte Leute. Das ist ein Wirtschaftsfaktor in Neuburg." Rund 1.100 Menschen arbeiten für das Geschwader. Und in diesen Wochen arbeiten viele auch nachts. Sechs Wochen lang jeweils von Montag bis Donnerstag zwischen 19 und 22 Uhr hat die Luftwaffe die Nachtflüge angekündigt. Dass die Flüge vorher bekannt gemacht werden, ist Ergebnis der sogenannten Lärmschutzkommission. Dort treffen sich einmal im Jahr Luftwaffe, Bürgermeister und die Vertreter der Anwohner, um die Lärmprobleme zu diskutieren.
Bürger beschweren sich mehr
Seit Beginn der Pandemie gingen bei der Bundeswehr deutlich mehr Beschwerden als früher ein, teilt das Kommando Luftwaffe dem Bayerischen Rundfunk auf Anfrage mit. Das gilt auch für den Übungsluftraum "TRA Allgäu", in dem das Neuburger Geschwader fliegt. Die Beschwerden hätten zugenommen, aus dem Raum Neuburg seien es knapp 50 im letzten Jahr gewesen. Insgesamt 4.000 Flugstunden – bei Tag und Nacht – hat das Geschwader 2021 absolviert. In diesem Jahr sollen es wieder 4.000 werden. Mittelfristig soll die Zahl der Flugstunden steigen.
Kommodore rechtfertigt Nachtflüge
Der Kommodore, also der Chef des Geschwaders, Oberst Gordon Schnitger, erklärt, dass die Luftwaffe ein Bürgertelefon für Beschwerden eingerichtet habe. Es ist unter der kostenlosen Rufnummer 0800/862 07 30 oder per E-Mail an filz@bundeswehr.org zu erreichen. Jede Beschwerde werde aufgenommen und es werde geprüft, ob man dagegen etwas machen könne.
Verzichten könne man freilich auf die Nachtflüge nicht, denn sie seien wichtiger Teil der Ausbildung der Piloten, so der Kommodore, der selber Eurofighter-Pilot ist. Nachtflüge seien eine besondere Herausforderung, weil Größenverhältnisse, Geschwindigkeiten und Abstände sehr schwer einzuschätzen sein. Und man habe keinen echten Horizont und müsse sich voll auf den künstlichen Horizont bei den Instrumenten verlassen. Das sei schwierig und müsse besonders geübt werden.
Für jeden Trainingsflug, ob Tag oder Nacht, gebe es einen konkreten Auftrag. Zum Beispiel gehe es um Abfangflüge, das heißt ein oder zwei Eurofighter müssen ein anderes Flugzeug am Himmel finden. Das ist auch im Alltag die Aufgabe der sogenannten "Alarmrotte" des Luftwaffengeschwaders, das von Neuburg aus den südlichen Luftraum in Deutschland überwacht. Wenn der Alarm geht, zum Beispiel weil ein Verkehrsflugzeug per Funk nicht zu erreichen ist, müssen zwei Eurofighter binnen 15 Minuten in der Luft sein und das Flugzeug finden.
Veränderte sicherheitspolitische Lage
Die Bundeswehr passe sich der veränderten sicherheitspolitischen Lage an, erklärt ein Sprecher der Luftwaffe. Deutschland sei Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen und Truppensteller für die NATO-Kontingente an der Ostgrenze des Bündnisses. Regelmäßig sichern Neuburger Eurofighter für eine bestimmte Zeit den Luftraum über dem Baltikum und demnächst auch erstmals in Rumänien. Die Länder dort verfügen oft über keine oder eine unzureichende Luftwaffe.
Dafür haben die Neuburger Bürger, die oft persönliche Verbindungen zum Geschwader haben, Verständnis. Auch Roland Habermeiner, Ortssprecher des besonders betroffenen Ortsteils Zell, kennt die Bedürfnisse der Luftwaffe. Zugleich wünscht er sich, dass man der Bevölkerung beim Fluglärm entgegenkomme. So hätte er gerne, dass die Nachtflüge bereits zwischen 18 und 20 Uhr stattfinden. Außerdem sollen die Piloten bei ihren Starts nicht die besonders lauten Nachbrenner – für die extreme Beschleunigung des Eurofighter – einsetzen und nach der Landung nicht noch einmal durchstarten, wie es oft der Fall ist. Die Luftwaffe entgegnet, dass man aus organisatorischen Gründen zwischen 19 und 22 Uhr trainieren müsse und auf das Üben mit dem Nachbrenner und das Durchstarten nicht verzichten könne.
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